Reality Winner (Katherine Romans) wird vom FBI höflich, aber bestimmt in die Mangel genommen.

Foto: Schaubühne/Gianmarco Bresadola

Schmuse-R-'n'-B bei den Festwochen? Klar. Sanft verführerische Töne empfangen in der Halle G im Museumsquartier. Hätte man sich nicht erwartet. Schließlich geht es um ein Verhör und knallharte Politik: 2017 gab eine Übersetzerin für Farsi und Paschtu, Reality Winner, geheimdienstliche Informationen rund um russische Eingriffe in die Präsidentenwahl in den USA 2016 weiter. Sie hatte sie bei ihrem Job in der NSA aufgeschnappt. Das Protokoll ihrer ersten Befragung durch das FBI ist Basis des Stücks "Is this a Room". Basis ist untertrieben: Das Stück hält sich Wort für Wort an das Transkript dieser Befragung der Whistleblowerin in ihrem Haus. Und da läuft offenbar Popmusik.

Bis zum bösen Erwachen: Drei Agenten empfangen die 25-Jährige, als sie gerade vom Einkaufen heimkommt. Auf der leeren Bühne entwickelt sich das Verhör langsam als Gespräch. Die Körpersprache der Darstellerin lässt keinen Zweifel daran, wie unangenehm ihr dieses ist. Immer wieder betonen die Agenten dennoch die Freiwilligkeit der Situation, erkundigen sich, ob sie Durst hat. Muss sie auf die Toilette? Man menschelt über Haustiere (ihre mögen keine Männer) und Crossfit (ständig Verletzungen!). Schwärzungen im Protokoll der Befragung werden auf der Bühne als Blacks wiedergegeben. Aber die Lichter gehen erst später immer und immer wieder aus. Wenn es um Details geht, wenn Winner einknickt. Die Männer vom FBI wissen mehr, als sie zuerst einräumen – Reality auch.

Unbequeme Hocke

Regisseurin Tina Satter und die Company Half Straddle aus New York bringen die auf gutes altes Schauspiel setzenden 60 Minuten auf die Bühne. Die Bemühungen der Agenten, Winner wie ein rohes Ei zu behandeln, führen dabei durchaus zu komischen Situationen. Setzt man sich in dem sonst unbenutzten und unmöblierten Zimmer ihres Hauses, wo die Befragung stattfindet, zum Gespräch also auf den Boden? Bis das entschieden ist, verharren die vier in unbequem gekünstelter Hocke.

Man weiß nach diesem Dokumentartheater etwas mehr über die Befragungsmethoden des amerikanischen FBI, über Sicherheitsstufen und klassifizierte Dokumente. Im genauen szenischen Befolgen des Befragungsprotokolls stellt sich aber noch keine Analyse der Verhältnisse ein. Voyeurismus und Glorifizierung hingegen schon. Ästhetisch konventionell, wirkt das Stück so vor allem als politisches Statement.

Winner hatte das Dokument 2017 an ein Medium weitergeleitet, weil sie von der Politik Donald Trumps und den Nachrichten von Fox News frustriert war. Sie wurde noch am Tag der Befragung verhaftet und ist seit vergangenem Jahr unter Auflagen wieder frei. Bis 2024 werden sie ihr noch nachhängen. (Michael Wurmitzer, 14.6.2022)