Möglicherweise peinlich: Wenn der Vater auf den Baum klettert und so tut, als sei er ein Vogel.

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"Von der Mutter lernen wir zu leben, vom Vater lernen wir zu sterben", schrieb Philosoph Björn Vedder in seinem Essay Väter der Zukunft. Den Umgang mit Verzicht, mit Verlust, den solle man künftig vom Vater lernen, meint er damit. Und schlägt Risse in die Mauern des Patriarchats, das die kindliche Erziehung jahrzehntelang mitgeprägt hat. Väter sind heute nicht mehr das, was sie einmal waren. Und das ist, so seine Einschätzung, gut so.

An eine andere Art von Vater erinnert sich auch Christian Futscher in seinem Buch Mein Vater, der Vogel. Es sind kleine Erinnerungen, nicht immer vollständig, manchmal nur noch in Fetzen vorhanden, lückenhaft, die Futscher nach dem Ableben seines Vaters zu Papier bringt. "Ich war überrascht, wie viel mir eingefallen ist", schreibt er in seinem Vorwort.

Christian Futscher, "Mein Vater, der Vogel". 20,– Euro / 112 Seiten. Czernin-Verlag, Wien 2021
Cover: Czernin

Die Geschichten erzählen von einem Mann, der, entgegen dem von Vedder angeprangerten Bild des Vaters, sich für keinen Spaß zu schade ist. Der es sich zur Hauptaufgabe gemacht hat, seine Familie zum Lachen zu bringen, sie manchmal auch vor lauter Peinlichkeit im Boden versinken zu lassen.

Bereits in der ersten Geschichte erzählt Futscher, an einem seiner Kindergeburtstage sei sein Vater auf einen Baum geklettert und habe so getan, als sei er ein Vogel. "Als er endlich wieder unten war, sagte ich: ‚Wenn du noch einmal lustig bist, dann bringe ich mich um.‘ Er hat nicht aufgehört, lustig zu sein. Und ich lebe immer noch."

Mehr Kind als der Sohn

Futschers Beschreibungen lassen einen an den eigenen Vater zurückdenken. Vor allem an die Situationen, in denen man sich geschämt, Freundinnen und Freunde sich aber krummgelacht haben. War man zu streng mit dem eigenwilligen Humor seines Vaters? Ist man mit fortschreitendem Alter nicht ein und dieselbe Person geworden? Manchmal ist der Vater mehr Kind als der Sohn.

Das trifft wohl auch auf Ewald Arenz und sein Buch Meine kleine Welt zu. Während Mein Vater, der Vogel aus der Sicht des Sohnes erzählt ist, beschreibt Arenz den Alltag aus der Sicht eines Ehemanns und dreifachen Vaters, Heinrich – ungeschönt und herrlich witzig.

Ewald Arenz, "Meine kleine Welt". 20,90 Euro / 215 Seiten. Ars Vivendi, Cadolzburg 2022
Cover: Ars Vivendi

Im Gegensatz zu Futscher nimmt sich Arenz mehr Zeit und Platz für seine Geschichten. Das ist auch notwendig, schließlich wird hier nicht nur die Dynamik einer besonderen Vater-Sohn-Beziehung aufgezeigt, sondern die einer fünfköpfigen Familie. Da geht es hin und her, drunter und drüber, eine Zeitlang versinkt alles im Chaos, in den meisten Fällen endet es happy.

Als Beispiel sei der Ausflug in den Zirkus hergenommen. Für Heinrich ein Ort voller schöner Kindheitserinnerungen, für seine drei Kinder, bis auf den Kleinsten, der sich schon beim hinfallenden Clown halb totlacht, ein absoluter Reinfall.

Voller Klischees

Besonders die gerade in der Pubertät steckende Tochter würde überall lieber sein, vor allem vor ihrem Computer mit Sims, als hier. Im Endeffekt ist es der Clown selbst, der einen immer weiter eskalierenden Streit zwischen den beiden verhindert. "Und als am Schluss der Vorstellung Philly und Otto gemeinsam auf einem Kamel reiten durften, das Theo führte, war der Zirkus doch noch so geworden wie in meiner Kindheit."

Ja, Arenz’ Buch steckt voller Klischees. Erzählt dann eben auch wieder Geschichten, die dem entgegenstehen. Zum Beispiel, wenn die beiden Kinder Theo und Philly Pizza ausliefern, um ihren Eltern eine Flasche Champagner nach einem katastrophalen Abend beim neuen Italiener zu spendieren.

Die Väter der beiden Bücher sind kaum zu vergleichen. Und das macht sie so kompatibel. Das Klischee des strengen Vaters, der keinen Humor besitzt, wenig Liebe zeigt und mit harter Hand den Haushalt anführt, wird nicht bedient. So wie die Rolle des Mannes sich in der Gesellschaft verändert, folgt ihr die des Vaters. Und er wird zu mehr gebraucht als nur zum Sterben-Lernen. (Thorben Pollerhof, ALBUM, 12.6.2022)