Etliche Meereslebewesen orientieren sich am Licht des Mondes und seinem Rhythmus.
Foto: David Noton / imago / Nature Picture Library

Mondscheinnächte haben eine besondere Wirkung auf Menschen: Ein malerischer Vollmond kann zur romantischen Stimmung bei einem Date beitragen, und wer der Astrologie Glauben schenkt, passt womöglich sogar den Termin einer Verabredung an den Mondzyklus an. Aber auch andere Tiere werden vom Licht des Sonnenspiegels beeinflusst – mitunter in ihrem Sexualverhalten. Ein beeindruckendes Beispiel hierfür liefert nun ein Wiener Forschungsteam im Fachjournal "PNAS": Borstenwürmer stimmen sich anhand des Mondlichts ab, um gleichzeitig mit der Paarung zu beginnen.

Das hängt mit dem Prinzip der inneren Uhr zusammen, das mehrzelligen Organismen innewohnt. Die innere Uhr orientiert sich üblicherweise am 24-Stunden-Rhythmus, in dem sich je nach Sonnenlicht helle und dunkle Phasen abwechseln. Wenn man nicht gerade in kurzer Zeit weite Strecken Richtung Westen oder Osten zurücklegt, weiß der Körper dadurch, wann es eine gute Idee ist, zu essen oder zu schlafen.

Längere Mondperiode

Doch nicht nur die Sonne, sondern auch der Mond spielt dabei eine Rolle. Während sein Einfluss auf den Menschen – etwa durch Schlafprobleme – noch immer heiß diskutiert wird, gibt es etliche Hinweise darauf, wie er beispielsweise den Alltag von nachtaktiven Tieren prägt. Auch Meereslebewesen unterliegen seinem Einfluss – und zwar nicht nur dadurch, dass er Ebbe und Flut verursacht. Bei Mantarochen, Glas-Aalen und Zooplankton verändert die lunare Rhythmik das Verhalten: Sie können sich bei Vollmond versammeln und sich am Himmelskörper in ihrer Fortbewegung orientieren.

Dabei ist wichtig, dass sich der Rhythmus von dem der Sonne unterscheidet, nämlich um rund eine Stunde: Jeden Tag geht der Mond 50 Minuten später auf, es handelt sich also nicht um eine 24-, sondern um eine 25-Stunden-Uhr.

Riskante Paarung

Dieser Rhythmus wirkt sich auch stark auf den Meeresringelwurm aus. Um sich fortzupflanzen, versammeln sich die Tiere nachts im seichten Küstenbereich und geben Eier und Spermien ins Wasser ab, wo es im Idealfall zur Befruchtung kommt. Bei dieser eher riskanten Methode ist das richtige Timing besonders wichtig, und wie Forschende bereits herausfanden, konzentrieren sich diese Borstenwürmer dafür auf wenige Tage im Monat.

Der Borstenwurm Platynereis dumerilii beim Laichen.
Foto: Florian Raible, Universität Wien

Noch genauer hat eine Gruppe um Kristin Tessmar-Raible und Florian Raible von den Wiener Max Perutz Labs die zeitliche Abstimmung analysiert. "Wir können zeigen, dass das Mondlicht kontrolliert, wann genau in der Nacht die Würmer ihr Fortpflanzungsverhalten beginnen, nämlich immer in der dunkelsten Phase", erklärt Erstautor Martin Zurl. In düsterer Heimlichkeit vollzieht Platynereis dumerilii also sein Paarungsritual – aller Voraussicht nach nicht nur im Labor, sondern auch in freier Wildbahn.

Dabei sind nicht die akuten Lichtverhältnisse ausschlaggebend: Das Mondlicht beeinflusst die innere zirkadiane Uhr der Würmer, sodass sie nicht nur nach dem 24-Stunden-Rhythmus funktionieren, sondern für ihr Fortpflanzungsverhalten an den Mondverlauf angepasst sind. Das zeigt, wie plastisch die innere Uhr ist. Damit dies möglich ist, besitzen die Tiere zwei Lichtrezeptoren. Ein Opsin und ein Chryptochrom können im Zusammenspiel sowohl Mond- als auch Sonnenlicht dekodieren.

Rhythmus bipolarer Stimmungsschwankung

Damit sind sie im Tierreich nicht allein, auch die Taufliegen der Spezies Drosophila melanogaster können erwiesenermaßen Mondlicht registrieren, wie Kristin Tessmar-Raible gegenüber der APA berichtete: "Sie halten dessen Einfluss aber möglichst gering, damit ihr Tagesrhythmus nicht durcheinanderkommt."

Menschliche Augen nutzen dafür den mit Opsin verwandten Rezeptor Melanopsin, der sich in der Netzhaut befindet. Es gibt auch genetische Veränderungen und psychische Erkrankungen, die bei Menschen dazu führen, dass sie vom 24-Stunden-Rhythmus abweichen. Beispielsweise fanden Forschungsteams heraus, dass Stimmungsschwankungen von Personen, die von bipolarer Störung betroffen sind, überdurchschnittlich oft dem Mondlauf angepasst sind, also in Perioden von mehr als 24 Stunden erfolgen. Ob auch das lunare Paarungsverhalten der Borstenwürmer neue Erkenntnisse liefert, mit denen diese Rhythmen besser verstanden werden, bleibt abzuwarten. (Julia Sica, 1.6.2022)