Wird auf ORF 2 als "Senkrechtstarterin" porträtiert: Schlagersängerin Melissa Naschenweng.

Foto: ORF/IP Media/Peter Krivograd

Als Kind hätte Melissa Naschenweng wegen ihrer kurzen Haare ausgeschaut wie ein Bub. Das sei der Grund dafür, warum die pinke Farbe heute das Markenzeichen der Schlagersängerin ist. Es sei nämlich "ein Statement: Ich bin ein Mädl – und was für eines!". So erzählt es der Gestalter in seiner Naschenweng-Dokumentation Die Senkrechtstarterin im Porträt (Mittwoch, 21.20 Uhr, ORF 2). Wer an Einblicken wie diesen Gefallen findet, wird mit dem knapp halbstündigen Film die reinste Freude haben.

Da erfährt man etwa, dass Naschenweng (I steh auf Bergbauernbuam) auf einer China-Tournee gelernt hat, dass man Musik nicht verstehen muss, um sie zu spüren. Und dass ihr Erfolgsrezept sei, den Leuten das Gefühl zu geben, sie sei eine von ihnen.

Jetzt ist es ja neuerdings en woke, Schlagermusik eh okay finden zu müssen, sie jedenfalls gegenüber anspruchsvollerer Musik nicht abwerten zu dürfen – ein Ausdruck postmoderner Schunkel-Culture. Das fällt angesichts der ORF-Doku insofern schwer, als sie selbst all das tut, was dem Schlager vorgeworfen wird.

Der Film bleibt nämlich fast aggressiv oberflächlich, bedacht auf Wohlfühlstimmung, schöne Bilder (passender Sponsor des Beitrags: das Land Kärnten) und keine inhaltlichen Kanten. Den erzählerischen Rahmen bildet ein Besuch Naschenwengs in ihrem Elternhaus. Interviewt werden ausschließlich sie selbst, Verwandte oder Geschäftspartnerinnen. Ein Porträt muss kein Verriss sein und auch keine Kellerleichen der Protagonistin zutage fördern, aber ein bisschen kritische Distanz täte ihm gut. So ist alles, was davon bleibt: ein hartnäckiger Ohrwurm. (Sebastian Fellner, 8.6.2022)