Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) präsentierte am Dienstag ein Unterstützungspaket im Umfang von 130 Millionen Euro.

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Groß war die Aufregung, als vergangene Woche bekannt wurde, dass die städtische Wien Energie die Fernwärmepreise um 92 Prozent erhöhen will. Selbst aus der SPÖ-nahen Arbeiterkammer und aus dem Gewerkschaftsbund setzte es Kritik. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) kündigte daraufhin ein Unterstützungspaket an – DER STANDARD berichtete. Am Dienstag wurde es präsentiert.

Das Paket namens "Wiener Energiebonus '22" ist quasi eine Erweiterung eines bereits fixierten Maßnahmenbündels gegen die steigenden Energiepreise, der sogenannten Energieunterstützung Plus. Diese wurde bereits im März auf der SPÖ-Klubklausur auf den Weg gebracht. Mit der Erweiterung werden nun sowohl der Kreis der Anspruchsberechtigten vergrößert als auch die auszuzahlenden Summen erhöht.

Konkret bringt die Stadt insgesamt 130 Millionen Euro auf. Um das Geld muss angesucht werden, die Stadt wird zu diesem Zweck im vierten Quartal ein Schreiben an alle Wienerinnen und Wiener schicken. Bis Jahresende soll jeder anspruchsberechtigte Haushalt dann 200 Euro überwiesen bekommen.

Um Geld aus diesem Topf ansuchen darf, wer in Wien einen Hauptwohnsitz hat und allein pro Jahr nicht mehr als 40.000 Euro brutto verdient. Bei Mehrpersonenhaushalten liegt die Grenze bei 100.000 Euro Gesamtjahreseinkommen. Rund 650.000 Wiener Haushalte fallen unter diese Definition, das entspreche rund einer Million Menschen, heißt es aus dem Rathaus.

Womöglich weitere Pakete nötig

Der Energiebonus sei "die größte Einzelmaßnahme, die es in den vergangenen Jahren gegeben hat", erklärte Bürgermeister Ludwig bei der Präsentation. "Ich gehe davon aus, dass wir den Menschen damit unmittelbar, direkt und unbürokratisch helfen."

Zu befürchten sei allerdings, dass es damit womöglich nicht getan sei. Man habe bewusst keine Förderung nur für Fernwärme-Kundinnen und -Kunden aufgesetzt, denn auch andere Energieformen seien von den Preissteigerungen betroffen, betonte Ludwig. Es sei damit zu rechnen, dass Energie weiter teurer werde. "Uns ist bewusst, dass es vielleicht nicht das letzte Paket war", sagte Ludwig.

Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) beteuerte, dass der Energiebonus weit in den Mittelstand hineinreiche: "40.000 Euro Jahreseinkommen sind nicht wenig. Wir nehmen die Unterstützung des Mittelstands sehr ernst."

Bis zu 1.000 Euro pro Person

Wer besonders wenig Einkommen hat, dem steht zusätzlich zum Energiebonus Geld aus dem Topf der Energieunterstützung Plus zu. Insgesamt stellt die Stadt 125 Millionen Euro dafür bereit. Unter anderem Bezieherinnen und Bezieher von Wohnbeihilfe, Mindestsicherung und Mindestpension bekommen über diese Schiene automatisch 200 Euro auf ihr Konto überwiesen, Alleinerziehende 300 Euro. Das betrifft rund 260.000 Wienerinnen und Wiener. Laut Stadtregierung stehen die Gelder kurz vor der Auszahlung.

Zusätzlich übernimmt die Stadt über diesen Topf teilweise Zahlungsrückstände von Privaten bei Energieunternehmen. Damit erreiche man 210.000 Haushalte, heißt es aus dem Rathaus. Diese Unterstützung muss bei der Magistratsabteilung 40 beantragt werden, pro Haushalt werden bis zu 500 Euro ausbezahlt. Die Mittel für diese Form der Unterstützung wurden im März stark aufgestockt – von sechs auf 26 Millionen Euro. Weiters fördert die Stadt Maßnahmen zur thermischen Sanierung, zu energieeffizientem Neubau und der Umrüstung auf nachhaltige Energieformen.

In Summe bringen beide Pakte – also der neue Energiebonus und die Energieunterstützung – Wienerinnen und Wienern mit wenig Einkommen je bis zu 1.000 Euro, rechnete die Stadtregierung am Dienstag vor. Ob sich die Stadt das leisten könne? Ja, sagte Stadtrat Hanke. Erst vor wenigen Tagen habe die Ratingagentur Moody's Wien mit der zweitbesten Note ausgezeichnet. "Das gibt uns die Sicherheit, dieses Paket schnüren zu können."

Stadt verzichtet auf Dividende

Abgesehen von den erwähnten Geldleistungen hat die Stadt weitere sechs Maßnahmen zur Abfederung der Teuerung fixiert. So verpflichtet sich etwa die Wien Energie freiwillig, Haushalten im kommenden Winter weder Strom noch Gas oder Wärme abzuschalten und Ratenzahlungen für die Dauer von bis zu 18 Monaten anzubieten.

Die Stadt, ihres Zeichens Alleineigentümerin der Stadtwerke, verzichtet in den Jahren 2022 und 2023 auf Dividendenzahlungen des Unternehmens an den Stadthaushalt. Jeder erwirtschaftete Euro solle stattdessen für "Investitionen in die Energiewende und den bestmöglichen Kundenpreis verwendet werden", heißt es. Pro Jahr entgehen der Stadt dadurch 16 Millionen Euro.

Opposition reagiert zurückhaltend

Die Opposition reagierte auf die heutige Ankündigung zurückhaltend. "Unsere Befürchtungen haben sich bestätigt. Die von der Wiener Stadtregierung groß angekündigte Erweiterung der Wiener Energieunterstützung ist eher ein Papierflieger als ein Jumbojet, der die Menschen in Wien entlasten sollte", befanden ÖVP-Landesparteiobmann Karl Mahrer und Klubobmann Markus Wölbitsch. Während der Bund mit einem historischen Maßnahmenpaket gegen die Teuerung arbeite, habe man in Wien den Eindruck, die Stadt sei ein "Wallstreet-Unternehmen mit Gewinnmaximierung".

Die Grünen wiederum konstatierten: "Grundsätzlich ist jede Maßnahme, die den Menschen angesichts der hohen Teuerung hilft, zu begrüßen. Ein großer Teil der heute vorgestellten Maßnahmen ist aber alter Wein in neuen Schläuchen und wurde bereits mehrfach präsentiert." Der Energiebonus sei außerdem bürokratisch in der Abwicklung. Zudem kritisierten die beiden Parteivorsitzenden Judith Pühringer und Peter Kraus in einer gemeinsamen Aussendung, dass die Haushaltsgröße nicht berücksichtigt werde. Dies führe zu einer Schlechterstellung von Familien mit Kindern.

"Nachdem Bürgermeister Ludwig in bester Sozi-Manier den Wienern die letzten Cent aus der Tasche gezogen hat, stellt er sich nun als Gönner hin und vergibt großzügig Almosen – die am Ende des Tages erst wieder die Wiener berappen müssen", ließ der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp kein gutes Haar an dem Paket. Die Wiener seien durch die "permanenten Steuer-, Abgaben und Mieterhöhungen" überhaupt erst in die prekäre Situation gebracht worden, zeigte er sich überzeugt.

Arbeiterkammer befriedet

Und die Kritiker aus den eigenen Reihen? Die scheinen befriedet. Die Arbeiterkammer sprach von einem "wesentlichen Schritt zur Abfederung der bevorstehenden Erhöhung der Fernwärmepreise". Gerade einkommensschwache Haushalte würden überproportional häufig mit Fernwärme heizen, hieß es in einer Aussendung. Die AK habe daher vorige Woche ein umfassendes Entlastungspaket für die betroffenen Konsumentinnen und Konsumenten gefordert, das nun zu Teilen umgesetzt werde. "Wir werden aber bei der Umsetzung genau hinschauen und Härtefälle aufzeigen", stellte AK-Präsidentin Renate Anderl klar.

Ob die geplante Erhöhung der Fernwärmepreise durchgeht, ist übrigens noch Gegenstand einer Prüfung. Die Wien Energie hat bei der zuständigen Preiskommission jedenfalls einen Antrag auf Anpassung des amtlichen Preisbescheids gestellt, jetzt wird auf die Entscheidung gewartet. (Stefanie Rachbauer, 14.6.2022)