Legendär und minutiös vorbereitete Abhöraktion in "The Wire".

Foto; imago images/Everett Collection

Dominic West als Jimmy McNulty in "The Wire".

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Die hervorragende Polizistin Kima Greggs (Sonja Sohn) gehörte zur Spezialeinheit von "The Wire", von Drogenbossen gefürchtet, bei den Obrigkeiten alles andere als beliebt.

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Tragischer Tod von Michael K. Williams, hier als Omar Little.

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Als The Wire im Juni 2002 zum ersten Mal im Kabelfernsehen auf Sendung ging, ahnte niemand, was daraus werden würde. Die ersten Reaktionen waren durchaus gemischt, die Quoten unterdurchschnittlich. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis das Publikum erkannte, dass sie Zeugen von Fernsehgeschichte wurden. The Wire gilt bis heute als beste Serie der Welt. Selbst in Zeiten der Streaming-Massenproduktion macht ihr diese Position niemand streitig.

Frage: Was ist "The Wire" und worum geht es?

Antwort: The Wire, geschrieben und koproduziert vom ehemaligen Polizeireporter David Simon, ist eine Crimeserie, die in Baltimore, Maryland, spielt und zwischen 2002 und 2008 im amerikanischen Abokanal HBO lief.

Frage: In Rankings der besten Serien ist "The Wire" so gut wie immer auf Platz eins. Was ist so gut daran?

Antwort: Alles. Ausgehend von einer detailreichen Schilderung der Drogenkriminalität in Baltimore und wie Polizisten in oberen und unteren Etagen ihrer Herr werden wollen, entspinnt sich eine Geschichte über mehrere parallel erzählte Handlungsstränge. Jede Staffel deckt einen anderen Bereich der Stadt ab: Kriminalität, Gewerkschaft, Bildung, Kommunalregierung und Medien. Durchgängiges Motiv ist die Korruption in den Institutionen quer durch alle Ämter. Beispiel: Wer Bürgermeister werden will, fälscht Kriminalstatistiken. Die Storys werden sehr dicht und in reportagehaftem Stil erzählt. Insgesamt ergibt das ein komplexes und doch anschauliches Bild des gesellschaftlichen und sozialen Lebens in den USA mit seinen systemimmanenten Schwächen. Dieses Bild einer Mentalität hat gewissermaßen heute noch Gültigkeit. The Wire ist der gültige Roman unserer Epoche.

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Frage: Okay, aber was macht die Serie so besonders?

Antwort: Bis zum Jahr 2002 waren Fernsehserien in Aufbau und Struktur bis auf wenige Ausnahmen – Twin Peaks etwa – einfach kürzere Spielfilme, mehrheitlich mit abgeschlossenen Geschichten. The Wire gilt als Pionier der modernen Serienerzählung mit epischem Charakter. Die Geschichten ziehen sich über die gesamte Staffel, jede Folge gleicht einem Kapitel. Es gab nicht nur eine, sondern unglaublich viele Handlungsstränge, mehr als 200 handlungsentscheidende Figuren. Diversität trug sie in ihren Genen.

Frage: Wer behält da den Überblick?

Antwort: Zumindest zwei, David Simon und sein Partner Ed Burns, Ex-Cop in Baltimore. Mit Serien wie Homicide: Life on Street und The Corner war der Boden bereitet.

Frage: Wie waren die Quoten?

Antwort: Mau. Der Spitzenwert einer Staffel belief sich auf vier Millionen Zuschauer, die letzte Staffel kam gar nur noch auf eine Million. Erst später im DVD-Handel wurde die Serie ein Hit. Der wöchentliche Ausstrahlungsrhythmus widersprach der Erzählform. Binge-Watching war noch nicht erfunden. Weitere Kuriosität: Für einen der renommierten Emmy-Awards hat es nie gereicht.

Frage: Wer spielte mit, und was wurde aus ihnen?

Antwort: Dominic West war Jimmy McNulty, Cop in einer Spezialeinheit gegen die Drogendealer der Stadt. Serienschauerinnen kennen und mögen ihn aus der Spitzenserie The Affair. Seine Kollegin Kima Greggs (Sonja Sohn) setzte ihre Filmkarriere fort, engagierte sich gegen Korruption in Baltimore. Wendell Pierce und Clarke Peters sah man in weiteren Serien von David Simon, etwa Treme. Idris Elba und Aidan Gillen machten Weltkarrieren. Tragisch war der Tod von Michael K. Williams. 2021 wurde Williams, der den schillernden Drogenkönig Omar Little spielte, in seinem Appartement tot aufgefunden. The Wire beschäftigte aber auch viele Laiendarsteller von der Straße. Deren Schicksal ist nur teilweise nachverfolgbar.

Frage: Welche Serien hat "The Wire" beeinflusst?

Antwort: Die Serie gab den Anstoß zum goldenen Zeitalter der Fernsehserien in den 2000er-Jahren mit Mad Men und Breaking Bad. Ihr Einfluss reicht aber weiter: von Game of Thrones und Gomorrha bis zu Narcos, True Detective und Peaky Blinders – um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Frage: Wie geht’s Baltimore heute?

Antwort: Die Baltimore Sun führt auf ihrer Homepage eine Mordstatistik. Allein in den letzten 30 Tagen gab es 31 Morde im Großraum der Stadt. 2021 starben 338 Menschen eines gewaltsamen Todes. Baltimore ist noch immer Drogenhotspot und Problemzone. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass, wie in der Serie vorgezeigt, tatsächlich Mordstatistiken gefälscht wurden. Der Westteil der Stadt ist in der Hand brutaler Drogenkartelle. Ein Autor von The Wire sagte, man könne die Serie heute genauso wieder machen.

Frage: Wo kann ich das sehen?

Antwort: Auf Sky und DVD. Wer sich überzeugen will, dass The Wire nichts an Wahrhaftigkeit verloren hat, schaut am besten David Simons und Ed Burns’ neue Serie We Own This City – wieder über Baltimore, derzeit auf Sky. (Doris Priesching, 11.6.2022)

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