Raiffeisen-Zentrale in Wien: Welche Geschäfte macht das Finanzinstitut in Bosnien?

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Von Albanien bis Belarus, von Ungarn bis Russland: Die Raiffeisen Bank International (RBI) mit Zentrale in Wien-Landstraße ist in Europas Osten vorn dabei. Auch in Bosnien-Herzegowina verfügt die RBI über knapp hundert Filialen. Dort trägt sie den Namen Raiffeisen bank d.d. Bosna i Hercegovina.

Wie DER STANDARD herausgefunden hat, deutet manches darauf hin, dass diese bosnische Raiffeisen-Tochter über einen illustren Kundenkreis verfügt. Er reicht – darauf gibt es zumindest deutliche Hinweise – bis in die höchsten politischen Kreise Russlands.

Eine luxemburgische Firma namens Haden

Es geht um eine Firma namens Haden S. A. mit Sitz in Luxemburg, Route de Longwy 241 (das Kürzel S. A. steht für AG). Über diese Haden S. A. weiß man so gut wie nichts. Eine Website existiert nicht; ein Kontakt war für den STANDARD nicht aufzutreiben. Eines aber ist bekannt: Haden macht Geschäfte im Pharmasektor von Bosnien. Beispielsweise hielt das Unternehmen in den vergangenen Jahren Anteile am größten Pharmakonzern Bosniens, Bosnalijek mit Sitz in der Hauptstadt Sarajevo. Bosnalijek produziert unter anderem Generika für den russischen Markt.

Wenn Haden derartige Geschäfte macht, ist stets auch die bosnische Raiffeisen-Tochter nicht weit. Raiffeisen fungiert als eine Art Hausbank und Geschäftspartner von Haden und managt deren Börsendeals, wie unter anderem aus Verlautbarungen der Börse von Sarajevo hervorgeht. Beispielsweise verkaufte im Jahr 2019 Haden Anteile an Bosnalijek "auf Antrag der Raiffeisen bank d.d. Bosna i Hercegovina", so die Website der Börse von Sarajevo. Im gleichen Jahr kaufte Raiffeisen zehn Projekte der Bosnalijek-Aktien von Haden. Man dürfte einander also gut kennen.

Ominöser Raiffeisen-Kunde

Wer aber ist der ominöse Raiffeisen-Partner Haden? STANDARD-Recherchen in Firmenbüchern führen zu keinen Ergebnissen. Wohl aber findet sich Haden in den "Offshore Leaks", einer Datenbank geleakter Informationen über Briefkastenfirmen weltweit. Demnach steht hinter Haden ein Russe georgischer Herkunft: Omar Gurtskaya, laut internationalen Medienberichten ein Pharmaunternehmer.

Doch ist Gurtskaya wirklich der Mann hinter Haden? Aufdeckerjournalisten aus mehreren Ländern bezweifeln dies. Er sei nur ein Strohmann, berichten sie. In Wahrheit stehe ein russischer Oligarch mit besten Kontakten in den höchsten politischen Führungszirkeln hinter Haden: Sergej Matwijenko, geboren 1973, aus St. Petersburg, angeblich Milliardär, im Lauf seiner Karriere Finanz-, Immobilien- und Pharmaunternehmer.

Der Sohn der Parlamentspräsidentin

Sergej Matwijenko ist der Sohn von Walentina Matwijenko, einer der mächtigsten politischen Akteurinnen in Russland hinter Präsident Putin. Sie hat seit 2011 das formal dritthöchste Amt im Staate inne, sie ist Vorsitzende des Föderationsrats, des Oberhauses des Parlaments. Sie ist also eine Art Parlamentspräsidentin. In der EU und den USA steht Walentina Matwijenko bereits seit 2014, als die Krim annektiert wurde, auf der Sanktionsliste. Ihr Vermögen im Ausland ist gesperrt.

Höchste politische Kreise: Walentina Matwijenko bei der Siegesparade in Moskau Anfang Mai.
Foto: MAXIM SHIPENKOV/epa

Walentina Matwijenko äußert sich auch gerne zu Bosnien. Die Politikerin möchte das tief gespaltene Land – Serben, Kroaten und muslimische Bosniaken liegen im Dauerstreit miteinander – auf Russlands Seite ziehen. "Wir sind in allen Bereichen interessiert, unsere Beziehungen mit Bosnien-Herzegowina zu vertiefen", sagte Matwijenko bei einem Staatsbesuch in Sarajevo 2018. "Wir schätzen sehr, dass Bosnien den Sanktionen gegen Russland eine entschiedene Absage erteilt", sagte sie in Bezug auf die Sanktionen nach der Krim-Annexion.

"Ein offenes Geheimnis"

"In Moskau ist es ein offenes Geheimnis, dass Sergej Matwijenko hinter Haden steht", behauptet ein Kenner der russischen Geschäftswelt. Hingegen sei die Eigentümerschaft von Omar Gurtskaya nur vorgeschoben. Ähnliche Informationen finden sich in Medien mehrerer Länder. So schrieb die britische Journalistenplattform "Open Democracy" im Jahr 2015, Gurtskaya kooperiere "ganz offensichtlich mit Sergej Matwijenko". Ebenfalls berichteten die russischen Tageszeitungen The Moscow Post und Vedomosti 2020 und 2021, unter anderem unter Berufung auf Quellen aus dem Pharmasektor, dass Haden mutmaßlich von Matwijenko kontrolliert werde. Schließlich schreibt unter anderem die estnische Tageszeitung Postimees von einer Partnerschaft Gurtskayas und Matwijenkos bei Immobilienprojekten in Estland.

An dieser Stelle sei betont: Matwijenkos Eigentümerschaft an Haden ist nicht bewiesen. Wie so oft im Fall russischer Oligarchen lässt sich nicht herausfinden, wer die wahren Besitzer letztlich sind; zu verschachtelt sind deren Firmengeflechte und Treuhandkonstrukte.

"Alles eingehalten"

Zurück zur RBI: Sie müsste eigentlich genau wissen, wer ihre Geschäftspartner sind. Denn Banken sind verpflichtet, eine exakte Überprüfung der Eigentümerschaft vorzunehmen, nicht zuletzt wegen der Gefahr von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Besonders strikte Kontrollpflichten gelten bei sogenannten "politisch exponierten Personen" (PEP). Dabei handelt es sich um Politiker und Politikerinnen sowie um deren nahe Verwandte. Geschäfte von Banken mit PEP müssen generell streng analysiert werden. Denn in der Vergangenheit ist es mitunter vorgekommen, dass Gelder aus korrupten Machenschaften mittels Banken in den regulären Geldkreislauf eingeschleust worden sind.

Eine Raiffeisen-Filiale in Russland samt russischer Fahne.
Foto: Maxim Shipenkov/epa

Erfolgte nun bei den Geschäften der bosnischen Raiffeisen mit Haden eine derartige PEP-Prüfung? Falls ja – was hat sie ergeben? Kennt die Raiffeisen die wahren Hintermänner von Haden? All das hätte DER STANDARD gern von der RBI-Zentrale in Wien erfahren. Allein es gab kaum Antworten. "Aufgrund des Bankgeheimnisses" seien nur allgemeine Auskünfte möglich, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme eines Sprechers. Die da wären: Die RBI nehme "Geldwäscheprävention sehr ernst". Man habe sich verpflichtet, "die Anzahl der Offshore-Kunden deutlich zu reduzieren". Man gehe "keine neuen Geschäftsbeziehungen mit Kunden ohne einwandfreien Ruf ein". Und: "Wir betonen ausdrücklich, dass regulatorische und steuerrechtliche Vorgaben bei all unseren Geschäftsbeziehungen eingehalten werden." (Joseph Gepp, 11.6.2022)