SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wanger fordert, dass Zufallsgewinne von Energiekonzernen, vom Staat abgeschöpft werden.

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Wien – Angesichts einer Rekordinflation und den mit dem EU-Ölembargo drohenden weiteren Teuerungen drängt die Opposition die Regierung zu Entlastungsmaßnahmen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wanger forderte am Mittwoch in einer Pressekonferenz, Übergewinne von Energieerzeugern abzuschöpfen – eine Idee, mit der Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bereits vor knapp einem Monat aufhorchen ließ, seitdem aber kaum mehr etwas dazu gesagt hat. Rendi-Wagner will mit der Gewinnabschöpfung einerseits eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas, Strom und Lebensmittel und andererseits die Energieumstellung finanzieren.

Es wäre "nur sinnvoll und gerecht", die hohen Profite, die eine Reihe von Energieerzeugern zuletzt gemacht haben, für Entlastungen der Menschen und der Wirtschaft zu nutzen, sagte Rendi-Wagner. Die sogenannten Zufallsgewinne oder "Windfall-Profits" entstanden nämlich aufgrund der explosionsartig gestiegenen Preise nach der Corona-Pandemie und vor allem seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine. Der Staat sollte diese Übergewinne abschöpfen, findet Rendi-Wagner. Das damit gewonnene Geld sollte zur Hälfte für die Entlastung der Menschen und zur anderen Hälfte für Investitionen in erneuerbare Energien genutzt werden. Laut Energieagentur-Berechnungen der Energieagentur wären das in Österreich rund zwei Milliarden Euro jährlich.

Bundeskanzler Nehammer bezog sich mit seiner Idee Anfang Mai allerdings nur auf staatsnahe Energiekonzerne wie Verbund oder OMV. "Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk und nicht dem Unternehmen allein", mit dieser ÖVP-unüblichen Ansage ließ der Kanzler damals aufhorchen. Es folgte ein Sturz der Aktienkurse um fünf Milliarden Euro beim heimischen Stromerzeuger Verbund, Empörung von zahlreichen Investoren, aber auch Lob von der Arbeiterkammer. Seitdem hat man von Nehammer nichts mehr zu dem Thema gehört. "Das Leben wird immer teurer, nur die Ausreden der Bundesregierung werden immer billiger", kritisierte Rendi-Wagner den "Umfaller" Nehammers.

Einige europäische Länder wie Rumänien, Spanien, Portugal, Italien schöpfen indessen bereits mit unterschiedlichen Modellen Gewinne von Energiekonzernen ab. Auch EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager empfahl die Maßnahme im STANDARD-Interview.

CO2-Bepreisung verschieben

Neben der Gewinnabschöpfung bei Energiekonzernen forderte Rendi-Wagner auch, die CO2-Bepreisung zu verschieben. Die würde ab 1. Juli in Kraft treten. CO2-Emissionen kosten ab dann 30 Euro pro Tonne. Rendi-Wagner stellte das zwar nicht generell infrage. Angesichts der Rekordinflation könne man sehr wohl über den Zeitpunkt der Einführung dieser, die Energiepreise weiter treibenden Maßnahme reden, sagte die SPÖ-Chefin. Zumindest auf Anfang Oktober sollte man sie verschieben.

Bei diesem Punkt zeigt sich die ÖVP offen. Er halte den Einstieg in die CO2-Bepreisung für wichtig, auch um die Unabhängigkeit von russischem Erdgas und Erdöl voranzutreiben, sagte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Jetzt gelte es aber, den richtigen Zeitpunkt zu finden.

VP-Klubchef August Wöginger verwies vor dem Ministerrat darauf, dass man schon viel gegen die Teuerung getan habe und ein weiteres Paket in Vorbereitung sei. Eine Senkung der Mineralölsteuer ist dabei offenbar nicht in Planung. Wöginger verwies auf Erhöhungen beim Pendlerpauschalen bzw. Pendlereuro und darauf, dass die Spritpreise in Deutschland, die dort gerade gesenkt werden, höher seien als in Österreich. Kocher meinte, die Steuern auf Benzin und Diesel zu senken, sei nicht "die optimale Lösung".

FPÖ fordert Senkung der Mineralölsteuer

Auch die beiden anderen Oppositionsparteien appellierten am Mittwoch dringend an die Regierung, endlich zu handeln. Die Neos zeigten sich empört über Wögingers Statement: "'Wir arbeiten an einem Paket' ist so ziemlich das Letzte, was Menschen, denen die Inflation die Kaufkraft wegfrisst, jetzt hören wollen", meinte Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker. "Wenn es brennt, muss man zum Feuerlöscher greifen – und keine monatelangen Arbeitskreise bilden." Die Neos halten die Abschaffung der kalten Progression und die Senkung der Lohnnebenkosten für die gebotenen Maßnahmen.

Unter Hinweis auf die befristete Senkung der Spritsteuer in Deutschland forderte FPÖ-Chef Herbert Kickl in einer Aussendung eine Senkung der Mineralölsteuer – bzw. bei weiterem Preisanstieg deren gänzliche Streichung oder einen staatlichen Preisdeckel. "Worauf wartet diese Regierung eigentlich noch? Die Autofahrer sind die Melkkühe der Nation – und der Finanzminister reibt sich die Hände. Vom Preis an der Zapfsäule fließen rund 50 Prozent in seine Tasche", kritisierte er. (jop, APA, 1.6.2022)