Häufig zitierte wissenschaftliche Publikationen gelten als bahnbrechend und einflussreich. Ihre Autoren und Autorinnen sprechen bei Fachtagungen und Konferenzen. Um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden, müssen aber auch die entsprechenden Medien auf die Forschenden aufmerksam werden.

Der US-amerikanische Systembiologe Wendell Lim erfüllt all diese Kategorien: Er ist Professor und Vorstand am Department of Cellular and Molecular Pharmacology an der University of California San Francisco (USA) und Direktor des Nanomedicine Development Center und des Synthetic Biology Engineering Research Center.

Im Kampf gegen Krebserkrankungen greift der Forscher Wendell Lim auf körpereigene T-Zellen zurück.
Foto: Heribert Corn www.corn.at

In der Community kann der Einfluss dieses Pioniers der synthetischen Biologie nicht hoch genug eingeschätzt werden: Wendell Lims Labor forscht an T-Zellen und daran, wie man sie bei Krebspatienten und -patientinnen scharfmachen und für therapeutische Zwecke nutzen kann. Diese modifizierten Zellen heißen Car-T-Zellen (Chimeric Antigen Receptor). Der chimäre Antigenrezeptor wird aus Teilen zusammengesetzt, die so nicht zusammengehören, und kann die Krebszellen erkennen.

Der Held der Gesundheit

Das Magazin "Wired" ehrte Lim 2019, indem die Redaktion ihn in die "Stories of People Who Are Racing to Save Us" aufnahm. Das vom Trendforscher Matthias Horx gegründete Zukunftsinstitut wählte ihn in der Kategorie "Health Hero" in die Liga der "Future People". Die bei Lim im Fokus stehenden T-Zellen sind seit der Corona-Pandemie auch einer breiteren Bevölkerungsgruppe bekannt.

Sie spüren vom Virus befallene Zellen auf, um sie zu zerstören, und verhindern so im günstigsten Fall die Virusausbreitung im Körper. Andere aktivieren B-Zellen, die wiederum Antikörper bilden. Ihre Reaktionen gegen Infektionen sind "sehr kontrolliert und sehr präzise", sagte Lim kürzlich in Wien. Er war Gast des Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und hielt die insgesamt 15. Landsteiner Lecture des Forschungsinstituts.

Eines der vielen wissenschaftlichen Ziele von Lim und seinem Team ist, die genetisch modifizierten T-Zellen so zu steuern, dass sie nach der Infusion bei den Betroffenen ausschließlich Krebszellen attackieren. Denn Car-T-Zellen haben unangenehme und gefährliche Nebenwirkungen: Fieber, Schüttelfrost, Atemnot, Herzrasen – ein Zeichen dafür, dass die Car-T-Zellen den Feind erkannt haben.

Er modifiziert diese Zellen des Immunsystems genetisch, damit sie ausschließlich Krebszellen attackieren und unschädlich machen.
Foto: AFP / HO / National Institute of Allergy and Infectious Diseases

Auch schwere neurologische Nebenwirkungen sind überliefert. Car-T-Zellen-Therapien werden deshalb bisher bei bestimmten Leukämieformen und Lymphomen zugelassen, meist, wenn die Chemotherapie keine zufriedenstellenden Ergebnisse brachte. Sie sind auch bisher nicht sehr effektiv bei der Bekämpfung solider Tumore, die in Organen wachsen, beispielsweise beim Mammakarzinom.

Geheime Sprache der Zellen

Lims Labor versucht nun, die Zellen zusätzlich mit Fähigkeiten auszustatten, die so präzise sind, dass sie jene des schnellsten und intelligentesten Computers bei weitem übertreffen, wie die University of California San Francisco schreibt. Die Biologen bauen organische Schaltkreise, die das Verhalten der Zellen steuern, und fügen den Car-T-Zellen einen synthetischen Notch-Rezeptor hinzu, der sowohl für den Tumor als auch für die Körperregion, in der er sich befindet, typisch ist. Notch ermöglicht, vereinfacht gesagt, die Zelle-zu-Zelle-Kommunikation, wodurch therapeutisch eingesetzte Zellen eine weitere Information über die Umgebung, in der sie wirken sollen, erhalten.

Im Mausmodell wurde nachgewiesen, dass die Car-T-Zellen in die Region eines Gehirntumors eindringen konnten und zu einer positiven Reaktion führten. Der Weg bis zu einer Genesung von bestimmten Krebstypen ist aber noch lange. Zudem komme es immer darauf an, was man unter Heilung verstehe, sagt Lim und meint die Idee, Krebs, wenn er nicht vollkommen verschwindet, zumindest in eine lebenslang erduldbare Erkrankung umzuwandeln.

Geheime Programmiersprache

Das Studieren der, wie es heißt, "geheimen Programmiersprache der Zellen" und sie nachzubauen ist nur einer von vielen möglichen Wegen. Allerdings ein in vielerlei Hinsicht erfolgreicher: Lim erzählt von dem von ihm mitbegründeten Start-up Cell Design Labs, das mittlerweile vom Biotechkonzern Gilead Sciences aufgekauft wurde, um die Forschung zügig in Richtung Medikamentenentwicklung weiterzutreiben. Im Dezember 2017 zahlte man 175 Millionen Dollar (163 Millionen Euro) – bis zu 567 Millionen sollen im Spiel sein, wenn sich erste mögliche Erfolge abzeichnen.

Lim ist also Wissenschafter und Unternehmensgründer. Wie an einer US-amerikanischen Universität üblich, ist er auch recht sportlich: Windsurfen und Basketball gehören zu seinen privaten Leidenschaften. In erster Linie ist er aber Grundlagenforscher, der zu hohe Erwartungen an seine Forschung gerne bremst. Man müsse sehen, wie sich die Forschungen weiterentwickeln, sagt er bescheiden. Noch kann man ja nicht alles über die T-Zellen und ihre nach Manipulation therapeutischen Fähigkeiten wissen. (Peter Illetschko, 19.6.2022)