Mit Heritage BiCompax Annual Hometown Editions möchte Carl F. Bucherer vor allem lokale Kundinnen und Kunden ansprechen. Im Bild zu sehen ist die auf 88 Stück limitierte Wiener Ausgabe der Kollektion.

Foto: Carl F. Bucherer

Königsdsiziplin: Die Manero Minute Repeater Symphony verfügt über einen peripheren Aufzug und ein schwebendes Tourbillon und wartet mit einer Minutenrepetition mit peripher gelagertem Regulator auf.

Foto: Carl F. Bucherer

Uwe Liebminger, Jahrgang 1978, ist seit April 2020 für das globale Marketing und die Produktentwicklung von Carl F. Bucherer verantwortlich. Im Juli übernimmt er, nach dem Abgang von Sascha Moeri, interimistisch den Chefposten der Luzerner Uhrenmarke. Liebminger verfügt über eine mehr als zehnjährige, umfassende Expertise in der Uhrenbranche in verschiedenen Führungsfunktionen im In- und Ausland bei IWC und Breitling.

Foto: Carl F. Bucherer

Bei Carl F. Bucherer, einer der wenigen Schweizer Uhrenmarken, die noch von der Gründerfamilie geführt werden, beginnt ein neues Kapitel: Uwe Liebminger, seit April 2020 für das globale Marketing und die Produktentwicklung verantwortlich, übernimmt ab Juli interimistisch das Ruder von Ex-CEO Sascha Moeri. Liebminger, früher bei IWC und Breitling tätig, hat in den letzten Monaten federführend an der Auffrischung und Modernisierung der Modellpalette gearbeitet. Wir haben ihn in der Wiener Boutique des Großjuweliers Bucherer zu einem Uhrentalk getroffen.

STANDARD: Carl F. Bucherer, das klingt nach langer Tradition, nach einer "uralten" Uhrenmarke. Tatsächlich ist die Marke selbst doch erst etwas mehr als 20 Jahre alt. Wie kommt das?

Liebminger: Carl F. Bucherer ist Teil der Bucherer-Gruppe, die kommendes Jahr ihr 135-jähriges Bestehen feiert. Der Retailer Bucherer hat von Anfang an auch eigene Zeitmesser angeboten. 2001 hat Herr Bucherer, der das Unternehmen in dritter Generation leitet, beschlossen, dass der Name seines Großvaters auf dem Zifferblatt jeder Uhr zu sehen ist. Dies war gleichzeitig Tag eins von Carl F. Bucherer als globale, unabhängige Marke mit einer eigenen Uhrenmanufaktur. So wurden aus Bucherer-Uhren Carl-F.-Bucherer-Zeitmesser, die alle bis heute in der eigenen Manufaktur produziert werden. Das ist vermutlich der Grund, warum die Marke noch als sehr jung wahrgenommen wird.

STANDARD: Agiert Carl F. Bucherer auch wie ein junges Unternehmen?

Liebminger: Als Marke schauen wir zwar auf eine über 130-jährige Historie zurück, die uns, unseren Alltag mitprägt. Wir interpretieren und leben aber CFB heute modern, dynamisch und zeitgemäß. Das zeigt sich beispielsweise am Design unserer Uhren. Als familiengeführte Firma können wir schneller solche Entscheidungen treffen als eine Marke, die zu einem Konzern gehört. Das hat uns auch in der Krise geholfen.

STANDARD: Krise ist ein gutes Stichwort: Wie ist es Carl F. Bucherer in den vergangenen zwei Jahren ergangen?

Liebminger: Ähnlich wie anderen Schweizer Uhrenmarken. Es war ein Prüfstein, den es in der Form noch nie gegeben hat. Es war erschütternd hart. Aber wir haben unsere Lehren daraus gezogen. Wir sind in einem Neuorientierungsprozess, wollen in Zukunft ein bisschen frecher auftreten und uns stärker fokussieren.

STANDARD: Von welchen Lehren ist die Rede?

Liebminger: Erlauben Sie mir, mich auf das zu konzentrieren, was kommt. Wir haben gesehen, was funktioniert und was nicht – und entsprechend werden wir unser Schaffen in den Bereichen der Positionierung, der Produkte, im Marketing und in der Marktbearbeitung in der Zukunft ausrichten oder, wie erwähnt, uns noch stärker fokussieren.

STANDARD: China fällt ganz weg?

Liebminger: Im Gegenenteil. China bleibt ein strategischer Markt für uns. Genauso wie es auch die USA und Europa sind und bleiben. Wir streben aber eine ausgeglichenere Balancierung an.

STANDARD: Wieso sind die USA so stark? Inflationsängste?

Liebminger: Ich sehe verschiedene Gründe. Zum einen hat es damit zu tun, dass die amerikanische Kundschaft sehr viel über Uhren weiß und den Markt sowie die Marken versteht. Zum anderen hat die Bucherer-Gruppe 2018 den führenden amerikanischen Uhrenhändler – Tourneau – gekauft. Das führte über Nacht zu bedeutend mehr Präsenz für Carl F. Bucherer und damit zu mehr Aufmerksamkeit für unsere Uhren. Und last but not least treffen wir mit unserem Produktportfolio den Zeitgeist der amerikanischen Kundschaft.

STANDARD: Welche Uhrenmodelle kommen dort besonders gut an?

Liebminger: Wie erwähnt treffen wir in den USA auf viele Uhrenkenner. Entsprechend sind unsere Highendmodelle mit Komplikationen wie dem Tourbillon beliebt. Aber auch unsere Heritage-Kollektion weiß in den USA zu überzeugen. Besonders die BiCompax-Referenzen gefallen mit viel Uhrmacherkunst zu einem sehr fairen und kompetitiven Preis.

STANDARD: Welche Lehren wurden noch aus der Krise gezogen? Ich denke da an den E-Commerce.

Liebminger: Uns war schon immer bewusst, dass es E-Commerce und den stationären Handel braucht: die Möglichkeit, on- und offline einzukaufen. Was wir gesehen haben, war, dass der E-Commerce bei Entscheidungsprozessen immer wichtiger geworden ist. Wir glauben aber auch fest daran, dass es den stationären Handel braucht. Denn eine Uhr im höheren Preissegment will man in der Regel auch anprobieren. Es ist ja auch das haptische Erlebnis, das zum Kauferlebnis beiträgt. Online hilft bei der Entscheidung, der Zeitmesser wird aber meist vor Ort abgeholt und bezahlt. Deshalb bleibt diese Dualität wichtig.

STANDARD: Von manchen Marken ist zu hören, dass 2021 eines ihrer besten Jahre war, was den Umsatz betrifft. Wie stellt sich die Lage bei Carl F. Bucherer dar?

Liebminger: 2020 war ein Schock, 2021 sehen wir als Übergangsjahr. Für heuer sind wir optimistisch, dass wir neuen Schwung aufnehmen können. Ich glaube, dass die Begehrlichkeit nach Schweizer Uhren ungebrochen ist. Wir stellen fest, dass die Kundinnen und Kunden bereit sind, viel Geld für höherpreisige Uhren auszugeben. Immer mehr wollen auch etwas Spezielles. Das ist gut für uns als unabhängige Marke, eine, die nicht laut ist, sondern vor allem durch Qualität und Technologie überzeugt.

STANDARD: Trotz der eher düsteren ökonomischen Aussichten?

Liebminger: Was wir gerade erleben, ist beispiellos für unsere Generation. Das ist nicht hilfreich, um Investitionen zu tätigen: Für den Kauf einer Uhr braucht es ein positives emotionales Umfeld. Das ist zurzeit sicher erschüttert. Aber wir werden lernen müssen, damit umzugehen. Kriege, Krisen … das gehört leider zu unserem Alltag. Beispiel China: Die Stimmung dort ist momentan so, dass der Kauf einer Uhr bestimmt sekundär ist. Es gibt für die betroffenen Menschen im Moment verständlicherweise andere Prioritäten.

STANDARD: Wie sehen Sie die Preisentwicklung am Uhrenmarkt, die für manche Beobachter schon "verrückt" ist?

Liebminger: Wir sprechen hier von einem Produkt, in dem immer noch ein hoher Prozentsatz Handarbeit steckt, von einer hochtraditionellen Industrie. In Falle von Carl-F.-Bucherer-Uhren sprechen wir von mehr als 95 Prozent Swissness! Kundinnen und Kunden, denen wir erklären, was eine feine Uhr aus unserem Hause ausmacht, das Handwerk, das Know-how, die Entwicklungsarbeit et cetera, sind in der Regel bestens informiert und bereit, dafür den Preis zu zahlen.

STANDARD: Das heißt, es kam noch nie jemand in die Boutique und hat gefragt, warum die Uhr so teuer ist?

Liebminger: Ich muss gestehen: Das ist bei uns nicht der Fall. Die Kundschaft sucht nach einer Uhr, sie weiß, welche sie haben möchte. Für eine limitierte Auflage sind sie bereit, den ausgeschriebenen Preis zu bezahlen. Was hinzukommt: Wir erleben ein Revival des Mechanischen. Viele suchen nach einer Alternative zum Digitalen, wenn man so will. Interessanterweise auch eine jüngere Zielgruppe, die die digitale Reizüberflutung satthat und ein gesteigertes Bewusstsein für traditionelle Produkte und auch Werte mitbringt. (Markus Böhm, 20.6.2022)

Weiterlesen

Julien Rossier, Bucherer Wien: "Secondhand-Uhren sind ein Türöffner"

Longines-Boss Breschan: "2025 knacken wir die Zwei-Milliarden-Grenze"

Hopp Schwiiz! Der Mythos "Swiss made"