Die New Yorkerin Grace Ives macht DIY-Pop mit Ecken und Kanten.

Foto: Logan White

Grace Ives – Janky Star

Die Aufmerksamkeitsspanne der New Yorkerin Grace Ives dürfte nicht die längste sein. Viele ihrer Songs bleiben unter drei Minuten, auch auf ihrem neuen Album Janky Star. Mit dem Miniaturformat machte sich schon die Experimental-Rapperin Tierra Whack einen Namen. Auch Ives bringt wie die Kollegin in wenig Zeit sehr viel Experimentierfreudigkeit und Quirligkeit unter. Auf Win Win trifft zum Beispiel ein D-’n’-B-Beat auf eine Computerspiel-Melodie. Ives ist aber auch von Popharmonien fasziniert und zollt ihnen mit ihrem Indie-DIY-Zugang Tribut. Frisch und einnehmend.

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Angel Olsen – Big Time

Der Tag, an dem Angel Olsen ein schlechtes Album macht, muss erst kommen. Während ihr großer Wurf All Mirrors von 2019 eher im Bereich des Dream- Pop angesiedelt war, widmet sich Olsen nun einer Musikrichtung, die die Songwriterin stark beeinflusst hat: Country. Big Time ist aber nicht nur eine Hommage an das Genre, Olsen schafft es, ihr persönliches Erleben – beide Eltern verstarben 2021, außerdem outete sich die Musikerin als queer – in zeitlose und angenehm reduzierte Songs zu gießen. Um zu Tränen zu rühren, braucht Olsen keinen Pomp. Ein Album für den Herbst.

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Kenji Araki – Leidenzwang

Deconstructed Club Music mag nicht so zugänglich sein wie Smooth Jazz, wer sich aber etwas eingängiger mit dieser dystopiefreundlichen Musikrichtung aus digitaler Kälte und Weltschmerz beschäftigt, muss erkennen, dass Kenji Araki, gerade mal Anfang zwanzig, mit seinem Debütalbum Leidenzwang ein Meisterwerk des jungen Genres vorgelegt hat. Der Österreicher mit japanischen Wurzeln vergisst neben all dem Auseinandernehmen nicht darauf, ziemlich berührende Melodien in seine fantastisch-verstrahlten Soundlandschaften einzuflechten. Brutale Fragilität.

Affine Records

(Amira Ben Saoud, 13.6.2022)