Einige Wochen nach dem Terroranschlag in Wien wurde ein Mann aus der Familie Z. festgenommen – er gilt als Beitragstäter.

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Es gibt eine Familie in Wien, auf die hat der Verfassungsschutz ein besonderes Auge – schon seit Jahren. Wobei Ermittler die Familie gar nicht als solche bezeichnen, sondern gar als Clan. Es geht um die Z.s., ein unübersichtlicher afghanischer Verwandtschaftsverbund, der die Behörden wegen ihrer radikalislamischen Umtriebe beschäftigt – und der gleich in mehreren aktuellen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren eine tragende Rolle spielt.

Etwa in jenem um A. G., einen mutmaßlichen Kontaktmann des Wiener Attentäters, der am 2. November 2020 vier Menschen ermordete und etliche weitere verletzte. Der heute 24-jährige Nordmazedonier A. G. steht wohl in absehbarer Zeit vor Gericht. Kürzlich wurde dazu die Anklageschrift fertig – sie liegt dem STANDARD exklusiv vor.

Moscheebesuche und Jihadistentreffen

Auch da schlagen immer wieder Mitglieder der Familie Z. auf, zwei von ihnen sind auch als Zeugen beantragt. So war A. G. etwa mit den Brüdern H. Z. und P. Z. mehrmals in einschlägigen Moscheen zu Besuch. Der dritte im Bunde, Z. Z., hatte hingegen eine ganz besondere Rolle: in der Wohnung in St. Pölten, die A. G. wohl eigens anmietete, um IS-Mitglieder anzuwerben, hielt er Vorträge. Das notierten zumindest Ermittler in den Akten. Andere Besucher der Wohnung nannten ihn deshalb den "Wissenden".

Der spätere Attentäter K. F. lauschte diesen Vorträgen nicht nur, er machte sich dazu offenbar sogar handschriftliche Notizen. Auch Bruder P. Z. soll bei derartigen sonntäglichen Treffen zugegen gewesen sein. Zumindest schrieb er einen Tag vor dem Terroranschlag einem Freund eine Nachricht über den dortigen "Islamunterricht".

Einschlägige Literatur

Neben der Anmietung dieser Wohnung werden A. G. noch weitere terroristische Handlungen vorgeworfen – für ihn und für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. Die Staatsanwaltschaft glaubt, dass A. G. "der" nächste jihadistische Prediger in Österreich werden wollte – auch, indem er Bücher übersetzte und korrigierte, indem er radikalislamische Bücher vertrieb und in der erwähnten Wohnung sogar eine umfangreiche Bücherei mit einschlägiger salafistischer Literatur aufbaute. Nicht angeklagt wird er – im Gegensatz zu einigen anderen Kontaktpersonen des Attentäters – wegen der Beihilfe zum Mord. Im Abschlussbericht der Ermittler stand das Delikt zumindest noch im Raum.

Seit Jahren bekannt

Die Anklageschrift zeigt auch, wie eng verwoben die heimische Jihadistenszene ineinander ist: Ausgerechnet der ehemalige Hassprediger Mirsad O., der gerade Teil eines neuerlichen Prozesses ist und schon 2016 zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, soll A. G. dabei beeinflusst haben, seine Karriere als Jihadistenführer zu forcieren. Dessen Ziel sei es gewesen, eine Lücke zu füllen, die sich nach der Verurteilung von Mirsad O. auftat.

Der gebürtige Serbe Mirsad O. stieg durch seine auf Video festgehaltenen radikalen Predigten zu einem Popstar der Jihadistenszene in Österreich auf – bekannt wurde er aber auch über die Landesgrenzen hinaus. Das lag daran, dass O. sowohl auf Bosnisch, aber vor allem auch auf Deutsch predigte.

In dem mehrere Tausend Seiten starken Akt zum Terroranschlag in Wien zeigt sich, dass O. bis heute wirkt: Ein Beschuldigter hatte etwa neben Bildern von enthaupteten Körpern auch Bilder von O. am Handy, ein anderer teilte mindestens ein Video von ihm. Zigmal betonen die Behörden, dass mehrere Personen aus der Familie Z. erstens Anhänger von Mirsad O. seien und zweitens im bewaffneten Jihad kämpften und teilweise gefallen sein dürften.

Es handelt sich vorwiegend um Cousins von H. Z. Er gilt für die Ermittler sogar als der engste Komplize des Attentäters – seine DNA wurde auf sämtlichen Waffen, mit denen er in Wien vier Menschen ermordete, gefunden. Außerdem fand bei ihm in der Wohnung und jener seiner Eltern ein Teil des internationalen sogenannten Jihadistentreffens statt. In jenem Sommer 2020 kamen Jihadisten aus Deutschland und der Schweiz nach Österreich. H. Z. ist einer der Hauptbeschuldigten im Terrorverfahren und sitzt momentan in Untersuchungshaft.

Die gesamte Familie Z., so heißt es in Berichten der Ermittler weiter, "ist dem LVT Wien seit Jahren als in religiöser Hinsicht zutiefst islamisch-fundamentalistisch bekannt". Engmaschig überwacht wurde sie vor dem Anschlag aber offensichtlich nicht: So fielen etwa die besagten Treffen in den Wohnungen der Z.s den Ermittlern nicht einmal während der laufenden Observation des erwähnten Jihadistentreffens auf.

Propagandisten und ein Leibwächter

Umgekehrt finden sich die Z.s auch in einer Anklage des gerade laufenden dritten Prozesses gegen Mirsad O. und weitere Beschuldigte wieder. Die erwähnten Cousins des mutmaßlichen Attentäterkomplizen werden mit einer früheren Moschee in Wien in Verbindung gebracht, die zunächst vor allem von Afghanen besucht wurde. Der dortige Prediger soll mit Unterstützung eines Mitglieds der Familie Z. und in gewisser Kooperation mit Mirsad O. bis Ende 2014 junge Männer als Kämpfer für die Terroristen des Islamischen Staats (IS) angeworben haben. O. bekannte sich bereits vollumfänglich schuldig. Es tue ihm leid. "Alles, was in der Anklage steht, stimmt", sagte dessen Verteidiger Leonhard Kregcjk in seinem Eröffnungsplädoyer.

Der besagte Prediger habe jedenfalls "den zahlreichen Mitgliedern der Familie Z." gestattet, aus Deutschland importierte IS-Propaganda-Artikel in jener Moschee an Mitglieder und Besucher umsatzstark zu verkaufen, wie in der Anklage festgehalten wurde. Dabei ging es um Fahnen, Kappen, T-Shirts und Schals mit dem bekannten Schriftzug der terroristischen Vereinigung. In jener Moschee sei auch symbolhaft eine schwarze Jihadflagge aufgehängt worden. Die Cousins des Attentäterkomplizen, die dort aufschlugen, schlossen sich während der großen Phase der Ausreisen Mitte der 2010er-Jahre dem bewaffneten Jihad an. Fast alle davon zählten "zum persönlichen Umfeld" von Mirsad O., heißt es in den Akten.

Ein Leibwächter von O.

Einem der Cousins, E. Z., kam auch am 12. Oktober 2013 eine spezielle Rolle zu. Damals organisierten Mirsad O. und drei weitere Angeklagte eine als "Syrien Benefizveranstaltung" getarnte IS-Auktion. Der Erlös von etwa 20.000 Euro sei später an jihadistische Terroristen geflossen. E. Z. gehörte laut Ermittlern zu O.s "Leibwächtern". Passend dazu sollte er die jihadistische Spendenaktion "sichern", die in Wiener Moscheen stattfand. Mittlerweile dürfte E. Z. als IS-Kämpfer in Syrien gefallen sein. (Jan Michael Marchart, Gabriele Scherndl, 6.6.2022)