Nun ist es fix: Nicht nur Kleinaktionäre verweigern Ex-OMV-Chef Rainer Seele die Entlastung für seine Tätigkeit im Geschäftsjahr 2021, auch die staatliche Beteiligungsholding Öbag und Syndikatspartner Mubadala aus Abu Dhabi stimmten einem Antrag auf Nicht-Entlastung zu.

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An und für sich ist die Entlastung des Vorstands einer Aktiengesellschaft ein reiner Formalakt. Beim Aktionärstreffen der OMV am Freitag war das anders. Alle im Vorjahr tätig gewesenen Vorstandsmitglieder sollten entlastet werden – ausgenommen Rainer Seele, der damalige Vorstandsvorsitzende. So lautete die Empfehlung von Aufsichtsratschef Mark Garrett kurz nach Beginn der virtuell abgehaltenen Hauptversammlung. Als Grund führte er unter anderem die Verletzung interner Governance-Regeln an.

Wie berichtet hat sich der im Sommer 2015 an die Spitze von Österreichs größtem Industrieunternehmen berufene deutsche Manager während seiner Tätigkeit mit diversen Vorwürfen konfrontiert gesehen. Neben internen Grabenkämpfen, die durch Vorwürfe der Bespitzelung von Mitarbeitern und der Überwachung unternehmenskritischer Nichtregierungsorganisationen begleitet wurden, stand zuletzt insbesondere die Russland-Connection Seeles im Mittelpunkt der Kritik.

Russland als Kernregion

In der Zeit von Seele definierte die OMV Russland als eine der Kernregionen für ihre Tätigkeit – nicht zuletzt aufgrund der vergleichsweise günstigen Produktionsbedingungen. Die OMV kaufte sich nicht nur in ein Gasfeld in Westsibirien ein, sondern beteiligte sich auch finanziell am Bau der umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2. Dieses Engagement führten dazu, dass der Öl-, Gas- und Chemiekonzern im ersten Quartal 2022 infolge der Nichtinbetriebnahme von Nord Stream 2 eine Wertberichtigung von zwei Milliarden Euro vornehmen musste, direkte Konsequenz des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.

"Rückblickend müssen wir feststellen, dass die getätigten Investitionen in Russland nach 2015 auf zu großem Vertrauen in Russland und Russlands Rolle in der internationalen Gemeinschaft gestützt waren", sagte Garrett den Aktionären. "Man muss es so klar aussprechen: Die Investitionen waren – ex post betrachtet – ein Fehler. Wenn wir nun im ersten Quartal 2022 zwei Milliarden wertberichtigen müssen, müssen alle Beteiligten aufhören zu versuchen, die Entscheidungen zu verteidigen. Man kann nicht schönreden, was nicht schönzureden ist."

Gaslieferverträge

Heftig kritisiert wurde der ehemalige OMV-Chef Seele auch hinsichtlich der vorzeitig (nämlich 2018 und nicht nahe zum Auslauftermin 2028) erfolgten Verlängerung der Gaslieferverträge bis zum Jahr 2040 – ohne Ausstiegsklausel und zahlbar auch bei Nichtabnahme (Take or Pay). Zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in Österreich und anderen Teilen Europas sei es jedenfalls erforderlich, daran festzuhalten, sagte Aufsichtsratschef Garrett, ohne eine Bewertung der Lieferverträge vorzunehmen.

Russlands Präsident Wladimir Putin und Ex-Kanzler Sebastian Kurz (stehend von links) sowie Gazprom-Chef Alexej Miller und der damalige OMV-Chef Rainer Seele (sitzend von links) bei einer Vertragsunterzeichnung 2018 in Wien.
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Ausschlaggebend für die Empfehlung der Nichtentlastung Seeles dürfte eine Nebenabsprache sein, in der der frühere OMV-Chef dem damaligen Compliance-Chef des Konzerns, Robert Eichler, Kündigungsschutz bis 2023 (bzw. eine Überbrückungszahlung im Fall einer Kündigung durch den Arbeitgeber in den Folgejahren) zugesichert hat. Kolportiert werden ein bis zwei Millionen Euro. Für alle genannten Personen gilt die Unschuldsvermutung. Weil Eichler vorzeitig gehen musste, ist der Sideletter schlagend geworden.

Auch Öbag gegen Entlastung

Bereits im Vorfeld der Hauptversammlung hatte der Interessenverband für Anleger angekündigt, Seele die Entlastung nicht zu erteilen. Dem schlossen sich denn auch die Vertreter der Beteiligungsholding Öbag und des Syndikatspartners Mubadala aus Abu Dhabi an. Öbag hält für die Republik 31,5 Prozent der OMV-Anteile, Mubadala besitzt 24,9 Prozent der Aktien.

Unmittelbare juristische Folgen hat die Nicht-Entlastung für Ex-OMV-Chef Seele nicht. Der Umstand, dass er für seine Tätigkeit im Geschäftsjahr 2021 nicht entlastet worden ist, schade aber seiner Reputation, sagen Juristen. Er könne dagegen klagen. Seele hat das Unternehmen zwar vorzeitig im Sommer vergangenen Jahres verlassen, sein Vertrag endet offiziell aber erst Ende dieses Monats.

Aufsichtsratschef Garrett verwies auf Ergebnisse einer extern in Auftrag gegebenen Untersuchung, wonach "der ehemalige Vorstandsvorsitzende Governance-Regelungen in Bezug auf das Zustandekommen des Sideletter nicht eingehalten hat und erforderliche interne Genehmigungen für einen Abschluss somit nicht vorlagen".

Fragen zu Sponsoring

Auch ein Sponsoringvertrag der OMV mit dem Fußballklub Zenit St. Petersburg (in Summe rund 15 Millionen Euro) sowie die Gaslieferverträge mit Gazprom Export seien Gegenstand laufender OMV-interner Untersuchungen, deren Ergebnisse aber noch ausständig seien. Jedenfalls sei es geboten, vor Erteilung der Entlastung Ungereimtheiten noch aufzuklären.

"Der Vorstand und der Aufsichtsrat möchten aber ausdrücklich betonen, dass diese Entscheidung auf Basis des derzeitigen Informationsstandes getroffen wurde und die Ergebnisse laufender Untersuchungen selbstverständlich nicht vorwegnimmt und daher auch eine nochmalige Befassung der Hauptversammlung mit diesem Thema naturgemäß möglich bleibt", sagte Garrett. (Günther Strobl, 3.6.2022)