Neben seinem Grundstück hat Franz Andrae einen möglichen Borkenkäferbefall bei einem Fichtenbaum entdeckt. In Tieflagen sind Fichten besonders vom Klimawandel betroffen.

Foto: Jakob Pallinger

Wie ein schwarzes Loch klafft der Eingang. Ein Reh springt aus dem Dickicht hervor, aus der Ferne dringt dumpf das Geräusch von Motoren. Mit zügigen Schritten steigt Franz Andrae mitten durch das schwarze Loch ins Innere des Waldes. "Das ist ein seltenes Waldstück", sagt er. Manche der Eichen, die hier stehen, seien mehr als 150 Jahre alt. Weiter oben beginnt sein eigenes Grundstück. Er zeigt auf die unterschiedlichen Stämme: Tannen, Buchen und Eichen wachsen hier. Einige von ihnen hat Andrae vor vielen Jahren selbst angepflanzt. Er hofft, dass auch sie eines Tages zu Bäumen werden, die Generationen überdauern. "Aber wie es hier in hundert Jahren aussieht, weiß niemand."

Eineinhalb Hektar misst der Wald, der zu Andraes Hof in Kreisbach in Niederösterreich gehört. Fast zur Gänze umschließen die Bäume die kleine Landwirtschaft mit den Hühnern und Gänsen oben auf dem Hügel. Vor rund vierzig Jahren kaufte Andrae das Waldgrundstück, um sich im Winter mit Holz zum Heizen zu versorgen. Auch unter den Nachbarn und anderen Landwirten in der Umgebung besitzen die meisten einen kleinen Wald. Aber nicht alle beschäftigen sich auch wirklich damit, sagt Andrae.

Interesse an Waldbesitz

Einzeln betrachtet mögen die Waldflächen, die Landwirte wie Andrae besitzen, klein sein, doch in Summe machen sie einen großen Teil des Waldes in Österreich aus. Österreichs Wälder gehören zu 82 Prozent privaten Waldbesitzern, von denen es hierzulande mehr als 145.000 gibt. 54 Prozent der Waldgrundstücke sind kleiner als 200 Hektar und damit "Kleinwälder". Das Interesse am eigenen Wald ist ungebrochen: einerseits, weil Wald über Generationen hinweg weitervererbt wird und als sichere – wenngleich häufig wenig ertragreiche – Anlage gesehen wird, andererseits, weil der Wald für viele Menschen Sehnsuchtsort, Hobby und Lösung im Kampf gegen den Klimawandel ist.

Doch die vielen Kleinwaldbesitzer stehen hierzulande vor einer großen Herausforderung: ihren Wald und damit den Erholungsraum aller vor dem Sterben zu bewahren. Denn der Wald ist wie kaum ein anderer vom Klimawandel betroffen. Hitze, Dürre, Stürme, Brände und Schädlinge verursachen bereits jetzt enorme Schäden. In einem Land, in dem beinahe die Hälfte der Fläche mit Wald bedeckt ist, ist das kein kleines Problem.

Schneedecke fehlt

"Viele Bäume sind vor allem während der Wachstumsphase im Frühjahr stark von Wasser abhängig", sagt Hubert Hasenauer, Forstwissenschafter an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien, im Gespräch mit dem STANDARD. Durch die Klimaerwärmung fehle es jedoch immer häufiger an einer Schneedecke, die den Bäumen im Frühjahr normalerweise Feuchtigkeit spendet. Die Trockenheit setze die Bäume wiederum unter Stress, wodurch sie anfälliger für Käfer, Pilze und andere Schädlinge werden. Besonders heikel ist die Lage in Ostösterreich, sagt Hasenauer. "Wenn es dort in Zukunft noch weniger regnet, kippt das ganze System."

Immer wieder sind einzelne Bäume in dem Wald von Pilzen befallen und brechen dann zusammen. Man hätte sie gar nie hier setzen sollen, sagt Franz Andrae.
Foto: Jakob Pallinger

Wie ein Wald aussieht, der ums Überleben kämpft, weiß auch Andrae. Er führt hinauf in einen Wald, der etwas weiter oberhalb an sein Grundstück angrenzt. Immer wieder liegen dort mächtige Fichtenstämme auf dem Boden, umgeworfen wie kleine Dominosteine. "Die wurden von Pilzen befallen", sagt Andrae. Etwas weiter drüben tritt Harz aus den Stämmen jener Fichten aus, die noch stehen. "Das könnte ein Indiz auf einen Borkenkäferbefall sein." Durch den Klimawandel könne sich dieser wahrscheinlich bald noch besser vermehren.

Dominanz der Fichten

Doch es ist nicht nur der Klimawandel, sondern auch die Nutzung des Waldes, die über seine Gesundheit bestimmt, sagt Hasenauer. Über Jahrzehnte hinweg haben Landwirte und Waldbesitzer vor allem die Fichten gefördert – auch in Gegenden, in denen sie normalerweise nicht vorkommen. Heute machen Fichten rund 50 Prozent des heimischen Waldes aus. Etwa zehn Prozent dieser Fichtenwaldflächen wären mit Laubholz bedeckt, hätte der Mensch die Fichte dort nicht gefördert. Für Forstwirte ist die Fichte, der "Brotbaum" Österreichs, das Versprechen für Effizienz und sicheres Einkommen, weil sie schnell wächst und gut weiterverarbeitet werden kann.

Für Naturschützerinnen hingegen ist der Baum wie kein anderer der Inbegriff von Monokultur. Fichten stehlen anderen Bäumen und Pflanzen Lebensraum, kritisieren sie. Und nun sind jene Fichten, die in den Tieflagen gefördert wurden, ironischerweise selbst besonders vom Klimawandel betroffen, weil die Bäume Trockenheit, Schädlingen und Stürmen weniger gut standhalten.

Tod durch Sturm

Welche Auswirkungen das haben kann, musste Sandra Tuider auf ihrem Grund erleben. Über eine Forststraße führt sie zu einer Fläche im hinteren Teil ihres Waldes, der sich in Thernberg in Niederösterreich befindet. Baum an Baum gepflanzt, schießen dort kerzengerade kahle Fichtenstämme in die Höhe. Ihre Kronen halten das Licht vom Boden fern. Stattdessen landen auf der Erde dicke Schichten an Fichtennadeln, die eine saure Humusschicht bilden, auf der kaum etwas wächst. "Überspitzt gesprochen ist dieser Wald tot", sagt Tuider.

Wirklich gestorben ist ein Teil ihres Waldes aber schon vor vierzehn Jahren. Verantwortlich dafür waren Emma und Paula – freundliche Namen für Stürme, die mit Windspitzen von 280 Stundenkilometern über den Hang fegten und acht Hektar von Tuiders Wald umwarfen. "Ich habe danach einfach nur geweint", sagt sie.

Warten auf Regen

Erst acht Jahre zuvor hatte Tuider das insgesamt 380 Hektar große Waldgrundstück, das sich in Familienbesitz befindet, übernommen. Im Umgang mit dem Wald war sie Quereinsteigerin. Sie hatte eigentlich Kunstgeschichte in Wien studiert, beschloss dann aber, einen Wechsel zu machen und den Familienwald zu bewirtschaften. Tuider zog in die kleine Gemeinde Thernberg, machte die Ausbildung zur Forstwirtschaftsmeisterin und begann, sich in die Arbeit mit dem Wald zu vertiefen.

Sandra Tuider hat das Waldgrundstück vor zwanzig Jahren von ihren Großeltern übernommen. Heute berät sie andere Besitzer, wie sie ihren Wald besser schützen können.
Foto: Jakob Pallinger

"Ich wusste nicht, auf was ich mich da einlasse", sagt sie heute. Als Waldbesitzer müsse man zuschauen, wie der eigene Wald stirbt. Die Eschen fallen dem Eschentriebsterben zum Opfer, die Tannen vertrocknen, die Kiefern werden von Pilzen befallen und die Fichten von Käfern zerfressen. Im Jänner, Februar und März warte man auf Regen. Schnee bleibe durch die wärmeren Winter immer weniger liegen, wodurch es an Feuchtigkeit fehlt. Und dann gibt es auch noch Stürme wie Emma und Paula, die durch den Klimawandel immer häufiger werden. "Das war die bisher größte Tragödie", sagt Tuider.

Chance auf Neubeginn

Doch die Katastrophe bot auch etwas Gutes: die Chance auf einen Neubeginn. Oben auf dem Hügel, wo der Sturm kaum einen Baum zurückließ, ist es heute wieder grün. Mit ihrem weißen Pudel Uschi steigt Tuider durch das dichte Geäst, bei jedem Schritt ist sie vorsichtig, keine Baumtriebe zu zertreten. Sie zeigt auf die noch kleinen Bäume rings herum: Eichen, Kiefern, Lärchen, Ahorn, Kirschbäume, Birken und Zitterpappeln wachsen hier dicht an dicht nebeneinander. Auf der Fläche, wo früher drei Arten wuchsen, gedeihen heute sechzehn. "Die Vielfalt ist in den Wald zurückgekehrt", sagt Tuider.

Entscheidend dafür ist weniger, was Tuider getan hat, sondern was sie nicht getan hat. Sie hat den Wald weitgehend sich selbst überlassen. "Naturverjüngung", sagen Forstwissenschafter dazu. Es ist der Prozess, bei dem sich Bäume durch ihre Samen wieder selbst vermehren. Das Ergebnis sind unterschiedliche Arten, die eng nebeneinander wachsen. Nur einzelne Bäume hat Tuider von Zeit zu Zeit herausgeschnitten, um den anderen mehr Platz zu geben. "Ist eine Baumart von Trockenheit oder Schädlingen betroffen, habe ich immer noch dutzende andere, die einspringen können", sagt Tuider. Sie ist überzeugt: Nur mit mehr Vielfalt könne der Wald den Klimawandel in Zukunft überstehen.

Zu Forschungswald geworden

"Dass sich Eichen auf einer so großen Fläche selbst verjüngt haben, ist in der Region einzigartig", sagt sie. Seit einigen Jahren kommen deshalb regelmäßig Wissenschafter der Boku zu Tuider auf Besuch, um die Entwicklung des acht Hektar großen Versuchswaldes zu messen. Sie wollen untersuchen, wie einzelne Baumarten mit dem Klimawandel umgehen – und ob Tuiders Wald auch ein Modell für andere Regionen in Österreich sein kann.

"Nicht überall ist Naturverjüngung möglich", sagt Hasenauer. In Regionen wie etwa dem Weinviertel passieren die Klimaveränderungen so schnell, dass viele Baumarten die Zeit fehlt, sich daran anzupassen. Trocknen zu viele Bäume aus und sterben ab, treffen mehr Sonnenstrahlen auf den Boden, der dann ebenfalls austrocknet – ein "Teufelskreis", sagt Hasenauer. Deshalb müsse man oft auch gezielt nachhelfen und Baumarten einbringen, die dem Klimawandel besser trotzen können. Infrage käme dafür etwa die Douglasie, ein Nadelbaum aus Nordamerika, der mehr als zwei Monate Trockenheit aushalte oder die Traubeneiche. Sicher sei, dass die Fichte in Tieflagen künftig immer weiter zurückgehen und von anderen Arten wie der Buche verdrängt werden wird.

Mehr Beratung

Wie es dem Wald in Zukunft geht, liege auch in den Händen der Kleinwaldbesitzer. "Da braucht es noch mehr Beratung und finanzielle Anreize, damit diese ihren Wald klimafit machen", sagt Hasenauer. Das Bundesforschungszentrum für Wald hat kürzlich bereits eine Baumartenampel vorgestellt, mit der Waldbesitzer sehen sollen, welche Arten sich angesichts des Klimawandels in ihrer Region eignen. Zudem sollen noch mehr Berater vermittelt werden, um auf die Gegebenheiten direkt vor Ort einzugehen.

"Der Schlüssel ist, sich zusammenzuschließen und gemeinsam Lösungen zu finden", sagt Tuider. Denn letztlich habe jeder Waldbesitzer mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Umso vielfältiger ein Wald ist, desto aufwendiger sei es auch, ihn zu bewirtschaften. "Für das Geldbörsel ist so ein Wald nicht gut", sagt Tuider. Langfristig jedoch zahle sich die Umstellung aus, ist sie überzeugt. Denn der Umgang mit dem Wald war nie eine Angelegenheit, die nur in Jahren gedacht wird. Der Wald ist eine Sache von Generationen. (Jakob Pallinger, 5.6.2022)