Mehr Bäume sind nicht immer die ideale Lösung zum Schutz von Klima, Umwelt und Artenvielfalt, wie nun eine US-amerikanische Studie nahelegt.

Foto: Imago/ingimage

Einen Baum zu pflanzen war vor wenigen Jahrzehnten noch mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Heute braucht es kein schweißtreibendes Schaufeln mehr, um sich den Traum vom selbst gepflanzten Baum zu erfüllen. In der virtuellen Welt kann man mit wenigen Klicks Patenschaften für Urwaldriesen übernehmen, in weit entfernten Gestaden gegen Bezahlung ein Bäumchen pflanzen lassen oder gar mittels Suchanfragen auf ökologischen Suchmaschinen zur Begrünung der Erde beitragen.

Die Vorteile der Aufforstung liegen in Zeiten des Klimawandels klar auf der Hand: Bäume speichern Kohlenstoff, filtern die Luft, schaffen wertvollen Lebensraum und bieten eine Vielzahl weiterer Ökosystemdienstleistungen. Zahlreiche Nationen haben sich im Rahmen ihrer Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels dazu verpflichtet, große Landstriche wieder aufzuforsten. Eine neue Studie der University of Maryland, Baltimore County (UMBC) zeigt nun die Schattenseiten dieser Ansinnen auf.

Gefahr für Schutzgebiete

Problematisch nehmen sich dabei insbesondere Bäume aus, die im Zuge nationaler Verpflichtungen zur Wiederaufforstung in tropischen Gebieten gepflanzt werden. Wie die UMBC-Forschungsgruppe um Matthew Fagan, Assistenzprofessor für Geographie und Umweltsysteme, herausfand, leiden manche Hotspots der Biodiversität unter diesen Maßnahmen. Zudem würden dadurch teils auch andere Ökosysteme wie Grasland negativ beeinträchtigt. Dringen die neu gepflanzten Baumarten in Schutzgebiete vor, können sie auch dort die Artenzusammensetzung schädigen.

Die in "Nature Sustainability" veröffentlichte Studie untersuchte die Zunahme der Baumbedeckung in den globalen Tropen zwischen 2000 und 2012. Fagan und sein Team fanden heraus, dass die Zunahme der Baumbedeckung in diesem Zeitraum gleichermaßen auf das natürliche Nachwachsen der Wälder und die Schaffung von Baumplantagen zurückging. Letztere setzten sich am häufigsten aus den Baumarten Kautschuk, Eukalyptus sowie aus Ölpalmen zusammen.

Plantagen seien nicht immer schädlich für die Umwelt, selbst die viel geschmähte Ölpalme können nachhaltig bewirtschaftet werden, erklärt Fagan. Die Studie ergab jedoch, dass 92 Prozent der neuen gepflanzten Bäume in Biodiversitäts-Hotspots wachsen, wo sie eine Reihe von Pflanzen- und Tierarten bedrohen. Außerdem befanden sich 14 Prozent der Plantagen in trockenen Biomen, in denen Bäume aller Voraussicht nach nicht gut gedeihen und bestehende Ökosysteme schädigen. Auch zeigte sich, dass Baumplantagen in neun Prozent der zugänglichen Schutzgebiete in den Tropen vorgedrungen waren.

Eine Ananas-Plantage am Rand des brasilianischen Urwaldes. Oft wachsen auf derartigen Flächen auch Kautschuk, Eukalyptus und andere Baumarten, die mit der Zeit in angrenzende Regenwälder vordringen.
Foto: Imago/blickwinkel

Lose-Lose-Situationen

In den letzten Jahren haben sich Dutzende von Nationen verpflichtet, große Waldflächen wiederherzustellen. Das geschieht meist in degradierten Wäldern oder gänzlich entwaldeten Landschafften. In rund 45 Prozent der Fälle passiert die Aufforstung mittels Baumplantagen. Ausgerechnet in diesen sehen die Forschenden eine unterschätzte Gefahr mit kaum absehbaren Folgen für intakte, natürliche Ökosysteme.

So hat etwa China am Rande der Wüste Gobi massive Baumpflanzmaßnahmen unternommen, während sich viele afrikanische Länder verpflichtet haben, Bäume am Übergang zwischen der Sahara und dem Grasland der Sahelzone zu pflanzen. Ziel ist es, die Ausbreitung der Wüste zu verhindern – was zu ungeahnten Schäden führen kann. Einerseits wird durch das Umgraben des Bodens Kohlenstoff frei, andererseits sind sie wahre "Wasserfresser". Dadurch würden sie am Ende oft das dort befindliche Grasland vernichten und am Ende oft an Dürre sterben, sagt Fagan. In diesen Fällen erzeuge das Pflanzen von Bäumen eine Lose-Lose-Situation.

In ähnlicher Weise zogen Sojabauern und -bäuerinnen in Brasilien aus dem Amazonas in den Cerrado, eine der größten Savannen der Welt. Was folgte waren neu entstehende Kiefern- und Eukalyptusbaumfarmen. Der Cerrado beheimate eine reiches Artenspektrum, der Kohlenstoff, den er unterirdisch speichere, konkurriere mit der Kohlenstoffbindung des Regenwaldes, erklärt Fagan. Baumkulturen im Cerrado könnten zwar Brasiliens Wiederaufforstungsverpflichtung zu Gute kommen. Bei der Eindämmung des Klimawandels und des Verlustes von Biodiversität könnten sie aber tatsächlich einen Rückschritt bedeuten.

Verkannte Savannen

"In den USA verfügen wir über riesige Gebiete mit relativ feuchten Wäldern und wir neigen dazu, das Pflanzen von Bäumen als eine Art ultimativen Umweltakt zu betrachten", sagt Studienleiter Fagan. Dabei hätten auch Graslandschaften und Savannen einen hohen ökologischen Stellenwert, der jedoch nicht immer sofort ersichtlich sei. Doch: "Wenn man Bäume pflanzt, zerstört man dieses Ökosystem."

Kopfzerbrechen bereitete den Forschenden auch die Erkenntnis, dass neu gepflanzte Baumarten bereits in neun Prozent der zugänglichen Schutzgebiete in feuchttropischen Landschaften Wurzeln geschlagen hatten. Dieses Vordringen in geschützte Regionen könnte etwa dort gedeihende Arten verdrängen. "Am Ende sind die Tropen ein viel veränderterer Ort, als wir erwartet hatten", sagt Fagan. Als Reaktion auf die neuen Forschungsergebnisse seines Teams erhofft er sich, dass Regierungen weltweit ihre Pläne zur Wiederaufforstung überdenken.

Weltweit werden Anstrengungen zur Aufforstung von Wäldern unternommen. In den Tropen ist dabei besonders wichtig, welche Baumarten herangezogen werden.
Foto: Imago/Aurora Photos

Der richtige Baum am richtigen Ort

Obwohl die Forschenden zwar von beunruhigenden Ergebnissen sprechen, sehen sie auch Grund zur Hoffnung. Bäume können viel Gutes bewirken, das Pflanzen von mehr Bäumen könne ein wichtiger Faktor sein, um die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Allerdings müsse es richtig gemacht werden.

Und: "Trotz unserer Liebe zu Bäumen sind Wälder nicht die einzigen Ökosysteme, die dazu beitragen können, die Auswirkungen des Klimawandels und den Verlust der biologischen Vielfalt abzumildern", erklärt der Studienleiter. Auch Savannen und Prärien spielen eine wichtige Rolle. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass nicht alle Baumpflanzungen für das betroffene Ökosystem von Vorteil sind", sagt er. "Der richtige Baum am richtigen Ort ist die richtige Antwort." (red, 8.6.22)