Eine Uhr, benannt nach einem Depeche-Mode-Song: Your Own Personal Jesus.

Foto: David Rauchenberger

Graz – Über dem Treppenaufgang schwebende Paddel, die zu schmelzen scheinen, obwohl sie aus Bronze sind: The closer I get, the more I drift far heißt die Arbeit, die das von ihm so empfundene Sisyphos-Dasein des Bildhauers Manfred Erjautz abbildet. Das Fließen der Zeit, das zähe, rauschende, manchmal lautlose oder unsichtbare Vergehen, beschäftigt den aus Graz stammenden und in Wien lebenden Bruno-Gironcoli-Schüler immer wieder. Er gibt der Vergänglichkeit Gesichter und eine Tonspur, manchmal friert er sie auch unter Harz ein.

Die Ausstellung Dinge/Things im Kultum in den renovierten Grazer Minoriten, ist die bisher größte Personale des 1966 geborenen Erjautz. Ob die eingangs erwähnten Paddel, denen die Kraft auszugehen scheint, oder Objekte aus Bronze, Holz oder Aluminium, die auf einer von der Decke hängenden Piste zu landen scheinen, oder die aus Glas geblasene Erdkugel, die in sich zusammensinkt: Immer wieder sind es Übergänge, für die Erjautz kurz die Zeit anhielt. In vier ehemaligen Mönchszellen des Minoritenklosters zeigt er unter anderem seine in der "Flüchtlingskrise" entstanden Solettigiacometti, Flöße, auf denen der Überlebenskampf auf dem offenen Meer ebenso angedeutet wird wie das unbeteiligte Zusehen Europas, wo zu Hause auf der Couch Knabbergebäck zu den Nachrichten gereicht wird.

Eine aus Glas geblasene Erdkugel sinkt in sich zusammen: Immer wieder sind es Übergänge, für die Erjautz kurz die Zeit anhielt.
Foto: David Rauchenberger

Spiegelbild am Schränkchen

Erjautz baut mit Leidenschaft Uhrwerke um. Eine Uhr versteckt sich in einem Schränkchen, dessen Tür ein Spionspiegel ist. Wenn man nach der Uhrzeit sieht, sieht man daher nur das eigene Spiegelbild, während einem die Uhr in aller Ruhe zusieht. Von Atomuhren betrieben wird auch die schon gezeigte Arbeit Your Own Personal Jesus, die im Franziskussaal unter einer Spiegelarbeit mit Graffiti neu zur Geltung kommt. Auf der fast lebensgroßen Holzstatue dienen die Arme als Zeiger.

Ganz neu ist die Totentanzserie aus vielschichtigen Zeichnungen, Collagen und Fotografien oder auch ein wie ein asiatischer Drachen durch den Gang fliegendes Aluskelett, das Blindflug heißt und sich mit knochiger Hand die leeren Augenhöhlen zuhält. (Colette M. Schmidt, 7.6.2022)