Post-Unternehmen weltweit nutzten das Paketaufkommen während Corona, in Spanien wurde das verschlafen.

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Bei der spanischen Post stehen seit Mittwoch drei Tage lang alle Räder still. Die Belegschaft des größten öffentlichen Betriebs des Landes protestiert damit gegen das, was die Gewerkschaften "chaotisches Management und Unfähigkeit" nennen. Die Streikbeteiligung liegt laut Gewerkschaften bei rund 80 Prozent. Am Mittwoch versammelten sich 7000 Postler in der Madrider Innenstadt.

Pepe Álvarez, Generalsekretär der Gewerkschaft UGT, verlangte zu Beginn des Streiks "Stabilität" für die Belegschaft und "Arbeitsplätze mit Zukunft". Er wirft Postchef Juan Manuel Serrano vor, mit seiner Politik "den Postdienst abzubauen" und "die Verbindung und den Zusammenhalt zwischen dem ländlichen Spanien und dem Rest des Landes nicht zu schützen".

"An den Rand des Bankrotts gebracht"

Die Gewerkschaften glauben, dass das öffentliche Unternehmen gezielt "an den Rand des technischen Bankrotts gebracht wird". Der vor drei Jahren von der Linksregierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez eingesetzte Serrano, hat tatsächlich keine guten Zahlen vorzuweisen. Er muss mehr als 500 Millionen Euro Verlusten in nur drei Jahren verbuchen. Hinzu kommen Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro; aufgenommen, um die Löhne zu bezahlen.

Dabei versprach Serrano, ein enger Vertrauter von Ministerpräsident Sánchez, beim Amtsantritt 2018, die Post zu stärken. "Das Gegenteil ist der Fall", beschwert sich Regino Martín, Generalsekretär der Postarbeiter bei Spaniens größter Gewerkschaft CCOO die Gewerkschaften. "Serrano verfolge einen "Verschrottungsprozess im Einverständnis mit der Regierung", fügt Martín hinzu. Die öffentliche Finanzierung ging 2018 um die Hälfte zurück", weiß er. Die Post in Spanien erhält ein Zehntel dessen, was die Post in Frankreich aus dem Staatshaushalt bekommt – bei ähnlicher Fläche.

Die Pakete bleiben aus

Während in anderen europäischen Ländern die Post die Gunst der Stunde nutzte und sich einen erheblichen Anteil des durch die Pandemie gestiegenen Paketaufkommens aus dem Onlinehandel und damit hohe Gewinne sicherte, verpasste Serranos Unternehmen diese Entwicklung. Die Paketzentren sind laut Gewerkschaften leer. Wo noch bis vor wenigen Jahren in zwei Schichten ausgefahren wurde, sind es vielerorts zu wenige Versandgüter, um selbst eine Schicht auszulasten.

Die Gewerkschaften werfen der Postverwaltung außerdem vor, "den Briefversand aufgegeben zu haben". Und statt zur Entwicklung der ländlichen Regionen beizutragen, schließt die Post dort immer mehr Filialen. Die Folge: Insgesamt gingen in den letzten drei Jahren rund 7000 Stellen verloren, ein Viertel davon mit Vollzeitverträge. Die Postbelegschaft ist mit unter 48.000 so klein wie nie zuvor. "Serrano reagierte auf den Rückgang des Geschäfts mit einer Anhebung der Portogebühren für Briefe und Pakete. Dadurch verloren wir weitere Kunden", schimpft Martín.

Die "Amazonisierung" der Post

Die Zeit, als Postler Beamte waren, ist in Spanien vorbei. Nur noch 16 Prozent genießen diesen Status. 20 Prozent der Belegschaft hat nur einen prekären Teilzeitvertrag. 2024 sollen es – so plant die Postverwaltung – 40 Prozent sein.

Und die Filiale Correos Express, die für Eilzustellungen von Paketen zuständig ist, bedient sich gar Subunternehmer und Leiharbeiter. Laut Gewerkschaften wird immer mehr des Kerngeschäftes an die Filialen ausgelagert. Diese seien rentabel, während die Post als solche es nicht ist. Die Gewerkschaften befürchten, dass dies ein erster Schritt hin zu einer Privatisierung der rentablen Bereiche sein könnte. "Amazonisierung der Post", nennt Martín dies.

Die Post weist die Vorwürfe zurück. Privatisierungen seien nicht vorgesehen. Es handle sich um einen "internen Umstrukturierungsprozess "um die Qualität des Postdienstes zu garantieren". (Reiner Wandler aus Madrid, 3.6.2022)