Wer ein Verkehrsmittel für Distanzen von wenigen Kilometern in städtischem Umfeld benötigt, aber keinen Bedarf an einem Auto hat und auch von den Öffis nicht ausreichend versorgt wird, für den gibt es neben Fahrrädern seit einiger Zeit eine weitere Option: E-Scooter. Bei den Anschaffungskosten schlagen sie E-Bikes und sind außerdem portabler.

Eine Reihe von Herstellern hat das wachsende Interesse für sich entdeckt, insbesondere Xiaomis Roller scheinen in Wien bereits einigermaßen populär zu sein. Es gibt aber auch andere interessante Angebote. Eines davon ist der Okai Neon. In bisherigen Rezensionen hat der E-Scooter durchwegs positives Feedback erhalten, in einem Fall wurde er gar als ein Scooter tituliert, wie ihn Apple wohl designen würde. DER STANDARD hat im Test evaluiert, ob der Neon diesen Lorbeeren gerecht wird.

Der Okai Neon.
Foto: DER STANDARD/Pichler

Basics

Zuerst zu den Spezifikationen: Auf dem Papier ist der Scooter eher unspektakulär. Angetrieben wird er von einem bürstenlosen Motor mit 250 Watt Nennleistung und 500 Watt Leistungsspitze. Damit fährt er bis zu 25 km/h schnell, wobei er in Deutschland mit Nummerntafel geliefert und auf das dortige gesetzliche Limit von 20 km/h gedrosselt wird.

Gebremst wird vorne über die elektronische Motorbremse automatisch, während rückseitig eine Scheibenbremse zum Einsatz kommt, für die sich am linken Teil des Lenkers ein entsprechender Betätigungshebel befindet. Das Hinterrad verfügt außerdem auch über eine Federung, die bei Unebenheiten für eine angenehmere Fahrt sorgen soll.

Die Kapazität des Akkus gibt Okai nicht an (in einer Rezension ist von circa 353 Wattstunden die Rede), verspricht aber eine Reichweite von bis zu 40 Kilometern mit einer Ladung sowie eine Ladezeit von unter vier bzw. sechs Stunden, abhängig vom Output des Ladeadapters. Mitgeliefert ist die schwächere Version mit 42 Volt und 2 Ampere (84 Watt).

Die Bedienung erfolgt über einen einzelnen Knopf, Fahrmodus, Akkustand und aktuelle Geschwindigkeit können auf einem runden Display abgelesen werden. Neben einem LED-Frontscheinwerfer gibt es auch ein rotes Rücklicht sowie zwei konfigurierbare LED-Streifen, die in den Rahmen und die Lenkstange integriert sind. Davon leitet sich auch der Name des Scooters ab, standardmäßig leuchten diese nämlich in Neonblau.

Hinterrad mit Scheibenbremse.
Foto: DER STANDARD/Pichler

Verbaut ist die ganze Hardware in eine Konstruktion als Aluminiumlegierung. Mit 16 Kilogramm Gewicht ist der Roller kein Leichtgewicht seiner Klasse. Allerdings gehört er auch zu den größeren Consumer-Scootern. Sein Platzbedarf liegt in ausgeklapptem Zustand bei 1,15 Metern Länge, 1,13 Metern Höhe sowie 45 Zentimeter Breite (entspricht dem Lenker). Die maximale Nennladung wird mit 100 Kilogramm beziffert. Emissionsschutz gemäß IPX5-Rating erlaubt auch Regenfahrten.

Inbetriebnahme und Verarbeitung

Der Aufbau des Scooters ist unkompliziert. Im Prinzip muss man nur den Lenker anbringen und mit Schrauben fixieren. Die Höhe ist nicht verstellbar, für Menschen zwischen 1,60 und 1,90 Körpergröße sollte der Neon aber bequem zu fahren sein. Ein nettes und nicht zu unterschätzendes Komfortfeature ist der Haken an jenem Ring, mit dem der Lenker fixiert wird. Hier kann man etwa eine Einkaufstasche anhängen. Schade, dass dieses Extra nicht gang und gäbe bei E-Scootern ist.

Subjektiv gesehen sieht der Scooter schick aus. Das weiße Gestell wird ergänzt von der silbergrauen Lenkstange sowie dunkelgrauem Spritzschutz über den 8,5-Zoll-Luftreifen. Zum Aus- und Einklappen der Lenkstange kommt ein einfacher Mechanismus zum Einsatz, bei dem ein Hebel gezogen bzw. gedrückt und geklappt wird. Er machte einen robusten Eindruck und hält die Lenkstange stabil in Position.

Der Fixierungsring für den Lenker nebst praktischem Haken.
Foto: DER STANDARD/Pichler

Generell gefällt die hochwertige Verarbeitung des Scooters. Zu loben sind hier auch das hellgrau gummierte, große Trittbrett, auf dem man unverkrampft beide Füße unterbringen kann, wie auch die ebenfalls gummierten Lenkergriffe. Ein kleiner ausklappbarer Standfuß ermöglicht es, den Scooter einfach zu parken. Als kleiner Mangel fällt auf, dass der Multifunktionsknopf am Lenker ein bisschen Spiel hat. Insgesamt muss sich der Neon in Sachen Verarbeitung absolut nicht verstecken und sticht in Sachen Komfort Konkurrenten wie Xiaomis Mi Scooter 3 aus.

Mangelhafte App, viele Funktionen

Bei der eigentlichen Inbetriebnahme offenbart sich allerdings ein Manko, das mit dem Scooter auf technischer Ebene nicht viel zu tun hat, aber dennoch stört. Nämlich die App. Vor dem erstmaligen Lösen der Motorsperre muss der Roller per Bluetooth gekoppelt und dem eigenen Okai-Account zugeordnet werden. Sofern man nicht gedenkt, weitere Einstellungen vorzunehmen oder die Motorsperre wieder einzuschalten, benötigt man diese im Grunde danach auch nicht mehr. Der Betriebsmodus und das Frontlicht lassen sich mit dem Multifunktionsknopf am Lenker umschalten.

Allerdings ist schon der Anmeldevorgang aufgrund der teils grotesk schlechten Übersetzung der App etwas verwirrend. Und auch innerhalb der Einstellungen sorgt die seltsame Eindeutschung (bei der sogar der Firmenname selbst in Fehlermeldungen zu "Okay" wird) für Stirnrunzeln.

Gleichzeitig erreicht man über die App durchaus nützliche Features, wenn auch über ein liebloses und ästhetisch inkonsistentes Interface. Eines davon ist der Wechsel vom normalen in den "Sport"-Modus. In diesem beschleunigt der Scooter zackiger und operiert generell mit mehr Leistung. Damit ist man gerade auf Strecken mit Steigungen flotter unterwegs, belastet dafür aber den Akku stärker. Nicht zu verwechseln ist das mit dem Betriebsmodus, der festlegt, ob der Scooter mit Maximalgeschwindigkeit, gemäßigtem Speed oder nur in Schritttempo fahren kann.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Einstellen lässt sich weiter das Interface des Displays am Scooter, Cruise Control (Geschwindigkeit halten, ohne den Beschleunigungsregler gedrückt halten zu müssen) oder ob der Motor sich auch ohne vorheriges Abstoßen direkt aus dem Stand starten lässt. Sehr praktisch ist die Möglichkeit, NFC-Karten oder -Tags hinzuzufügen, die es ermöglichen, den Roller auch ohne App zu entsperren. Okai hat dafür direkt unter dem Display ein entsprechendes Lesegerät verbaut.

Auch die Farbe und die Pulsierungsrichtung der Leuchtstreifen kann man für Standby, Fahrt, Aufladen separat konfigurieren. Was man allerdings vergessen hat, ist eine Option, um die Beleuchtung für diese Szenarien einzeln ein- und auszuschalten. Wer nicht will, dass der Scooter etwa während des Ladens seine Umgebung festlich erstrahlen lässt, muss diese Beleuchtung komplett abdrehen und vor der nächsten Fahrt wieder reaktivieren. Denn für die Sicherheit im Verkehr ist es natürlich ein Gewinn, besser gesehen zu werden.

Weiters kann die App – wenn man das Handy während der Fahrt laufen lässt – auch ein Fahrtenbuch führen. Angezeigt wird auch der letzte Standort des Scooters. Sofern man noch innerhalb der Bluetooth-Reichweite ist, kann man die App auch zur Ortung des Rollers verwenden, wenn man ihn "verparkt" hat.

Fahrerlebnis

Nun aber zum wichtigsten Aspekt: Wie fährt sich der Okai Neon? Kurz gesagt: sehr gut. Der Elektromotor surrt leise vor sich hin, die Luftreifen und die Federung auf der hinteren Seite sorgen für recht ruhige Verhältnisse, solange man nicht über gröbere Unebenheiten oder Untergründe wie Kopfsteinpflaster fährt. Der Lenker gibt genug Widerstand, um ein versehentliches "Verreißen" zu verhindern. Beim Testgerät war die Scheibenbremse angenehm vorkonfiguriert.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Auch auf feuchtem Boden greifen die Reifen gut. Es handelt sich allerdings um ein dezidiert urbanes Fortbewegungsmittel, abseits von festem, ebenem Erd- und Wiesenuntergrund ist die Offroadtauglichkeit sehr beschränkt. Die Scheibenbremse ist angenehm voreingestellt und ermöglicht sowohl sanftes "Einschleifen" als auch abrupte Bremsmanöver, je nach Druck auf den Hebel.

Im Standardmodus, der sich für Scooter-Neulinge anbietet, beschleunigt der Neon recht gemächlich. Wer mit solchen Rollern bereits vertraut ist, kann auch gleich in den Sportmodus umschalten. Wenngleich der Motor, etwa im Verhältnis zum bereits erwähnten Xiaomi Mi Scooter 3 eher sparsam dimensioniert ist, bewältigt er stärkere städtische Steigungen (laut Hersteller bis zu 20 Prozent Gefälle) gut und mit circa 90 Kilogramm Nutzlast immerhin noch mit 16 bis 20 km/h. An das behördliche Geschwindigkeitslimit von 25 km/h (Österreich) für die motorseitige Beschleunigung hält sich der Neon übrigens pedantisch. Will heißen: Bergab aktiviert sich auch schon einmal die elektronische Motorbremse.

Auch im Dunklen ist man recht sicher unterwegs. Das ist natürlich auch den LED-Streifen geschuldet. Das Frontlicht könnte etwas heller strahlen, reicht aber ohne Weiteres aus, um in der Stadt sicher unterwegs zu sein. Eine gut erreichbare mechanische Klingel erlaubt es, abgelenkte Passanten vorzuwarnen. Der Bildschirm am Scooter ist schick und bietet einen gut lesbaren Tacho. Bei starker Sonneneinstrahlung kann es allerdings schwierig werden, bei kurzem Hinsehen etwas zu erkennen. Hier kann also für die nächste Generation durchaus nachgebessert werden.

Reichweite und Ladezeit

Eher optimistisch ist die Angabe von 40 Kilometern Reichweite, die sich aber üblicherweise auf das theoretische Szenario komplett ebener Fahrtstrecken und 70 Kilogramm Nutzlast bezieht. Aus den Testerfahrungen lässt sich ableiten, dass 20 bis 30 Kilometer realistisch sind, wenn man immer wieder auch Steigungen bewältigt und nicht unbedingt ein Leichtgewicht ist. Was die Dauer des Aufladens betrifft, so wird die Angabe von "unter 6 Stunden" mit dem schwächeren Ladeadapter aber knapp erfüllt. Hier ist übrigens ein weiteres nettes Komfortfeature anzumerken: Der Verschluss des Ladeanschlusses besteht aus einer gummierten, federgezogenen Kunststoffklappe, was wesentlich praktischer ist als die sonst üblichen "flimsigen" Kappen aus Gummi oder Silikon.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Über die Testzeit von etwa einem Monat hat sich am Fahrerlebnis nichts geändert. Sichtbar sind am weißen Scooter und dem Trittbrett natürlich Gebrauchsspuren in Form von Dreck, was sich aber relativ leicht reinigen lässt. Wie lange der Akku sein Kapazitätslevel hält, ist aufgrund der Gebrauchsdauer nicht abschätzbar, sagen lässt sich aber, dass er ein paar Ladezyklen braucht, um "in Form" zu kommen. Bei den ersten Fahrten zeigt sich ein recht flotter Abfall, sobald der Ladestand ungefähr auf 30 bis 40 Prozent sinkt. Das ist bei E-Scootern zwar nicht untypisch, wird beim Neon aber nach mehrmaligen Aufladen merkbar besser.

Fazit

Mit 650 Euro Nennpreis liegt der Neon preislich etwa 150 Euro über dem Mi Scooter 3 und ähnlichen E-Scootern, dennoch ist er ein Highlight seiner Klasse. Er bietet nicht nur hochwertige Verarbeitung, sondern auch viel Platz zum Stehen, eine praktische NFC-Entsperrfunktion und nicht zuletzt die namensgebende Beleuchtung an der Lenkstange und dem Trittbrett. Die sieht nicht nur futuristisch aus, sondern sorgt auch für mehr Sicherheit.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Dazu kommen ein recht ruhiges, angenehmes Fahrgefühl dank Luftreifen und rückseitiger Federung und ein recht leiser Motor, der so ziemlich das Maximum aus seinen 250 Watt Nennleistung herausholt. Als i-Tüpfelchen lassen sich auch noch der Haken an der Lenkstange und der federgestützte Verschluss des Ladeanschlusses als praktische Komfort-Boni erwähnen.

Ein Defizit des Okai Neon ist allerdings sein Gewicht. Mit 16 Kilogramm liegt er merkbar über vielen anderen Consumer-Scootern, was man für den gesteigerten Fahrkomfort aber schlicht in Kauf nehmen muss. Wirklich ärgerlich ist nur die schlechte Übersetzung der App und das Fehlen flexiblerer Beleuchtungseinstellungen. Wer mit der Anschaffung eines E-Scooters liebäugelt, darf den Neon jedenfalls getrost in die engere Wahl nehmen. (Georg Pichler, 6.6.2022)