Nicht nur Marcus Smart hatte und hat mit Verletzungen zu kämpfen, doch auch dank seines Einsatzes stehen die Boston Celtics in den NBA-Finals.

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Boston/San Francisco – Manchmal wartet am Ende einer langen Reise eine lange Reise. Nach zwölf Jahren Abwesenheit und einer bisher äußerst turbulenten Saison stehen die Boston Celtics wieder in einem Finale der National Basketball Association. Würden sie zum ersten Spiel bei den Golden State Warriors in der Nacht auf Freitag (drei Uhr, Dazn) zu Fuß gehen, wäre das fast exakt ein 5.000-Kilometer-Marsch quer durch die Vereinigten Staaten. Und eine passende Metapher für den Weg des Traditionsteams.

Die Route würde bald von Massachusetts nach New Hampshire führen und den vertrauten Boden verlassen – so wie es die Celtics vor Saisonstart tun mussten, als der ewige Danny Ainge nach 18 Jahren als General Manager aufhörte. Head Coach Brad Stevens wechselte in sein Büro und gab Ime Udoka eine Chance als Cheftrainer. Dessen erste Mission: ein System etablieren, in dem die zwei Stars Jayson Tatum und Jaylen Brown nebeneinander funktionieren konnten. Die zwei galten für manche Experten bereits als inkompatibel, zu oft war ihr Offensivspiel zu unkreativen Eins-gegen-eins-Isolationen degeneriert.

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Ime Udoka geht mit seinen Stars genauso hart ins Gericht wie mit ihren Ersatzleuten.
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Zurück zum langen Weg nach San Francisco: Von New Hampshire geht die Reise weiter in den Bundesstaat New York, dann folgt nahe der Niagarafälle die Grenzüberschreitung nach Kanada. Eine solche war auch nach der fünften Niederlage in den ersten sieben Saisonspielen nötig. Defensivgenie Marcus Smart kritisierte seine jüngeren Co-Stars Tatum und Brown öffentlich: "Sie wollen nicht passen." Er traf einen Nerv, die Celtics gewannen acht der nächsten elf Partien.

Die richtig schwere Zeit kam aber erst. Gerade so, als müsste die Bostoner Reisegruppe durch das trostlose Michigan, durch Indiana mitsamt Stopp in Gary, oft als grässlichster Ort der USA bezeichnet, und durch Illinois. Statt wie ein Titelkandidat spielten die Celtics weiterhin wie ein Mittelständler, zur Saisonhalbzeit hatten sie eine negative Bilanz.

Aufschwung

Es folgte der graue, monatelange Alltag, das Fleisch der NBA-Saison. Geografisch ausgedrückt: Iowa, Nebraska, 1.250 Kilometer durch Maisfelder. In dieser Phase fingen sich die Celtics. Die Stars fanden Harmonie, brachten Führungen endlich über die Ziellinie, gewannen neun Spiele in Folge. "Wir haben aus unseren Schwierigkeiten maximal gelernt", sagte Brown.

Und so wurde es gegen Ende des Grunddurchgangs noch einmal richtig schön – wie es Wyomings und Utahs Nationalparks bei einer USA-Durchquerung sind. Tatum (24) spielte wie ein MVP-Kandidat, die Defense wurde zur besten der ganzen Liga. "Wir mussten unsere Identität finden", sagte Tatum. Den Grunddurchgang beendeten die Celtics mit 51 Siegen und 31 Niederlagen, zum ersten Mal seit 2017 ging der Sieg in der Atlantic Division nach Boston.

Dann kam die Wüste Nevadas, also die Playoffs. Der Weg ins Finale hätte kaum schwieriger sein können: zuerst die Brooklyn Nets, dann Titelverteidiger Milwaukee, dann die Miami Heat. Originellerweise erwischten die Celtics jedes Team exakt in der Runde, in der sie in den Jahren zuvor an ihnen gescheitert waren – es war eine einzige große Revanche-Tour.

Nach vier reichlich knappen Siegen gegen Kevin Durants Nets mussten die Celtics gegen die Bucks und Heat über je sieben zermürbende Spiele gehen, immer wieder fehlten Stützen verletzt. Smart, der Defensivspieler des Jahres, beschreibt den Zustand seines rechten Beins so: "Ich habe die Oberschenkelverletzung, ich habe die Fußverletzung, und dann habe ich noch die Knöchelverletzung."

Trotz aller Widrigkeiten sind die Celtics nun an der Westküste angekommen, in San Francisco warten die favorisierten Warriors um Superstar Stephen Curry. Für Boston geht es um den 18. NBA-Titel, das wäre Rekord. Kaliforniens Strände sollen schön sein. (Martin Schauhuber, 2.6.2022)