Im Gastblog klären der Physiker Dominik Kreil und die Physikerin Andrea Navarro-Quezada über Wasserstoff auf.

Vor einigen Tagen hat die Bundesregierung die langersehnte Wasserstoff Strategie Österreichs vorgestellt. Im Vergleich zu anderen Ländern wie Deutschland oder Südkorea sind wir damit schon eine Weile in Verzug aber haben immer noch die Chance eine Vorreiterrolle einzunehmen. Aber warum ist dieses Gas plötzlich in aller Munde? Hier wollen wir kurz klären was Wasserstoff eigentlich ist und wozu er eingesetzt werden kann. Aber dazu müssen wir etwas weiter ausholen!

Am Anfang war der Wasserstoff

Kurz nach dem Urknall (mit "kurz" sind einige hunderttausend Jahre gemeint) haben sich die ersten Atome gebildet die sich später zu Molekülen zusammengeschlossen haben. Das häufigste davon war das Wasserstoffatom (H), ein Proton das von einem Elektron umgeben ist. Daraus bildeten sich die Sterne und auch unsere Sonne besteht zu einem großen Teil aus diesem Element. Unter hinreichend guten Bedingungen formt sich aus zwei solchen Atomen ein Wasserstoffmolekül (H2). Auch heute noch ist es die häufigste Verbindung im Universum. Auf der Erde ist der Wasserstoff jedoch häufig in der Verbindung H2O gebunden, herkömmliches Wasser.

Wasserstoff ist das häufigste Molekül im Universum wie hier im NGC 604 Dreiecksnebel.
Hui Yang, NASA/ESA

Wasserstoff als Energiespeicher

In einem sogenannten PEM-Elektrolyseur (proton exchange membrane) kann mit Hilfe von Strom diese Verbindung aufgespalten werden. Im Wesentlichen besteht dieser aus zwei Elektroden umgeben von destillierten oder aufbereiteten Wasser (H2O), Normales Leitungswasser kann nicht verwendet werden, da sich sonst giftige Gase bilden können! An einer Elektrode wird dem Wasser ein Elektron geklaut und es bildet sich dort einerseits reiner Sauerstoff (O2) und Protonen (H+) welche durch eine Membran zur anderen Elektrode wandern und dort mit den zur Verfügung gestellten Elektronen Wasserstoffgas (H2) bilden.

In einer sogenannten Brennstoffzelle kann dieser Prozess wieder umgekehrt werden und die anfangs aufgebrachte Energie zu einem großen Teil zurückgewonnen werden. Das einzige "Abgas" das dabei entsteht ist Wasserdampf! Im Vergleich zu Kohle und Erdgas, die als Energiequellen gelten, ist Wasserstoff somit nur ein Speichermedium, ähnlich einer Batterie, und wird daher als Energieträger bezeichnet. Darin liegt aber ein enormer Vorteil, wenn es um erneuerbare Energien geht. Erzeugen wir im Sommer mit Photovoltaik viel Energie, so kann diese leicht in Wasserstoff gespeichert werden und in dunkleren Wintermonaten wieder zurückgewonnen werden. So können sowohl kurze wie auch lange Stromspitzen geglättet werden.

Hergestellt mit erneuerbarer Energie bietet Wasserstoff die Chance Energie zu speichern.
Kreil, Magistrat Linz

In allen Farben des Regenbogens

Zugegeben, dieser Untertitel ist etwas übertrieben, jedoch tauchen in Zusammenhang mit Wasserstoff die skurrilsten Farben auf. Davon sollte man sich aber nicht in die Irre führen lassen. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas und seine Flamme ist auch unsichtbar. Vielmehr sollen die Farben den Herstellungsprozess verdeutlichen. So ist grauer Wasserstoff jener, der mit fossilen Energieträgern wie Erdgas durch die sogenannte Reformierung hergestellt wurde. Bei diesem Prozess entweicht eine große Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre. Wird dieses CO2 eingefangen (abgeschieden) so ist der daraus gewonnene Wasserstoff blau. Neben der Elektrolyse ist die Pyrolyse ein recht junges Verfahren zur H2 Herstellung. Dabei wandelt sich bei sehr hohen Temperaturen Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff um.

Verwendet man ausschließlich erneuerbare Energien und entsteht kein CO2, so bekommt der Wasserstoff ein schönes grün verpasst. In Österreich nur selten anzutreffen ist violetter/lila Wasserstoff zu dessen Herstellung Energie aus Kernkraftwerken verwendet wurde. Bis dato ist fast der gesamte momentan genutzte Wasserstoff grau, dies soll sich aber stark ändern.

Die Bundesregierung will den Bedarf bis 2030 mit bis zu 80% aus klimafreundlichen Gas abdecken.

Wasserstoff wird entweder direkt oder als Hilfsmittel für die Synthese anderer Stoffe eingesetzt.
Kreil, Magistrat Linz.

So klein und doch so vielfältig

Obwohl es das einfachste Molekül ist das existiert hat es vielerlei Anwendungsmöglichkeiten. Schon seit fast einem Jahrhundert wird Wasserstoff in der Industrie benötigt um etwa mit dem Haber-Bosch Verfahren Stickstoff (N2) aus der Atmosphäre zu binden. Dabei entsteht Ammoniak das sowohl in der Chemieindustrie wie auch in der Düngemittelherstellung (Harnstoff) von zentraler Bedeutung ist. Wird bei Prozessen CO2 eingefangen, kann damit Wasserstoff methanisiert werden. Das heißt auch Kohlenstoffdioxid und H2 wird künstliches Erdgas erzeugt, dass wiederverwendet werden kann. Auch Treibstoffe, Alkohole und Polymere können auf ähnliche Weise gewonnen werden. Wohl eines der vielversprechendsten Einsatzmöglichkeiten findet man in der Stahlerzeugung. Dort wo jetzt noch Kohle und Koks dafür sorgt, dass Eisenerz von seinem Sauerstoff befreit wird, könnte dies in Zukunft von Wasserstoffgas vollbracht werden. Für die Industrie ist das ein wichtiger Hebel, da sie derzeit für deutlich mehr als 10% der österreichischen Emissionen verantwortlich ist.

Eines ist klar, die Klimakrise steht vor der Tür und wir müssen alles daransetzten so schnell es geht Klimaneutral zu werden. Wasserstoff wird hier nicht das Allheilmittel sein, aber einen wesentlichen und nicht zu vernachlässigenden Beitrag leisten! (Andrea Navarro-Quezada, Domink Kreil, 13.6.2022)

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