In Bosnien umstritten: Christian Schmidt, der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina.

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Am Dienstag hat der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina die Finanzierung der Wahlen am 2. Oktober mit 12,5 Millionen Mark (6,4 Millionen Euro) durch eine Entscheidung sichergestellt. Bereits am 19. Mai lief die Frist zur Finanzierung der Wahlen aus, weil das Finanzministerium, geführt durch einen Politiker der kroatisch-nationalistischen HDZ, Vjekoslav Bevanda, nicht rechtzeitig den Urnengang budgetiert hatte.

Die HDZ hatte zuvor versucht, die Wahlen zu verschieben, weil sie ein Wahlgesetz nach ihren Vorstellungen durchbringen wollte, für das es allerdings keine Mehrheiten im Parlament gibt. Für diese Version des Wahlgesetzes war vor allem von kroatischen Politikern in der EU lobbyiert worden, was in der Folge dazu führte, dass sogar EU-Vertreter die Agenda der HDZ vertraten. Die HDZ war offensichtlich sehr enttäuscht, dass sie ihre politischen Ziele nicht erreicht hat.

Too little too late

Schmidt hatte in den vergangenen Wochen wiederholt dafür geworben, dass der Ministerrat die Finanzierung sicherstellt, damit er nicht die Bonner Befugnisse einsetzen muss. Doch als dies auch bis zum Montag nicht geschehen war und nur eine unzureichende und sehr komplizierte Finanzierung budgetiert wurde, griff Schmidt ein. "Die Sicherstellung der Wahlvorbereitungen war nicht rechtzeitig erfolgt. Es war too little too late", sagte Schmidt zum STANDARD.

Schmidt hatte im Vorfeld seiner Entscheidung noch mit dem Finanzministerium und der Zentralen Wahlkommission gesprochen. Interessant ist, dass insbesondere jene zwei Millionen Mark nicht budgetiert worden waren, die für die Wahlkommission notwendig sind, um sicherzustellen, dass die Wahlvorstände, die sich am Wahltag krankmelden, durch professionelle und neutrale Kräfte ersetzt werden können. In der Vergangenheit hatten sich nämlich immer wieder Wahlvorstände kleinerer Parteien plötzlich krankgemeldet, woraufhin Vertreter größerer Parteien ihre Leute schickten, was zu einem erhöhten Wahlmanipulationsrisiko führte.

Wahlmanipulationen verhindern

Schmidt hat durch seine Entscheidung demnach auch für mehr Transparenz und Prävention von Wahlbetrug gesorgt. Zudem stellte er rechtlich sicher, dass in Zukunft nie mehr bosnische Politiker die Finanzierung der Wahlen unterlaufen können. "Das Geld muss in Zukunft bereitgestellt sein", so Schmidt.

Der pro-russische Nationalist und Chef der SNSD Milorad Dodik reagierte auf die Entscheidung von Schmidt mit der Forderung, dass dieser aus Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden sollte. Dodik und Russland anerkennen den Hohen Repräsentanten nicht. "Alle seine Handlungen sind null und nichtig", sagte Dodik und meinte Schmidt solle wegen eines Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung des Landes nach dem Ausländerrecht abgeschoben werden. Dodik ist eng mit der derzeitigen Führung im Kreml in Verbindung, er wird aber auch von der Regierung in Serbien unterstützt.

"Protektorat"

Kritik an Schmidts Entscheidung gab es auch von der Kroatischen Nationalversammlung, einer Organisation kroatischer Parteien in Bosnien-Herzegowina. Schmidt habe durch seine Entscheidung die Souveränität des Staates aufgehoben, hieß es. Durch die Auferlegung von Entscheidungen von Ausländern werde Bosnien und Herzegowina kein funktionalerer oder demokratischerer Staat, und das Amt des Hohen Repräsentanten entferne Bosnien und Herzegowina von der EU und führe es in ein Protektorat, so die Versammlung.

Diskriminierung von Individuen aufgrund von Gruppenrechten

Die Kritik war zu erwarten gewesen, zumal die HDZ in Bosnien-Herzegowina für die Obstruktion der Wahlfinanzierung verantwortlich war. Politisch ist die HDZ mit der ebenfalls nationalistischen SNSD von Milorad Dodik verbündet. Die Nationalisten in Bosnien-Herzegowina fördern völkische Vorstellungen und Gruppendenken. Sie wollen die Rechte der jeweiligen Volksgruppen noch vergrößern, die Rechte der einzelnen Bürger aber nicht ausbauen, obschon einzelne Bürger in Bosnien-Herzegowina wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zu privilegierten Gruppen diskriminiert sind. Dieser Grundkonflikt ist auch in der Verfasstheit des Staates angelegt, in der starke Gruppenrechte verankert sind.

Der Hohe Repräsentant wird von manchen EU-Vertretern zudem als Konkurrenz gesehen, manche Kräfte innerhalb der EU wollen das Amt schwächen oder sogar abschaffen. Sie versuchten im Vorfeld der Entscheidung auch zu verhindern, dass Schmidt seine Befugnisse anwendet. Vor allem die italienische Botschaft in Sarajevo intervenierte. Angesichts der Gefährdung, die von den mit dem Kreml verbundenen Nationalisten im Land ausgeht, ist der Hohe Repräsentant allerdings dazu verpflichtet einzuschreiten, zumal andernfalls das Friedensabkommen in Bosnien-Herzegowina gefährdet wäre. (Adelheid Wölfl, 9.6.2022)