Exklusiver Marktzugang: Die ÖBB und die ČD stehen unter Verdacht, zwischen 2012 und 2016 einen "kollektiven Boykott" zugunsten ihrer Marktposition betrieben zu haben.

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Brüssel – Die ÖBB und die tschechische Bahn České dráhy (ČD) sind wegen des Verdachts auf Preisabsprachen ins Visier der EU-Wettbewerbsbehörden geraten. "Die EU-Kommission prüft derzeit, ob sie Absprachen auf dem Markt für gebrauchte Schienenpersonenwagen getroffen haben", teilte die Behörde am Freitag mit. Eine entsprechende Mitteilung sei an die beiden Schienenverkehrsbetreiber ergangen.

Die EU-Kommission habe "vorläufig festgestellt, dass ÖBB und ČD gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben, und zwar durch Absprachen, die einem neuen Marktteilnehmer, Regiojet, den Zugang zu gebrauchten Schienenpersonenwagen erschweren und den Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr einschränken sollten", erklärte die für Wettbewerb zuständige geschäftsführende Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager.

"Kollektiver Boykott"

Konkret trat das tschechische Eisenbahnunternehmen Regiojet der Aussendung zufolge 2011 in den Schienenpersonenverkehr ein und setzte weitgehend auf gebrauchte Züge. Die EU-Kommission wirft nun ÖBB und ČD vor, zwischen 2012 und 2016 einen "kollektiven Boykott" betrieben zu haben, um ihre Marktposition zu erhalten.

Sollte sich "die vorläufige Auffassung" der EU-Behörde bestätigen, würde das Verhalten von ÖBB und ČD gegen Unionsrecht verstoßen, heißt es in der Aussendung. Die ÖBB wollte sich dazu inhaltlich nicht äußern, da es sich um ein "laufendes Verfahren" handle. Man sei aber an einer Aufklärung interessiert und kooperiere mit der EU-Kommission, teilte die ÖBB mit. ČD bestritt auf Anfrage der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, Kartellabsprachen getroffen zu haben. Man werde die Vorwürfe der EU-Kommission sorgfältig prüfen und dann dazu Stellung nehmen, sagte Unternehmenssprecherin Vanda Rajnochová.

RegioJet-Eigentümer Radim Jancura sagte, er werde das Ende der Ermittlungen abwarten und dann eine Entschädigung beantragen. Sollte die Europäische Kommission zu dem Schluss kommen, dass ausreichende Beweise für verbotene Absprachen vorliegen, könnte sie gegen die Unternehmen eine Geldstrafe von bis zu 10 Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Laut dem Jahresbericht von CD beliefen sich die Gesamteinnahmen des Unternehmens im Jahr 2021 auf 37,8 Mrd. Kronen. (1,53 Mrd. Euro). Der Konzernumsatz der ÖBB betrug 4,36 Mrd. Euro. (APA, 10.6.2022)