Das Dinner in seiner finalen Form.

Foto: DER STANDARD/Pichler

Für die ganz Neugierigen: die Nährwerte und Zutaten der Juicy Marbles.

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Kaum eine Produktkategorie in den Supermarktregalen ist in den vergangenen Jahre so gewachsen wie vegetarischer und veganer Fleischersatz. Die Palette reicht von traditionellen Proteinlieferanten wie Seitan und Tofu bis hin zu elaborierten Dönerfleisch-Imitaten aus Weizen-, Soja- oder Erbsenprotein. Parallel dazu vermarkten Firmen wie Impossible Foods ihre Produkte auch an die Gastronomie. Ketten wie Swing Kitchen, die ihre Gäste mit veganem Fastfood locken, wachsen fleißig.

Die Branche hat das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht. Die Bemühungen um Produkte für jene, die die gustatorischen Qualitäten von Fleisch zwar schätzen, dessen Konsum aber aus verschiedenen Gründen reduzieren bis einstellen wollen, laufen weiter. Für manche Schlagzeilen sorgte in den letzten Monaten dabei ein europäisches Start-up: Juicy Marbles aus dem slowenischen Kamnik.

Hier wirbt man mit einer selbsterarbeiteten Produktionsmethode, um Pseudofleisch aus Pflanzen künftig nicht nur in kleinen Streifen, sondern in ganzen Stücken zu servieren, die dem Original in Struktur, Biss und Geschmack nahekommen sollen.

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Erfolgreicher Start, auch in den USA

Investoren zeigen beachtliches Interesse. Die 2019 gegründete Firma konnte alleine seit Jahresende 2021 rund 4,6 Millionen Dollar (derzeit rund 4,4 Millionen Euro) einsammeln. Das Erstlingsprodukt ist ein veganes Filet Mignon, das online bestellt werden kann und regelmäßig ausverkauft ist. Im Mai betrat man auch den US-Markt, dort war der Lagerbestand in unter acht Stunden vergriffen. Auch wenn es keine Angaben darüber gibt, wie viel Stück der Packungen mit je vier 113-Gramm-Cuts verfügbar waren, darf man das wohl als ein gutes Zeichen werten.

Wie modernes Marketing funktioniert, weiß man bei Juicy Marbles auch und spannte verschiedene Influencer für veganes bzw. gesundes Essen ein. Die Botschaft ist nicht ganz überraschend. Neben der realistischen Imitation von Fleisch seien die "saftigen Murmeln" auch besser für Umwelt und Klima als echtes Rindfleisch und alles, was an seiner Herstellung dranhängt.

Eine auf Veganismus spezialisierte Youtuberin testet die "Juicy Marbles".
Veggiekins

In Europa zahlt man aktuell 30 Euro für so ein Quartett an Pflanzenfleischfilets, woraus sich ein Stückpreis von 7,50 Euro und ein Kilopreis von über 66 Euro ergibt. Kein billiger Spaß also. Hergestellt werden sie mit einem eigenen patentierten Verfahren, welches die von Vladimir Mićković gegründete Firma "Meat-o-Matic 3000" nennt. Sie ist darauf ausgelegt, die Textur von Fleisch inklusive typischer Fettstrukturen nachzuahmen und in Masse zu produzieren.

Da man aktuell aber erst Kleinmengen herstellt, fällt der Preis noch – Achtung, Wortspiel – geschmalzen aus. Das soll aber so nicht bleiben. Binnen zwei Jahren will man neben Filet Mignon noch andere Fleischstücke wie Ribeye oder Tenderloin nachahmen und den Preis von Fleisch unterbieten.

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Zeit zum Kochen

Aber genug der Theorie. Gehen wir der Frage nach: Was taugen die Juicy Marbles in der Praxis? Als neugieriger Neo-Vegetarier, der den geschmacklichen Qualitäten von Fleisch gelegentlich nachweint, habe ich mir die Filets Mignons bestellt. Und wie es der Zufall so wollte, trafen diese ein, kurz bevor meine Schwester auf einen seltenen Besuch kam. Sie ist wiederum seit vielen Jahren Veganerin und damit natürlich auch Teil der Zielgruppe, die die Firma aus Slowenien erreichen will.

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Beschlossen wurde die Zubereitung auf beide Arten, die auf der Verpackung vorgeschlagen werden: einmal ähnlich wie ein Steak mit etwas Öl auf allen Seiten angebraten; und einmal in dickere Streifen geschnitten. Als Beilage gab es ein mildes Käserisotto, freilich auf Basis von Feta-Imitat und Hefeflocken.

Beim Auspacken entfaltet sich kurzfristig und spannenderweise ein Geruch, der an Thunfisch erinnert. Die Konsistenz der Marbles ist im rohen Zustand durchaus fleischig. Aber schon hier fällt auf, dass man es mit einem sehr "zarten" Stück zu tun hat. Die Faserung ist schon beeindruckend "echt", die einzelnen Stränge neigen aber dazu, recht leicht auseinanderzufallen.

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Vorsicht beim Zerschneiden ist also angebracht. In beiden Fällen wurde den Stücken vor der Weiterverarbeitung eine kurze Einreibung mit etwas Salz, schwarzem Pfeffer und Knoblauchpulver nach Art des Youtube-Steak-Papstes Guga verpasst. Denn einer der Kritikpunkte, die zum pflanzlichen Filet Mignon recherchierbar sind, ist, dass der Geschmack intensiver sein könnte. Der Hersteller selbst empfiehlt lediglich das Auftragen von etwas Salz.

In der Pfanne – in Ermangelung einer gusseisernen Bratunterlage wurde eine handelsübliche mit Beschichtung verwendet – brutzelt der Fleischersatz als Ganzes und in Streifenform recht glaubwürdig vor sich hin. Sie entwickeln auch eine Kruste, die zumindest eine gewisse Ähnlichkeit mit der hat, die auf Fleisch entsteht.

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Gut, aber mit Luft nach oben

Das zum festlichen Anlass des schwesterlichen Besuches mit essbarem Blattgold dekorierte Endprodukt am Teller ist spannend. Die Konsistenz entspricht weniger Steak oder klassischem Filet Mignon, sondern eher einer Vorstufe zu Pulled Pork oder einem sehr zarten und gut durchgegarten Filet. Die Kruste ist knusprig, wovon insbesondere die Streifen profitieren.

Das Mundgefühl entspricht jenem von Fleisch. Und wie versprochen, ist das Konglomerat aus Soja- und Weizeneiweiß dank seiner aus Sonnenblumenöl hergestellten Fettmusterung auch nicht trocken, wie viele andere Alternativen es gern sind – allerdings auch nicht so saftig wie das, was imitiert werden soll.

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Geschmacklich ist der Vergleich schwierig. Bei einer Blindverkostung könnte man es durchaus mit echtem Fleisch verwechseln, die Zuordnung zur genauen Fleischsorte wäre aber schwierig. "Rindfleisch light" wäre der Begriff, der mir hier am ehesten einfällt. Das stellt meiner Ansicht nach einen guten Fortschritt für die pflanzliche Nachahmung von Fleisch dar. Es gibt allerdings auch noch genug Luft nach oben. Auch Schwesterherz beurteilte das neuartige Fake-Fleisch als schmackhaft.

Eine Person ist, sofern eine adäquate Beilage serviert wird, mit zwei der Filets recht gut bedient. Für mich bleibt zu erörtern, ob das Essenserlebnis die heruntergerechneten 15 Euro wert war. Die Antwort lautet: Ja, zumindest einmalig fürs Ausprobieren im "festlichen" Rahmen ist diese etwas dekadente Abweichung für mich schon zu rechtfertigen.

Abseits besonderer Anlässe gibt es aber genug gute und leistbarere Alternativen, mit denen sich die Zeit überbrücken lässt, bis Juicy Marbles (hoffentlich) sein Preisversprechen einlöst. (Georg Pichler, 19.6.2022)