Emmanuel Macron muss weiter um seine klare Parlamentsmehrheit kämpfen.

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Frankreich hat ein Parlament gewählt. Doch bislang wurden nur vier der 577 Sitze vergeben. Denn Kandidaten brauchen mehr als 50 Prozent der Stimmen, um ins Parlament entsendet zu werden. In den meisten Wahlkreisen erhielt aber kein Kandidat die nötige Mehrheit – dort entscheidet die Stichwahl am Sonntag. Hier die bisher wichtigsten Erkenntnisse.

  • Emmanuel Macron könnte der erste Präsident seit 1988 werden, der nur mit relativer Mehrheit im Parlament regiert: Zwar sehen die Prognosen das präsidentielle Lager bei der Sitzverteilung nach der Stichwahl in Führung, doch für "Ensemble" steht nichts Geringeres als die absolute Mehrheit (ab 289 Sitzen) auf dem Spiel. Das hätte zur Folge, dass Macron neue Allianzen schmieden muss. Unwahrscheinlicher ist eine "cohabitation" – also dass ein Oppositionsbündnis Regierungsmehrheit und Premier stellt – wie zuletzt 2002.
  • Macrons absolute Parlamentsmehrheit wackelt wegen Zugewinnen bei den Linken und einer gewissen Hartnäckigkeit der Rechten: Die konservativen Republikaner haben zwar seit 2017 Prozentpunkte eingebüßt. Jedoch sind sie die einzige Partei, die Stimmenzugewinne gegenüber der Präsidentschaftswahl im April verzeichnete – insgesamt 1,3 Millionen. Den vom Linksbündnis Nupes unter Druck gesetzten Macronisten gelang es nur schwer, konservative Kandidaten zu verdrängen, meint Ipsos-Forscher Mathieu Gallard. In Runde zwei dürfte das Macrons Ensemble dennoch besser gelingen als dem Nupes-Bündnis.
  • Sozialisten unentschlossen: Unter den stark dezimierten Wählern der Sozialisten (PS) stimmten rund 43 Prozent für Nupes, rund 24 Prozent hingegen für die Macronisten. Gespalten waren auch die Grünen-Wähler – zwischen diversen Links-Parteien. Rund 12 Prozent der Wähler Macrons bei der Präsidentschaftswahl haben dafür für die Republikaner gestimmt.
  • Die wenigen Jungen, die gewählt haben, haben mehrheitlich links gewählt: Das Desinteresse an der Wahl war mit 52,49 Prozent Stimmenthaltung erneut auf Rekordniveau. Insbesondere bei den jungen Wahlberechtigten: Rund 70 Prozent der unter 34-Jährigen gaben keine Stimme ab. Die wenigen, die wählten, gaben rund 40 Prozent ihrer Stimmen an Nupes. Auch Frauen wählten bevorzugt links. Das haben Erhebungen von Ipsos Sopra-Steria ergeben.
  • Demnach schnitten die Macronisten am besten bei Pensionisten ab: In jenen Altersstufen, in denen die Stimmenthaltung am geringsten ausfiel (über 60), haben rund 35 Prozent der Pensionisten für das Macron-Bündnis gestimmt. Bei Führungskräften und Intellektuellen schnitt die Linke am besten ab. Dagegen stimmte jeder zweite Arbeiter für das Rassemblement National der extrem rechten Marine Le Pen.
  • Apropos extrem rechts: Éric Zemmour hat es nicht in die Stichwahl geschafft. Der Rechtsextreme, dem im Herbst noch gute Chancen bei der Präsidentschaftswahl ausgerechnet wurden, schied in der ersten Runde in Saint Tropez aus. Dennoch dürfte seine neue Partei, die auf rund vier Prozentpunkte kam, immerhin eine Parteienförderung abstauben. Le Pen bekam in ihrem Wahlkreis zwar mehr als 50 Prozent der Stimmen, wegen geringer Wahlbeteiligung muss sie dennoch in die Stichwahl – so will es das komplizierte Wahlsystem. (fmo, 13.6.2022)