Alex Kipman bei der Vorstellung der Hololens 2 am Mobile World Congress im Jahr 2019.

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In Microsofts Chefetage gibt es einen Knalleffekt: Nach 21 Jahren im Unternehmen wird die Ära von Alex Kipman bald zu Ende gehen. Der brasilianische Technikexperte hat sich im Konzern vor allem mit Entwicklungen im Bereich Augmented Reality verdient gemacht. Zu diesen gehören etwa das Kinect-System der Xbox und auch die 2015 vorgestellte "Mixed Reality"-Brille Hololens, die damals große Schlagzeilen machte.

Bekannt wurde sein Abgang durch das Leak einer internen Mail, die dem Magazin "Geekwire" zugespielt wurde. Verschickt wurde sie von Scott Guthrie, Leiter der Abteilung für Cloud und KI. Er stellt Kipmans Abschied als Folge einer Restrukturierungsmaßnahme dar. Man habe sich "in den letzten Monaten" über die Zukunft von Kipmans "Mixed Reality"-Team ausgetauscht und sei zu der Übereinkunft gekommen, dass dessen Agenden künftig aufgeteilt werden und damit auch der "richtige Zeitpunkt" für Kipman gekommen sei, außerhalb von Microsoft nach neuen Herausforderungen zu suchen.

Hololens-Abteilung wird auf Windows und Teams auftgeteilt

Der Großteil von Kipmans Mitarbeitern wandert in den Bereich der Windows-Entwicklung und Surface-Produkte. Sie arbeiten damit künftig für Panos Panay. Die Angestellten, die bisher für "Mixed Reality Presence and Collaboration" zuständig waren, wechseln hingegen ins Team, das für den Business-Messenger Teams zuständig ist.

Guthrie bedankte sich für die "Vision", die Kipman ins Unternehmen eingebracht habe, sowie seinen Beitrag zur Weiterentwicklung der "Metaverse"-Angebote von Microsoft. Kipman werde noch zwei Monate im Unternehmen bleiben, um die Restrukturierung zu begleiten.

Beschwerden von über 25 Angestellten

Vorausgegangen waren der Entscheidung allerdings schwere Vorwürfe gegen Kipman. In einem "Business Insider"-Artikel über hochrangige Manager bei Microsoft, die trotz zahlreicher Beschwerden praktisch "unantastbar" seien, wurde auch Kipman inkriminiert. Eine Reihe von Mitarbeiterinnen werfen ihm verschiedene Vergehen vor.

Neben toxischem Umgang und anzüglichen Kommentaren soll er etwa Angestellten ohne zu fragen einen VR-Pornofilm vorgespielt haben. Auch soll er Angestellte gegen ihren Willen begrapscht haben. Eine ehemalige Mitarbeiterin erzählte, dass sie den Wechsel ins Homeoffice aufgrund der Pandemie "traurigerweise als Segen" empfunden hatte, da sie so nicht mehr persönlich im Büro mit Kipman interagieren musste. Mehr als 25 Personen steuerten Beschwerden für einen internen Bericht bei. Microsoft wollte die Angelegenheit nicht kommentieren.

Turbulente Zeiten für Hololens

Zu Jahresbeginn war auch über chaotische Zustände in der Hololens-Entwicklung berichtet worden. Demnach hätten alleine 2021 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Team verlassen, 40 davon seien zum Konkurrenten Meta (vormals Facebook Inc.) gegangen. Ob die dritte Generation der Hololens fertiggestellt werde, sei zumindest fraglich. Kipman reagierte auf die Berichte mit der Aussage, dass man nicht alles glauben solle, was im Internet zu lesen sei.

Microsoft hatte von der US Army einen Auftrag für AR-Brillen in der Höhe von fast 22 Milliarden Dollar bekommen. In einer Evaluierung im April hatte das Militär noch die Befürchtung geäußert, dass die Brillen von den Soldaten möglicherweise nicht gut angenommen werden könnten. Laut Guthrie erhielt Microsofts Entwicklung bei einem Feldtest im Mai jedoch positives Feedback. (gpi, 8.6.2022)