Bei DER STANDARD VOR|ORT verlegen Redakteurinnen und Redakteure ihren Arbeitsplatz vorübergehend in spannende Regionen Österreichs. Franziska Zoidl war vom 11. bis 25. Mai in Bad Gastein in Salzburg.

Hinter einem unscheinbaren, von Pflanzen überwucherten Stück Fels könnte für Bad Gastein die Mobilität der Zukunft versteckt sein: Wo jetzt noch Autos in das Parkhaus beim Wasserfall rollen, soll ein Fußgängertunnel in den Berg gebohrt werden, um das Ortszentrum mit dem 80 Meter höher gelegenen Bahnhof und der dahinterliegenden Talstation der Stubnerkogelbahn zu verbinden. Wie auf einem Flughafen sollen Fußgängerinnen und Fußgänger dann trockenen Fußes innerhalb von sieben Minuten mit ihren Skischuhen beim Lift sein.

Fußgänger und Touristinnen sollen künftig trockenen Fußes und ohne große Anstrengung im Ort herumkommen.
Visualisierung: Jochum

Für viele mögen solche Pläne in einem 4000-Einwohner-Ort utopisch klingen. Doch hochtrabende Pläne hat es in Bad Gastein immer schon gegeben. Anders wäre gar nicht zu erklären, dass sich rund um einen Wasserfall am Ende des Gasteinertals vor mehr als hundert Jahren Hotelburgen auf Steilhängen angesiedelt haben oder, 70 Jahre später, ein riesiges, brutalistisches Kongresshaus wie ein Ufo inmitten der Belle-Époque-Kulisse landete.

Ähnlich groß denkt man auch bei Mobilitätslösungen für den vertikal ausgerichteten Ort, in dem die meisten Alltagswege auf schmalen Straßen und steilen Wegen absolviert werden müssen und die Gäste sich im Winter zum Skilift stauen.

Jahrelang wurde von Rolltreppen geredet, die das Verkehrsproblem lösen könnten. Der Besitzer des erwähnten Kongresshauses, Philippe Duval, träumt wiederum schon lange davon, sein Gebäude mit einer Seilbahn an den Stubnerkogel anzuschließen. Wohlgemerkt: ohne mit der Gemeinde oder den Grundstückseigentümern, die dafür erst an Bord geholt werden müssten, ernsthafte Gespräche zu führen.

Ausgangspunkt wird das Parkhaus unten beim Wasserfall sein.
Fotos: Zoidl

Rolltreppe mit Skischuhen

Schließlich hat die Gemeinde das Vorarlberger Beratungsunternehmen Jochum Consulting mit einem Verkehrskonzept beauftragt. Wichtigste Vorgabe: "Es muss barrierefrei sein", sagt Bürgermeister Gerhard Steinbauer (ÖVP). Daher sei die seit Jahren ventilierte Rolltreppe auch keine Option gewesen, mit Skischuhen wäre eine solche außerdem ein "Wahnsinn".

Anfang 2019 wurde der Gemeinde das Konzept des "Vertikal Link" präsentiert. "Um 9 Uhr vormittags haben wir einander noch ungläubig angeschaut", sagt Steinbauer über das Vorhaben eines Tunnelbaus zu Bad Gastein. "Aber im Laufe des Vormittags hat sich herausgestellt, dass es das Einzige ist, was funktioniert." Herzstück ist der erwähnte Tunnel, der die unterschiedlichen Ebenen des Ortes für Einheimische und Gäste verbinden soll.

Der großteils denkmalgeschützte Bahnhof wird wichtiger Knotenpunkt.
Fotos: Zoidl

Den Ausgangspunkt, das in die Jahre gekommene Parkhaus beim Wasserfall, hat die Gemeinde mittlerweile um knapp 3,2 Millionen Euro gekauft. Das zweite Parkdeck bei der Seilbahn muss erst gebaut werden. Es soll im Baurecht auf einem ÖBB-Grundstück entstehen. Die Verhandlungen laufen. Ein Architekturwettbewerb ist aber bereits abgeschlossen, Details werden noch keine verraten, "weil wenn das scheitert, sind wir die Deppen der Nation", sagte Steinbauer jüngst bei einer Gemeindeversammlung.

Haus auf der Schlucht

Seit Dezember des Vorjahres liegen alle nötigen Bewilligungen für den Vertikal Link rechtskräftig vor. Auch die geologischen Untersuchungen sind abgeschlossen – aufgrund der Lage des Ortes habe es an manchen Stellen "massive Probleme" gegeben, hieß es bei der Gemeindeversammlung jüngst.

In wenigen Minuten soll man künftig vom Wasserfall zur Bergbahn kommen.
Fotos: Zoidl

Beim Traditionshaus Salzburger Hof, weit oben am Hang gelegen, habe man beispielsweise 60 Meter in die Tiefe gebohrt und immer noch keinen festen Grund gefunden, "mittlerweile weiß man, dass da eine Schlucht ist". Daher wurde die Trasse noch einmal überarbeitet.

Die nötigen Zustimmungen der vom Tunnelbau betroffenen Grundstückseigentümer seien mittlerweile fast alle beisammen, sagt Steinbauer, "manche sind da in Jersey, manche in Moskau, mit Corona war es schwierig, alle zu erreichen". Das sei nun aber fast geschafft: "Wenn wir Geld hätten, könnten wir morgen mit dem Bau beginnen."

Verzögerter Baubeginn

Apropos: Im Dezember 2020 wurde die Bad Gasteiner Parkgaragen und Vertikal Link Errichtungs- und Betriebsgesellschaft gegründet. Mehrheitsgesellschafterin ist mit einem Anteil von fast 63 Prozent die Gemeinde selbst, mit dabei sind außerdem die Gasteiner Bergbahnen (23,6 Prozent) und der Kur- und Tourismusverband Bad Gastein (13,6 Prozent). An der Aufteilung der Anteile gab es bereits Kritik im Ort, es habe aber angesichts der finanziellen Mittel der anderen Gesellschafter keine andere Möglichkeit gegeben, sagt Steinbauer.

Das Land Salzburg wird sich an den Kosten für den Vertikal Link, der mit k, manchmal aber auch mit c geschrieben wird, mit 25 Prozent beteiligen, den Rest muss die Gesellschaft stemmen, zum Teil über Darlehen, "aber zum Großteil über Zuschüsse der Gesellschafter". Der Kostenpunkt: 19 Millionen Euro, ursprünglich. Wie sich Ukraine-Krieg und Rohstoffknappheit aber auf die Kosten auswirken werden, wisse man derzeit aber nicht.

Wegen Corona hat sich auch der Baubeginn verzögert: Ziel ist, dass das Parkdeck beim Stubnerkogel bis zur Wintersaison 2024/2025 fertig ist, um das dortige Verkehrsproblem zu lösen. Danach soll der Tunnelbau beginnen, für den ein halbes Jahr gebohrt werden muss. Geplant ist ein "annähernd waagrechter Stollen" mit einer Steigung zwischen zwei und sechs Prozent. Entlang der 550 Meter langen Strecke wird es an mehreren Stellen Aufzüge in die Tiefe geben.

E-Busse als Alternative

Mit dem Tunnelbau ist es aber nicht getan: Das Mobilitätskonzept sieht weiters eine "wesentliche Verbesserung" des Busverkehrs und einen Ausbau der Skidepots beim Lift vor, damit man nicht mit Skischuhen und Skiern in den Tunnel muss. Auch der Vorplatz des großteils denkmalgeschützten Bahnhofs soll neu gestaltet werden. Und die Zone beim Wasserfall soll "nach Vorbild der Wiener Mariahilfer Straße" ein Shared Space und damit verkehrsberuhigt werden.

Für Anrainerinnen und besonders für Hoteliers östlich des Wasserfalls sind viele Fragen offen. Hier sorgt man sich, dass diese Hotels künftig nicht mehr so gut an den Ort angebunden sind. So wie man sich insgesamt noch nicht ganz sicher zu sein scheint: Zwar sei es gut, dass das Thema angegangen wird, sagen viele. Aber ob die Antwort darauf nicht viel eher in günstigeren E-Bussen liegen könnte, fragen sich einige schon hinter vorgehaltener Hand. Nach Alternativen zum Tunnel wurde auch bei der Gemeindeversammlung gefragt.

Die Herausforderung in Bad Gastein liegt im Berg. Ob tief im Berg auch die Antwort liegt? Klar ist: In Bad Gastein geht es schnell bergauf. Und noch schneller bergab. (Franziska Zoidl, 2.6.2022)