Bis 2019 förderte die Stadt Wien Okto-TV mit einer Million Euro pro Jahr, 2020 und 2021 wurde der Sender mit 750.000 Euro gefördert, 2022 gab es 500.000 Euro.

Foto: Okto

Vier Wochen hatten Stadt Wien und Okto-TV Zeit für Lösungsvorschläge zum Fortbestand des Bürgersenders. Am ursprünglich gefassten Vorhaben hat sich nichts geändert: Die Stadt stoppt die Förderung für den Bürgersender. Dieser steht damit rund 17 Jahre nach seiner Gründung vor dem Aus.

Die Stadt will nach eigenen Angaben nicht länger lineares Fernsehen fördern. "Es war ein Prozess, der über längere Zeit vorbereitet wurde", sagte Okto-TV-Geschäftsführer Christian Jungwirth bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Im April hat das Rathaus völlig überraschend verkündet, die Förderung des seit 2005 bestehenden Senders einzustellen. Okto-TV wurde bisher mit insgesamt 18 Millionen Euro von der Stadt gefördert. Bis 2019 förderte die Stadt Okto-TV mit einer Million Euro pro Jahr, 2020 und 2021 wurde der Sender mit 750.000 Euro gefördert, 2022 gab es 500.000 Euro. 376.000 Euro kamen 2022 von der RTR über den Privatrundfunkfonds.

Klares Bekenntnis im Regierungsübereinkommen

Warum die Förderungen nicht weiterfließen, darüber rätselt Jungwirth. Im Koalitionsübereinkommen der rot-pinken Regierung von Ende 2020 gab es noch ein klares Bekenntnis zur Finanzierung von freien Radios und Community-TV. Im Jänner 2021 begannen Verhandlungen zur Neustrukturierung von Okto-TV. Im Oktober 2021 fand eine Evaluierung des Senders statt, durchgeführt von Markus Andorfer, berichtet Jungwirth. Diese sei "gut gelaufen, wir konnten viel Input einbringen und bekamen gutes Feedback". Die Ergebnisse dieser Erhebung habe man "bis zum heutigen Tag nie gesehen", sagt der Okto-TV-Geschäftsführer.

Im 20. Dezember 2021 gab es einen Gemeinderatsbeschluss über eine gemeine Subventionierung zumindest für das erste Halbjahr über 500.000 Euro. Spätestens Mitte des Jahres 2022 sollte die neue Lösung fertig sein, hieß es, andere Magistratsabteilungen könnten beteiligt sein, neue Strukturen erforderlich.

Ohne Wissen der Neos

Am 5. April 2022 fand schließlich die letzte Korrespondenz statt, noch immer basierend auf dem Förderbedarf von 980.000 Euro. Knapp eine Woche später kam dann völlig überraschend jener Dreizeiler von der zuständigen MA 5, wonach es keine weitere Subvention mehr geben werde. Detail am Rande: Die Neos wussten davon offenbar nichts.

40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die 17 Vollzeitjobs entsprechen, wurde bis Ende April die Kündigung ausgesprochen. Jungwirth will trotzdem nicht aufgeben: "Wir werden nicht sang- und klanglos untergehen."

"Irritiert, ratlos, empört, gekränkt"

Als "kleines quasi-öffentlich-rechtliches Fernsehen der anderen Art, in dem man Leuten, die Gesellschaft bilden, die Möglichkeit gibt, sich zu beteiligen", sieht Gründungsmitglied Armin Thurnher Okto-TV.

"Ich bin irritiert, ratlos, empört, gekränkt, dass dieses Anliegen und diese Vorbildfunktion, die Wien mit dem Sender auch international hat, einfach aufgegeben wird", sagt Anwältin Maria Windhager, stellvertretende Obfrau des Eigentümervereins. Sie appelliert an die Stadt, "wirklich noch einmal innezuhalten und zu überlegen, dass dieser offene Zugang weiterhin sichergestellt wird".

Beitrag zur Medienkompetenz

Okto leiste einen wichtigen Beitrag zur Medienkompetenz. "Für mich ist Okto Wien. Wien wird von Okto repräsentiert." Ein Weiterbestehen könne nur durch eine Basisförderung gewährleistet werden.

Helga Schwarzwald, Geschäftsführerin des Verbands Freier Rundfunk Österreich, verwies auf den Community-Aspekt: "Bei Okto kommen Leute zusammen, lernen über Ethik, soziale Werte." Okto die Förderung zu streichen sei der falsche Weg. "Wien war mit Okto Vorreiter. Das ist nicht das Signal, das der Bundeshauptstadt gut zu Gesicht steht. Hier passiert Communitybuilding."

Weit mehr als lineares Fernsehen

Die lineare Verbreitung des Programms von Okto würde lediglich "zehn Prozent unseres Gesamtaufwands" einnehmen, sagt Jungwirth. Den wesentlich größeren Teil nähmen aufwendige Medienproduktionen ein, zum Beispiel bei medienpädagogischen Projekten. "Lineares Fernsehen ist bei uns ein Erprobungskanal. "

Wie geht es weiter? "Wir arbeiten mit Hochdruck an Lösungen, um mittelfristig weitermachen zu können", sagt Jungwirth. Ein erster Beschluss wurde bereits gefasst, das Sendesignal nicht abzuschalten. "Wir werden bis zur letzten Sekunde weitersenden, solange es noch irgendwie möglich ist."

Ein "geniales Projekt"

Und warum fördert die Stadt nicht mehr? "Mir scheint, dass das Grüne überall ausmontiert werden soll", spekuliert Thurnher über die Motive, das einstige rot-grüne Projekt einzustellen. Darum sei es nie gegangen, sagt Windhager: "Für mich war das nie ein rot-grünes Projekt, sondern ein geniales Projekt." Das sich in Reichweite nicht bemessen ließ, betont Schwarzwald. "Bei Okto geht es um eine Reichweite in die Schichten der Gesellschaft." (Doris Priesching, 2.6.2022)