"'Bitch' geht zu Ende", so der nüchterne Titel einer internen Meldung im April: Mit Juni werde das feministische Magazin seine Arbeit einstellen.

Die vergangenen Jahre hätten eine Vielzahl an Herausforderungen mit sich gebracht, meldete die Redaktion. Man sei nicht länger in der Lage, "auf Dauer die Qualitätsinhalte zu erstellen, die unsere Leser:innen und Unterstützer:innen erwarten".

Die Frühjahrsausgabe von 2022.
Foto: Bitch Magazine

Das Ende des feministischen Popkulturmagazins fällt just mit dem bevorstehenden Ende des US-weiten Rechts auf Abtreibung zusammen: Wie Anfang Mai durchsickerte, dürfte das Grundsatzurteil Roe v. Wade fallen und so eine zentrale feministische Errungenschaft ausgehebelt werden. "Eine der angesehensten unabhängigen feministischen Stimmen der Medienwelt" schließe zu einem Zeitpunkt, an dem die USA "in einen feministischen Notstand" gestürzt würden, kommentiert Heather Schwedel auf slate.com.

Vom Kofferraum in den Mainstream

Die erste Ausgabe von "Bitch" verkauften Gründerinnen Lisa Jervis und Andi Zeisler 1996 noch aus dem Kofferraum ihres Kombis. Rasch entwickelte sich das Zine zu einem vierteljährlich erscheinenden Printmagazin – und einer einflussreichen feministischen Stimme. "Bitch" füllte insbesondere mit seinem Fokus auf Popkultur ("A feminist respose to pop culture") eine Lücke. Auch wenn die Riot-Grrrl-Szene für neue feministische Impulse in den USA sorgte – "Feministin" war Ende der 1990er-Jahre mehr Provokation als schickes Label, erinnert sich Zeisler im "Slate"-Podcast zurück. Die Redaktion griff Themen auf, die in großen Publikationen kaum Platz fanden, ihr Feminismus war immer ein intersektionaler. "Bitch" lieferte Medienkritik, aber auch ein Community-Gefühl. "'Bitch' war nicht nur eine Publikation, sondern auch ein Identitätsmerkmal", formuliert es Samhita Mukhopadhyay im "Atlantic".

In den Nullerjahren "entmystifizierten" feministische Blogs und Social Media den Feminismus schließlich für ein großes Publikum, analysiert Zeisler. Neue Medien hätte "Bitch" jedoch nie als Konkurrenz gesehen: mehr feministische Medien, mehr Feminismus – so die Losung. "Bitch" fand stets den eigenen, einzigartigen Blickwinkel auf popkulturelle Themen, etwa wenn "Guilty Pleasure" als ein höchst feminisiertes Konzept analysiert wurde: Frauen müssten lernen, sich nicht dafür zu schämen, wenn sie Daily Soaps oder Serien wie "Desperate Housewives" konsumieren.

Immer kurz vor dem Burnout

Als feministisches Non-Profit-Medium war das Projekt jedoch von Beginn an ein prekäres: "Es war nie einfach, niemand von uns war wegen des Geldes dabei", so Andie Zeisler. Abseits der Printmagazins bespielte Bitch Media auch eine Website, startete einen Podcast und ein Campusprogramm, bei dem Rednerinnen an Universitäten vermittelt wurden. Über Schreibstipendien förderten die Macherinnen zudem gezielt Nachwuchsjournalist:innen – Stimmen, die später auch anderenorts ihre feministischen Perspektiven einbrachten.

Die schwierigen Arbeitsbedingungen in der Redaktion in Portland sorgten angesichts der Schließung auch für Kritik auf Twitter. So berichtete die ehemalige Social-Media-Redakteurin Marina Watanabe von einer Kultur der Überarbeitung und des Burnouts und von einer hohen Personalfluktuation. "Ist es möglich, eine unabhängige feministische Organisation zu sein, die im Kapitalismus existiert, ohne diese Probleme zu haben? Ich bin mir nicht sicher", so ihre Conclusio.

Dass Überarbeitung nicht nur in feministischen Organisationen, sondern vielen Non-Profit-Projekten an der Tagesordnung stehe, räumt Andi Zeisler im Podcast-Interview ein. Diese ökonomischen Rahmenbedingungen sind es schließlich auch, die wesentlich für das Aus des Magazins verantwortlich sind.

2022 sind feministische Themen indes längst im Mainstream angekommen – ein Erfolg, zu dem Publikationen wie "Bitch" ganz wesentlich beigetragen haben. Dass Feminismus dabei jedoch nicht immer als politische Bewegung gedacht wird, kritisierte Zeisler in ihrem 2017 auf Deutsch erschienenen Buch "Wir waren einmal Feministinnen" – eine ganze Marketingindustrie habe sich des hippen Feminismus angenommen.

Im Netz ist "Bitch" noch zu finden – als Archiv wird die Seite vorläufig weiterbestehen. (Brigitte Theißl, 15.6.2022)