Wer dieser Tage mit Freiheitlichen telefoniert, hört oft, dass man mit Gewissheit noch gar nichts sagen könne. Man habe zwar eine Vermutung, aber vielleicht komme ja doch noch alles anders. Es geht um die freiheitliche Kandidatur bei der Hofburg-Wahl im Herbst. Diese soll den amtierenden Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen so gut wie möglich herausfordern.

Dass die FPÖ bei Hofburg-Kandidaturen durchaus zu Überraschungen neigt, zeigte nicht zuletzt der Antritt Norbert Hofers bei der Wahl 2016. Hofer musste dafür innerparteilich erst ordentlich bearbeitet werden. Dann landete der passionierte Segelflieger im ersten Durchgang noch weit vor Van der Bellen, unterlag dann aber bekanntlich in der Stichwahl.

Für einen neuerlichen Antritt steht Hofer allerdings nicht zur Verfügung – auch weil er sich im Duell mit Van der Bellen keine allzu großen Chancen ausrechnen dürfte. In der Pole-Position für die Gegenkandidatur sehen daher parteiintern viele die blaue Verfassungssprecherin Susanne Fürst. Aber auch Parteichef Herbert Kickl soll mit einem Antritt durchaus liebäugeln – zumindest wird das kolportiert.

Entscheidung vertagt

Der Entscheid der FPÖ, wen sie gegen Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in die Bundespräsidenten-Wahl schickt, wird laut Auskunft aus der Partei aber wohl noch etwas auf sich warten lassen. Im Parteivorstand am Dienstag wurde beschlossen, die Kandidaten-Kür dem Parteipräsidium zu übertragen – dem höchsten Gremium der FPÖ, wie es seitens der FPÖ am Rande der Gremiensitzungen am Dienstag hieß. Termin gibt es noch keinen, die FPÖ will sich offenbar in dieser Frage noch Zeit lassen.

Parteichef Herbert Kickl erklärte bereits bei seinem Eintreffen vor Beginn des Parteivorstandes und der danach angesetzten Sitzung der Parteileitung, dass er an diesem Dienstag keine Entscheidung erwarte. Das Thema stehe gar nicht auf der Tagesordnung, sagte er bei seinem Eintreffen im Wiener Rathauskeller am Nachmittag. Man werde aber über die Kandidatur reden. "Es wird eine gute Entscheidung für Österreich geben. Es wird sie aber nicht heute geben", sagte er vor Journalisten.

Gilt für manche in der FPÖ bereits als gesetzt: Susanne Fürst.
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Aber was spricht eigentlich für Kickl und was für Fürst? "Für beide spricht, dass sie nicht Hofer sind", sagt der Politikbeobachter Thomas Hofer. "Auch wenn es jetzt heißt, dass er abgesagt hat, wäre er es vermutlich ohnehin nie geworden, da Kickl mit Sicherheit kein Interesse daran hat, die Marke Hofer aufzuladen – das ist Vergangenheit."

Jetzt gehe es darum, eine Kandidatin oder einen Kandidaten aufzustellen, die oder der das Rennen um die Hofburg vor allem als einen Zwischenschritt für die nächste Nationalratswahl nützen kann. Nach Hofers Einschätzung wird die FPÖ einen tagespolitischen Wahlkampf führen, in dem die Kritik an den Corona-Maßnahmen, Forderungen in Sachen Teuerung und die blaue Antiregierungshaltung thematisiert werden dürften – ebenso die Schweigsamkeit des Bundespräsidenten bei diversen türkisen Krisen der vergangenen Monate.

Mücken statt Elefanten

Da sieht der Experte den blauen Frontmann Kickl klar im Vorteil. Fürst müsse man erst bekannt machen. "Eine rhetorische Wucht" sei die Juristin aus Linz obendrein nicht. Und vermutlich könne Kickl auch die stramm rechte Flanke zu einem Kandidaten der MFG und dem ehemaligen BZÖ-Politiker Gerald Grosz besser schließen, sollten sich dort tatsächlich Antritte abzeichnen. Dafür müssen aber zunächst einmal 6.000 Unterschriften gesammelt werden.

Doch völlig ohne Risiko ist die Sache für Kickl nicht – im Gegenteil. "Kickls Risiko ist, dass er dann über die aktuellen 20 Prozent der FPÖ in den Umfragen hinauskommen oder zumindest dieses Potenzial abdecken muss", sagt Hofer. "Abgesehen davon glaube ich, dass sich Van der Bellen als amtierender Präsident dem politischen Nahkampf wohl eher entziehen wird – da wird für Kickl die Elefantenrunde schnell zur Mückenrunde, wenn er nur mit Marco Pogo (Vorsitzender der Bierpartei, Anm.), Gerald Grosz und einem Kandidaten der MFG diskutieren kann." Drei, vier Fernsehduelle mit Van der Bellen würden für Kickl einen völlig anderen Reiz bieten.

Fürst parteiintern "eine Ansage"

Mit Fürst die möglicherweise einzige Frau unter den etablierten Parteien ins Rennen um die Hofburg zu schicken empfänden manche in der FPÖ hingegen schon als "eine Ansage". Die Juristin zog 2017 als Quereinsteigerin in den Nationalrat ein und wurde Verfassungssprecherin. Genau das wird als eine ihrer Stärken in einem potenziellen Wahlkampf genannt. Immerhin sieht sich die FPÖ seit der Corona-Pandemie als die Verteidigerin der Grundrechte hierzulande. Das könnten die Freiheitlichen sowohl mit Kickl als auch mit Fürst noch einmal ausspielen, falls der Pandemieherbst schwierig werden sollte.

Fürst böte aus Hofers Sicht noch einen Vorteil. "Sie liegt eine Latte unter Kickl", sagt er. Sollte man bei der Wahl im Herbst doch unter den Erwartungen bleiben, könnten sich die Freiheitlichen eher darauf ausreden, dass der Wahlkampf zu kurz und die Kandidatin zu unbekannt gewesen sei. "Denn es wäre schon eine Schwierigkeit, wenn Kickl das als Kandidat höchstpersönlich verantworten müsste." (Jan Michael Marchart, red, 7.6.2022)