Bei Landeshauptmann Platter laufen seit dem angekündigten Rückzug die Telefone heiß. Aus den eigenen Reihen gab es aber nicht nur Glückwünsche.

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Innsbruck – Am Tag nach dem angekündigten Rückzug von ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter herrscht in Tiroler Parteibüros Hektik. Denn es gilt nun, eiligst einen vorgezogenen Landtagswahltermin im Herbst 2022 festzulegen. Dafür müssen Fristen eingehalten werden, die für Zeitdruck bei der Entscheidungsfindung sorgen. Vor allem bei der Tiroler Volkspartei scheinen die Nerven blankzuliegen. Denn Platter hatte offenbar nur seine engsten Vertrauten vorab von der Rochade informiert, die seit Sonntagabend die Tiroler Landespolitik auf Trab hält.

Was bisher geschah: Sonntagabend wurden ausgewählte Tiroler Medien davon informiert, dass Platter am Montag seinen Rückzug aus der Politik erklären werde. Ebenfalls für Montag war bereits seit längerem eine Sitzung des ÖVP-Landesparteivorstands angesetzt, bei der eigentlich die neuen Tiroler Bundesregierungsmitglieder präsentiert werden sollten. Platter wählte offenbar bewusst diesen Tag für seine Bekanntgabe, um sofort Nägel mit Köpfen zu machen, was seine Nachfolge nach 14 Jahren im Amt betrifft.

An seiner statt soll Wirtschaftslandesrat Anton Mattle, ebenfalls von der ÖVP, an der Spitze stehen. Das war Platters dezidierter Wunsch, und so wurde die Personalie Mattle am Montag bereits einstimmig vom Landesparteivorstand bestätigt. Platters parteiinterne Gegner, allen voran Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, mussten untätig zuschauen, wie sie um ihre Chance gebracht wurden.

WK-Präsident Walser als Verlierer

Walser gehört dem Landesparteivorstand nicht an, dementsprechend zeigte er sich am Montag wenig erfreut von dem Schachzug des Landeshauptmanns. Er unterstellte ihm gar mangelndes Demokratieverständnis. Aussagen, mit denen er sich endgültig ins politische Aus manövriert haben dürfte. Mit dieser Kritik an der eigenen Partei habe er jeden Rückhalt im Wirtschaftsflügel verloren, heißt es. Selbst die mächtige Adlerrunde, ein Verband von mehr als 40 Tiroler Unternehmern mit viel politischem Einfluss, habe Walser nun "fallengelassen", sagen Partei-Insider.

Die Rochade an der Spitze ist aber nur ein Teil des offenbar von Platter länger vorbereiteten Wechsels. Denn wirklich schlagend wird er erst, wenn die Karten neu verteilt sind, sprich die Landtagswahl geschlagen ist. Mattle will erst nach der Wahl übernehmen. Und die soll, so Platters Wunsch, nun bereits im Herbst stattfinden statt wie geplant Anfang 2023. "Um dem Land einen neunmonatigen Dauerwahlkampf zu ersparen", so die offizielle Begründung. Dass man bei einem Urnengang im Winter – womöglich inmitten einer erneuten Corona-Welle – noch höhere Verluste als ohnehin schon prognostiziert befürchtet, dürfte bei der Idee der Vorverlegung aber eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben.

Opposition dafür, Grüne zieren sich

Doch diese Terminverschiebung kann die ÖVP nicht allein verfügen. Für eine Vorverlegung der Wahl muss sich der Landtag auflösen, wofür eine Zweidrittelmehrheit nötig ist. Die wäre kein Problem, denn FPÖ, SPÖ und Neos haben bereits ihre Zustimmung bekundet. Die Grünen, mit denen die ÖVP seit 2013 eine Koalitionsregierung bildet, zögern aber noch. Sie haben nun nämlich einen gewichtigen Trumpf in der Hand: Im Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP ist festgeschrieben, dass Regierungsbeschlüsse nur einstimmig gefällt werden. Ein Neuwahltermin bedarf eines Regierungsbeschlusses.

Nun laufen "intensive Gespräche" zwischen den Koalitionspartnern. Dass die Grünen die ÖVP in der Hand haben und eine Gegenleistung für die Zustimmung verlangen können, will deren Spitzenkandidat und Klubobmann Gebi Mair so nicht bestätigen. Das sei eine journalistische Interpretation, man führe "inhaltliche Gespräche", sagt er.

Grüne mit Trumpf in Verhandlung

Gut möglich, dass die Grünen ihrem Koalitionspartner nun vor der vorgezogenen Wahl noch das eine oder andere Zugeständnis abringen. Mair hatte seinen Wählerinnen und Wählern etwa ein neues Schutzgebiet versprochen, auch ein landesweites Tempolimit hatten die Grünen erst kürzlich zum Entsetzen der ÖVP zum Thema gemacht.

Die Zeit drängt jedenfalls. Der Sonderlandtag, bei dem dieser seine Auflösung beschließen soll, muss kommende Woche stattfinden, damit noch ein Wahltermin am 25. September oder 2. Oktober möglich ist. Später geht nicht, weil dann bereits die Bundespräsidentschaftswahl ansteht, die als einzige nicht mit anderen Wahlterminen zusammengelegt werden darf.

Der Wahlkampf dürfte kurz, aber heftig werden. SPÖ-Chef Georg Dornauer nannte das Zögern der Grünen am Dienstag bereits "verbissenes Krallen an Positionen und Politikergehälter – ein unwürdiges Schauspiel". (Steffen Arora, 14.6.2022)