Die Waffenlieferungen erhitzen die Gemüter. An dieser Hauswand in Kiew wurde der "Heiligen Javelina" ein Denkmal gesetzt. Die US-Panzerabwehrlenkwaffe Javelin gilt als Symbol des ukrainischen Widerstands.

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Unverdrossen rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Pfingsten seine Soldaten während eines überraschend angesetzten Frontbesuchs zum Durchhalten auf. In mehreren von der Präsidentschaftskanzlei veröffentlichen Videoclips sprach er seinen Truppen erst in Saporischschja Mut zu, später wagte er sich sogar noch näher an die derzeit besonders umkämpfte Donbass-Stadt Sjewjerodonezk vor: In deren Nachbarstadt Lyssytschansk dankte er den Verteidigern im Schutz eines Bunkers für ihren Einsatz: "Ihr alle habt den Sieg verdient – das ist das Wichtigste. Aber nicht um jeden Preis."

Berichte über neue Waffenlieferungen des Westens an Selenskyjs bedrängte Armee dürften deren Kampfgeist am Wochenende aber noch mehr beflügelt haben – in Moskau hingegen reagiert man zusehends nervös, wie ein Statement von Außenminister Sergej Lawrow am Montag nahelegt.

London will Langstreckenraketensysteme liefern Der russische Präsident Wladimir Putin hat gewarnt, dass Moskau neue Ziele beschießen werde, wenn der Westen die Ukraine mit Langstreckenraketen beliefere. In einem Fernsehinterview sagte Putin: "Wir werden die Ziele angreifen, die wir noch nicht getroffen haben." Konkreter wurde Putin nicht. US-Präsident Joe Biden hatte vergangene Woche der Ukraine die Lieferung moderner Himars-Mehrfachraketenwerfer zugesichert. Kiew hatte zuvor versprochen, dass diese nicht auf russisches Territorium abgefeuert werden. Am Montag hat dann auch Großbritannien angekündigt, die Ukraine mit dem in den USA produzierten Mehrfachraketenwerfer M270 beliefern zu wollen. Das Verteidigungsministerium in London teilte mit, die Lieferung der – laut BBC-Angaben vorerst drei – Systeme sei eng mit der US-Regierung abgestimmt. Ukrainische Truppen sollen demnach in Großbritannien an den Waffen ausgebildet werden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow drohte indes, man werde die "ukrainischen Nazis" weiter von der russischen Grenze wegdrängen, sollte der Westen Kiew mit weiter reichender Artillerie ausstatten.

Lawrow muss Belgrad-Besuch absagen Russland hat die Sperre des Luftraums durch die drei Balkanländer Bulgarien, Nordmazedonien und Montenegro für den geplanten Flug Lawrows nach Serbien als "feindliche Aktion" bezeichnet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, solche Aktionen könnten Probleme bei der Planung hochrangiger diplomatischer Treffen verursachen. Aber sie würden Russland nicht daran hindern, Kontakte zu befreundeten Ländern zu pflegen. Lawrow selbst sprach von einer beispiellosen Aktion. Serbiens Innenminister Aleksandar Vulin "bedauerte zutiefst" die Blockade und erklärte, "diejenigen, die die Ankunft von Sergej Lawrow verhindert haben, wollen keinen Frieden, sie träumen davon, Russland zu besiegen". Serbien, das offiziell der EU beitreten will, gilt traditionell als Verbündeter Russlands auf dem Balkan.

  • Schwere Kämpfe im Donbass In der zu Ruinen geschossenen Industriestadt Sjewjerodonezk in der Oblast Luhansk hat sich die Lage für die ukrainische Seite nach Angaben des regionalen Gouverneurs am Montag verschlechtert. Es gebe intensive Straßenkämpfe, sagte Serhij Hajdaj dem staatlichen Fernsehen. "Die Kämpfe verlaufen ziemlich dynamisch." Nach der Rückeroberung von etwa der Hälfte der Stadt hätten sich die ukrainischen Einheiten wieder ins Industriegebiet zurückziehen müssen. "Sie (die russischen Truppen, Anm.) haben eine Taktik: einfach alles dem Erdboden gleichmachen, damit nichts übrigbleibt, um sich festzusetzen", sagte Hajdaj. Die Ukraine verfüge über genügend Truppen, um dem Angriff standzuhalten, aktuell sei keine Seite zum Rückzug bereit, sagte Bürgermeister Oleksandr Stryuk im ukrainischen Fernsehen. Die russischen Truppen rücken unterdessen nach britischen Angaben auf die Stadt Slowiansk in der Region Donezk vor. Weiter westlich, nahe der Stadt Saporischschja am Fluss Dnepr, bereitet sich die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA) indes auf den Einsatz ihrer Experten an dem vom russischen Militär kontrollierten Atomkraftwerk vor. Dies sagte IAEA-Chef Rafael Grossi vor dem Gouverneursrat der Uno-Organisation am Montag in Wien.

  • Raketenangriff auf Kiew Bei einem Raketenangriff auf einen Vorort der Hauptstadt Kiew am Sonntagvormittag will die russische Armee unter anderem T-72-Panzer zerstört haben, die osteuropäische Nato-Länder an die Ukraine geliefert hatten. Das wertvolle Kriegsgerät sei in einem nun zerstörten Werk für die Reparatur von Eisenbahnwagons untergebracht gewesen, wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, sagte. Kiew bezeichnete dies als Falschinformation, "um diesen brutalen Krieg zu rechtfertigen"; Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sprach von einem "Akt des Terrorismus".

  • Deutschland hilft Putin-Kritikern Rund 70 Kreml-kritische russische Journalisten und andere Dissidenten sollen nach den Plänen der deutschen Regierung in Deutschland leben und arbeiten können, ohne Asyl beantragen zu müssen. Es handelt sich um Menschen, die nach Kriegsbeginn mit einem für 90 Tage gültigen Schengen-Visum nach Deutschland geflüchtet waren, wie der Spiegel am Montag unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Die Regierung sei dazu unter anderem mit den Innenbehörden der Länder Berlin und Sachsen im Gespräch. (Florian Niederndorfer, 6.6.2022)