Die Straßen sind beflaggt, Schaufenster und Hotellobbys quellen über von patriotischen Spruchbändern, Union Jacks und mehr oder weniger lebensnahen Darstellungen der Queen. Ab Donnerstag begehen die Briten ein viertägiges Festival zur Platinfeier, dem 70-Jahr-Thronjubiläum von Elisabeth II. (Highlights siehe unten).

In den vergangenen Monaten musste die Queen immer wieder offizielle Termine absagen. Unklar ist, welchen Programmpunkten der Feierlichkeiten sie beiwohnen wird.
Foto: imago images/Paul Marriott

Die Bevölkerung der Insel liebt das Theater, viele Menschen haben eine kindliche Freude an der Verkleidung. Und so werden die Fernsehbilder von Paraden, Festgottesdiensten und farbenfrohen Umzügen wie stets bei solchen Gelegenheiten von militärischer Perfektion geprägt sein. Passend dazu startet der Partyreigen mit der traditionellen Militärparade inklusive der royalen Familie, die auf dem Balkon des Buckingham-Palasts die über sie hinwegfliegenden Flugzeuge und Helikopter bewundern wird.

Apropos Flugzeug: Einem britischen Zeitungsbericht zufolge ist die aus Schottland kommende Maschine der Queen am Dienstag erst im zweiten Anlauf erfolgreich in London gelandet. Ein Gewitter hatte für diese Unregelmäßigkeit gesorgt. Man kann nur stark hoffen, dass die Turbulenzen nicht jene Kräfte der Regentin aufgebraucht haben, die sie auf ihrer Residenz im schottischen Balmoral extra für die Feierlichkeiten aufgetankt hatte.

So oder, so, die royale Sause wird ein verunsichertes, von seiner Elite enttäuschtes, in vielerlei Hinsicht gespaltenes Land kurzzeitig von seiner Misere ablenken. Der Brexit und seine Folgen für Schottland und Nordirland; die langfristigen Folgen der Corona-Pandemie, nicht zuletzt am Arbeitsmarkt; der schlimme Zustand des Gesundheitssystems NHS; die galoppierende Inflation, verschlimmert durch Russlands Überfall auf die Ukraine; nicht zuletzt die Lümmeleien des Partypremiers Boris Johnson und seiner umstrittenen Ministerriege – das keineswegs vereinte Königreich bietet in diesen Junitagen ein hässliches Bild.

Elisabeth II. feiert dieser Tage ihr 70. Thronjubiläum. Was bringt die britische Monarchin in Partystimmung, und welche Feierlichkeiten sind für das Platinjubiläum geplant? Eine Vorschau.
DER STANDARD

Streikgefahr in London

Nicht umsonst wollten Hunderttausende den Feiern entkommen, was zu Wochenbeginn an chaotischen Zuständen an den Flughäfen des Landes scheiterte. Hinzu kommen mögliche Streiks beim Personal der Londoner U-Bahn. Vom Freitag bis 10. Juli könnte es aufgrund von kurzfristigen Aktionen immer wieder zu Störungen und geschlossenen Stationen kommen, teilte die Verkehrsbehörde Transport for London (TfL) mit. Protestiert wird damit gegen Jobabbau. Doch auch hier ist der Respekt vor der Monarchin groß. "Wir tun unser Möglichstes, um das Platinjubiläum erinnerungswürdig zu gestalten", erklärte TfL-Manager Andy Lord. "Ich kann unseren Kunden versichern, dass wir hart arbeiten, um die Auswirkungen der frustrierenden Streikhandlungen so gering wie möglich zu halten."

Was Johnson betrifft, so könnte der Kontrast zwischen Regierungschef und Staatsoberhaupt kaum größer sein. Während Ersterer stets nur im eigenen Interesse handelt und dabei Regeln und Institutionen zerstört, hat Elisabeth Windsor sich an ein Gelöbnis gehalten, das sie 1947 als 21-Jährige öffentlich ablegte: ein Leben im Dienst an ihrer Nation und deren früherem Empire, heute im Commonwealth zusammengefasst. Mit schweigender Pflichterfüllung ist sie zum Ruhepol geworden inmitten einer geschwätzigen, ichbezogenen Gesellschaft.

Anders als noch beim Diamantjubiläum vor zehn Jahren muss die Queen diesmal auf ihre Gesundheit achten. Öffentliche Auftritte dürften in den kommenden Tagen so rar bleiben, wie sie es in den vergangenen Monaten geworden sind. Immer wieder blieb sie Terminen fern, hinzu kam im Februar eine Corona-Erkrankung.

Umso deutlicher werden der Respekt, die Hochachtung, ja die Zuneigung spürbar sein, die der Königin von den allermeisten ihrer Untertanen sowie von vielen Menschen rund um den Globus für ihre Lebensleistung entgegengebracht werden. Zumal auch ein Hauch von Abschied in der Luft liegt – allzu offenkundig wurde in den vergangenen Monaten der körperliche Abbau der 96-Jährigen.

Ratschläge an Charles

Schon häufen sich – man mag das je nach Standpunkt für degoutant oder realistisch halten – die Ratschläge an Thronfolger Charles für dessen eigene Amtszeit. Beinahe ängstlich beteuern Kommentatoren die Robustheit der Monarchie – unausgesprochen bleibt die Tatsache, dass die Stärke der Institution entscheidend von der Person an der Spitze abhängt.

Mag die Zukunft vielen Briten Sorge bereiten – an diesem verlängerten Feierwochenende schauen sie, schaut mit ihnen die Welt zurück auf die weitgehend untadelige 70-jährige Amtszeit ihrer Königin. Die Hoffnung auf eine Verlängerung wird mitschwingen, wenn sie mit größerer Überzeugung als sonst in Hymne und Trinkspruch einstimmen: God Save the Queen! (Sebastian Borger aus London, 1.6.2022)