In der Wiener Spittelau wird Müll verbrannt, die daraus gewonnene Energie in das städtische Fernwärmenetz eingespeist.

Foto: schedl

Mitgehangen, mitgefangen. Wer in Österreich an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, muss sich auf teils kräftige Preisschübe einstellen. Besonders in Städten, wo viel Gas zur Generierung der Fernwärme eingesetzt wird, heben die Preise ab. Die Fernwärme Wien etwa, die zum stadteigenen Energieversorger Wien Energie gehört, will den Preis mit Beginn der kommenden Heizsaison ab Oktober fast verdoppeln.

Ganz überraschend kommt die Verteuerung nicht, der Zeitpunkt ist aber mehr als heikel. Rund 440.000 Haushalte sind in Wien an das Fernwärmenetz angeschlossen, es ist eines der größten zusammenhängenden Netze Europas und soll weiter stark ausgebaut werden. Gerade im Hinblick auf das bundesweit angedachte vorzeitige Ende der Gastherme, die mit Abstand meist verbreitete Heizform in der Bundeshauptstadt, ist der Fernwärme eine besondere Rolle zugedacht.

Fernwärme statt Gastherme

Überall dort, wo es zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten möglich ist, soll Fernwärme Gasthermen ersetzen – im Neubau möglicherweise bereits ab kommendem Jahr, in Bestandsgebäuden Schritt für Schritt. Ebenfalls eine wichtige Rolle wird in der Bundeshauptstadt der Luftwärmepumpe eingeräumt. Installiert am Dach, soll diese Wasser aufheizen und mittels im Kamin verlegter Rohre in die Wohnungen führen. Damit könnte die Infrastruktur der Gastherme genutzt werden, und das ohne große Stemmerei.

Die nun angekündigte kräftige Preiserhöhung, die noch von der amtlichen Preiskommission genehmigt werden muss, mag den einen oder anderen Mieter, die eine oder andere Hauseigentümerin wohl abschrecken, sich für einen Fernwärmeanschluss zu entscheiden. Zumal es auch keine Wechselmöglichkeit zu einem vielleicht günstigeren Anbieter gibt wie bei Strom oder Gas.

Viel teures Gas

Dass der Preissprung in Wien so deutlich ausfällt, hat mit dem vergleichsweise hohen Anteil von Gas zu tun, das noch immer zur Herstellung der Fernwärme eingesetzt wird. 60, in manchen Jahren sogar 65 Prozent der Wiener Fernwärme werden in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) und eigenen Heizkraftwerken erzeugt, die mit Gas laufen. Im Fall der KWK-Anlagen wird neben Wärme auch Strom produziert. Der Rest, 35 bis 40 Prozent der Fernwärme, wird in Wien durch Verbrennen von Müll und Biomasse gewonnen. Weil die Gaspreise in den vergangenen Monaten stark gestiegen sind – erst durch das Wiederanspringen der Konjunktur nach Corona, dann durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine –, sei Wien Energie zum Handeln gezwungen, heißt es.

Für einen Durchschnittshaushalt verteuert sich die Fernwärme in Wien um rund 45 Euro pro Monat, zumal nicht nur der Arbeitspreis, sondern auch der Grundpreis angehoben werden soll. Zuletzt sind die Preise für Fernwärme in Wien im Jahr 2016 angehoben worden, damals um rund zwölf Prozent.

Anders als etwa Verbund oder EVN profitiert Wien Energie derzeit nicht von den hohen Strom- und Gaspreisen – im Gegenteil. Wegen der vergleichsweise geringen Eigenerzeugung von Wasserkraft oder neuen erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne muss Wien Energie Strom und vor allem Gas zum Betrieb der Kraftwerke teuer zukaufen.

Auch andere Netzbetreiber erhöhen

Teurer wird der Bezug von Fernwärme auch in anderen Bundesländern, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie in Wien. Das hat damit zu tun, dass in Tirol, Steiermark oder Kärnten mehr Biomasse, insbesondere Holzabfälle verheizt werden – Energie, die dann in die Nah- oder Fernwärmenetze eingespeist wird. Der Preis für Holz, auch für Abfälle, ist zuletzt zwar auch gestiegen, aber bei weitem nicht so stark wie der von Gas. Auch Logistik- und Personalkosten sind gestiegen.

In Tirol ist für den Großraum Innsbruck der Landesenergieversorger Tigas zuständig. Tigas erhöht einmal im Jahr die Preise, immer zum 1. Jänner. Heuer wurde der Fernwärmetarif um 13,2 Prozent angehoben – eine "rein statistische Anpassungen", wie man zu sagen bemüht ist. Die nächste Erhöhung kommt am 1. Jänner 2023. Tirol hat einen Gasanteil in der Fernwärme von "nur" 32 Prozent. 68 Prozent sind regenerative Wärmequellen, Biogas und vor allem industrielle Abwärme. Deshalb sei eine unterjährige Erhöhung nicht notwendig.

Bei der Linz AG weist man auf Anfrage des STANDARD darauf hin, dass man den günstigsten Fernwärmetarif Österreichs habe. Im Sommer werde zwar eine Anpassung erfolgen, diese werde aber "deutlich weniger als ein Drittel des Wiener Niveaus" haben, heißt es. Der Gasanteil bei der Fernwärmeerzeugung in Linz beträgt rund 60 Prozent. 2019 hat es in Oberösterreichs Landeshauptstadt die letzte Preiserhöhung gegeben, damals lag das Plus bei sieben Prozent.

Salzburg beobachtet noch

In Graz, Österreichs zweitgrößter Stadt, gibt der dortige Fernwärmeversorger Energie Graz vorerst Entwarnung. "Es sind nach der Preiserhöhung von 30 Prozent im heurigen März aktuell keine Preisanpassungen geplant", sagt Unternehmenssprecher Hannes Lindner. Allerdings sei Graz auch abhängig vom Hauptlieferanten, der Energie Steiermark. Dort beruhigt Konzernsprecher Urs Harnik: "Wir beobachten den Markt sehr genau und sind von den Entwicklungen ebenso betroffen. Momentan haben wir aber keine Preisanpassungen in der Pipeline." Das könne sich natürlich bei einer weiteren Verschärfung der Energiemarktsituation ändern.

Die Salzburg AG beobachtet die Lage auf den Energiemärkten kontinuierlich. "Aktuell befinden wir uns dazu in einem internen Evaluierungsprozess, der auch die Entwicklung der einzelnen Kostenbestandteile der Fernwärme beinhaltet", heißt es bei der Salzburg AG. Im Fernwärmenetz Salzburg-Hallein, beim Wärme-Direkt-Service und bei den Netzen mit dem Tarif "Land Salzburg" (Bramberg, Radstadt und Bruck) gab es zuletzt Anfang August 2021 eine Preiserhöhung um knapp sechs Prozent.

Bei den Netzen in Altenmarkt, Bergheim, Fusch, Golling, Neumarkt am Wallersee und Saalfelden fand die jährliche Anpassung laut vereinbarter Indexierung Anfang 2022 statt. Hier gab es größtenteils Preissenkungen von bis zu –1,95 Prozent. In einigen Regionen wurde der Preis um maximal 3,46 Prozent erhöht. (Günther Strobl, Joseph Gepp, Steffen Arora, Walter Müller, Stefanie Ruep, 8.6.2022)