Nach einer Fehlgeburt leidet die Psyche oft mehr als der Körper.

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Ungefähr 30 Prozent aller Schwangerschaften enden in einem Frühabort, also einer Fehlgeburt während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen, so die Schätzungen. In den meisten Fällen ist die Ursache dabei völlig unklar. Das ändert aber nichts am Schmerz über den Verlust. Der ist vor allem bei den Frauen, die sich ein Kind gewünscht haben, meist sehr groß.

Doch trotz der hohen Fehlgeburtsdunkelziffer leidet fast jede dritte Frau nicht unter so einem Erlebnis. Viele wissen nämlich gar nicht, dass sie einen Abort hatten. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass 20 Prozent der Schwangerschaften unbemerkt abgehen, also die Schwangerschaft zuvor gar nicht festgestellt wurde. Günther Häusler, Leiter der Gynäkologie am AKH Wien, erklärt: "Nicht jeder Zyklus ist regelmäßig. Wenn die Monatsblutung erst ein paar Tage später einsetzt und vielleicht etwas stärker ist als sonst, denken die wenigsten Frauen an eine mögliche Fehlgeburt." Bei den weiteren zehn Prozent handelt es sich um zuvor klinisch nachgewiesene Schwangerschaften, die dann in einer Fehlgeburt enden.

Großes Verlustgefühl

Geht die Schwangerschaft nicht im Rahmen einer Blutung ab, wird von einer "missed abortion" oder auch verhaltenen Fehlgeburt gesprochen. "Am Ultraschall erkennt man, dass der Fruchtsack nicht normal weiterwächst, sich keine Embryonalanlage gebildet hat oder aber das Herz nicht mehr schlägt", sagt Häusler.

Das ist ein Schock für viele Frauen und Paare, die sich ein Baby wünschen. Nach der großen Freude über den positiven Schwangerschaftstest ist es für die Betroffenen "eine riesige Enttäuschung und ein großer Verlust", berichtet der Gynäkologe. Dazu kommt, dass die Schwangerschaftshormone Beta-HCG und Progesteron wieder abnehmen und die typischen Schwangerschaftsanzeichen, wie Ziehen in den Brüsten oder Übelkeit, wieder zurückgehen – ein Hormonchaos, das ebenfalls zu schaffen machen kann.

Wenn bei der Untersuchung festgestellt wird, dass es sich um eine "missed abortion" handelt, gibt es drei Möglichkeiten der Behandlung, erklärt der Experte: "Wenn die Frau gesund ist, kann man zuwarten, ob es von allein zu Blutungen kommt." Falls das nicht der Fall ist oder die Frau nicht warten möchte, kann man "mit Medikamenten Kontraktionen der Gebärmutter auslösen oder auch eine Absaugung, eine sogenannte Kürettage, vornehmen".

Gründe meistens nicht erkennbar

Viele Frauen beschäftigt natürlich die Frage nach dem Warum, doch diese Frage kann man nur sehr selten beantworten. Denn oft gibt es keinen ersichtlichen Grund dafür, dass der Körper die Schwangerschaft beendet hat. Vor allem die ersten neun Wochen der Schwangerschaft sind störungsanfällig. Denn in dieser Zeit entwickeln sich die Organe des Babys, das bis zu dieser Zeit noch Embryo genannt wird. Kommt es in den ersten Wochen zu einer Fehlbildung, die ein Überleben des Babys unmöglich machen würde, wird die weitere Entwicklung des Embryos in vielen Fällen beendet.

Fehlgeburten sind auch bei ganz gesunden Eltern häufig und stellen oft nur eine Schutzfunktion dar, indem der Körper eine Schwangerschaft, die sich nicht entsprechend entwickelt, beendet. Der Gynäkologe weiß: "Daher wird routinemäßig erst ab der dritten Fehlgeburt, also bei einer überzufälligen Häufung, nach den möglichen Gründen gesucht und eine weitere Diagnostik und Therapie eingeleitet." Denn oft besteht dann ein körperliches Problem, dass in vielen Fällen medizinisch gelöst werden kann. Wichtig ist für Häusler in diesem Zusammenhang, auch die positiven Aspekte zu betonen: "Diese Frauen können schwanger werden, was oft nicht der Fall ist und keineswegs selbstverständlich."

Mehr als der Körper leidet die Psyche

Wenn es nach einer Fehlgeburt zu keinen Infektionen oder anderen Komplikationen kommt, die in der Regel sehr selten sind, kommt es laut dem Experten zu "keinen großen körperlichen Beeinträchtigungen. Wenn die Blutungen vorbei sind, kann die Frau auch gleich wieder versuchen schwanger zu werden." Von früheren Empfehlungen, mindestens drei Monate zu warten, ist man mittlerweile völlig abgekommen.

Allerdings kämpfen bis zu 30 Prozent der Frauen, die einen Frühabort erlitten haben, mit mentalen Beschwerden. Einige Frauen leiden so stark, dass sogar eine Depression auftreten kann. Deshalb versuchen Gynäkologinnen und Gynäkologen direkt nach der Diagnose, den Frauen durch genaue Aufklärung wieder Mut zu machen. Denn: "Viele Frauen werden nach einer Fehlgeburt sehr schnell wieder schwanger." Und selbst wenn es zu drei Fehlgeburten kommt, zeigen Diagnostik und Therapie im Anschluss oft sehr gute Erfolge. Das Wichtigste ist, den Mut nicht zu verlieren und sich gut um die eigene Psyche zu kümmern. (Jasmin Altrock, 2.8.2022)