Das Haus Dellacher ist ein Glücksfall für Architekturfans: Zu erleben gibt es Architekturgeschichte zum Anfassen, inklusive einer Zeitreise in die 1960er-Jahre.

Foto: Karin Cerny

Als die Villa mit ihren großen Fenstern, ihrem Flachdach und ihren symmetrischen Treppen 1969 fertiggestellt war, muss sie auf die Einheimischen wie ein Ufo gewirkt haben.

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Die Innere der Osterkirche in Oberwart.

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In Szombathely steht ein riesiges Befreiungsdenkmal von 1945 auf einem Hügel, es wirkt wie aus einem Sci-Fi-Film.

Foto: Karin Cerny

Der Pool glitzert im Abendlicht, am Waldrand grasen seelenruhig Rehe. Leise hört man Autos, aber es klingt nach Meeresrauschen, so einsam und entlegen fühlt es sich auf dem weitläufigen Grundstück an, das von keinen Zäunen beengt wird. Hinten leuchtet eine weiße Villa, ein Museum, in dem man auch übernachten kann.

Wann hat man schon die Gelegenheit, in einem Baudenkmal zu wohnen, das Originalflair verströmt? Das Haus Dellacher ist ein Glücksfall für Architekturfans: Zu erleben gibt es Architekturgeschichte zum Anfassen, inklusive einer Zeitreise in die 1960er-Jahre. Der Architekt Raimund Abraham, berühmt durch das Österreichische Kulturforum in New York, hat dieses Haus 1963 für einen Jugendfreund entworfen. Der Fotograf Max Dellacher hatte ins burgenländische Oberwart geheiratet. Als die Villa mit ihren großen Fenstern, ihrem Flachdach und ihren symmetrischen Treppen 1969 fertiggestellt war, muss sie auf die Einheimischen wie ein Ufo gewirkt haben. Noch heute staunt man, wie roh und gleichzeitig grazil das Gebäude ist. Wie modern es ein halbes Jahrhundert später noch immer als architektonisches Statement wirkt.

Unfassbar cool

Beim Einchecken bekommt man eine Führung, auch um den nötigen Respekt für das Haus zu vermitteln, das am Ortseingang von Oberwart liegt. Klar sind die wuchtigen Terrassenaufgänge unpraktisch. Und wer würde heute noch im muffigen Keller ein Zimmer mit Kamin machen? Abgesehen davon aber ist das Haus unfassbar cool. Wie riesig manche Fenster sind! Wie liebevoll Details ausgeführt wurden!

Hinzu kommt: Oberwart ist ideal, um den burgenländischen Brutalismus zu erkunden. Zu den Ikonen der Moderne gehören das massive Krankenhaus in Oberwart und die Osterkirche. Weniger beachtet ist die Mittelschule in Großwarasdorf, die Lehrerschaft staunt zwar, wenn man mit Kamera ums Gebäude herumschleicht. Aber sie war so nett, mich auch im Inneren ein paar Bilder machen zu lassen.

Nach Ungarn ist es auch nicht weit, in der Grenzstadt Szombathely steht ein riesiges Befreiungsdenkmal von 1945 auf einem Hügel, es wirkt wie aus einem Sci-Fi-Film. Und man ist garantiert allein hier. (Karin Cerny, 17.6.2022)

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