Statt eines Hochamtes wurde im Landesgericht für Strafsachen Wien mit zwei Studenten ein kurzer Prozess gemacht.

Foto: APA / HELMUT FOHRINGER

Wien – Es sind flammende Eröffnungsplädoyers, mit denen die Verteidiger Ernst Schillhammer und Sascha Flatz Freisprüche für ihre Mandanten Paul Wanner und Maurice Deville (Namen geändert, Anm.) fordern. Nein, die beiden Studenten hätten in Wanners Wohnung einen Mann und eine Frau nicht festgehalten und verletzt, wie die Staatsanwältin behauptet, betonen die Rechtsvertreter. Wie sich herausstellt, stößt der rhetorische Einsatz jedoch bei Richterin Corinna Huber auf taube Ohren.

Aber der Reihe nach: Der 24-jährige Erstangeklagte und der 28 Jahre alte Deville lernten im Sommer 2021 zufällig Herrn R. und Frau E., eine durchaus erfolgreiche Schauspielerin, kennen. Man beschloss, in Wanners Wohnung weiterzufeiern, am Ende hatten alle vier Beteiligten einen Promillepegel, mit dem man nicht einmal mehr als Fußgänger am Straßenverkehr teilnehmen sollte.

Vermutetes Missgeschick

Deville will bemerkt haben, dass Herr R. etwas über Wanners Laptop schüttete, worauf der Eigentümer die Personalien R.s wollte, um etwaigen Schadenersatz geltend zu machen, schildert Schillhammer. R. weigerte sich und wollte mit seiner Begleitung gehen, worauf die Studenten laut Anklage die Gäste getreten und gegen die Wand gedrückt haben.

Die Verteidiger beteuern, dass es sich dabei um das gelindeste Mittel gehandelt habe, um die Daten von Herrn R. zu bekommen. Die Schauspielerin hätte ohnedies die Wohnung immer verlassen können, sie habe sich aber eingemischt und sei selbst aggressiv gewesen, sagen die Rechtsvertreter. Am Ende rief Wanner selbst die Polizei, die von Frau E. nicht den besten Eindruck gewann: Die 31-Jährige sei "die Betrunkenste und Präpotenteste" aller Beteiligten gewesen, hielten die Beamten in einem Aktenvermerk fest, den Flatz zitiert.

Es kündigt sich also ein prozessuelles Hochamt an, auch Gerichtsmediziner Christian Reiter ist als Sachverständiger zugegen. Doch Richterin Huber hat andere Pläne. Noch bevor sie die Angeklagten fragt, ob sie sich schuldig oder nicht schuldig bekennen, stellt sie eine Diversion in den Raum. "Es ist eine blöde Geschichte gewesen, Sie waren alle betrunken", fasst sie das Geschehen zusammen. Für eine Diversion, also die vorläufige Einstellung des Verfahrens, müssten die Angeklagten aber Verantwortung übernehmen. Reiters Gutachten habe ergeben, dass die Verletzungen der beiden Gäste mit ihren Schilderungen übereinstimmen, gibt Huber noch zu bedenken.

Verteidiger überzeugen Mandanten

Die Verteidiger bitten um eine Unterbrechung und beraten gute zehn Minuten lang vor dem Saal mit ihren Mandanten. Offenbar überzeugen sie die Studenten vom Vorteil, keine Vorstrafe zu erhalten, bei der Rückkehr bescheiden die Angeklagten der Richterin jedenfalls, dass sie mit der Diversion einverstanden sind. "Sie übernehmen also Verantwortung?", fragt Huber nach. "Muss ich ja", sagt Wanner. "Nein, Sie müssen gar nichts", belehrt ihn die Richterin.

Dann erklärt sie die Bedingungen. Innerhalb eines halben Jahres muss Wanner 200 Euro an Herrn R. und 300 Euro an Frau E. zahlen, Deville kostet der Angriff 100 Euro, zahlbar an die verletzte Frau. Wenn die beiden in den kommenden beiden Jahren nicht mehr straffällig werden, wird das Verfahren endgültig eingestellt. "Verbauen Sie sich Ihre Zukunft nicht mit solchen Blödheiten", gibt Huber am Ende den beiden noch einen wertvollen Ratschlag mit. Wie sich ex post herausstellte, wurde der Laptop übrigens gar nicht benetzt. (Michael Möseneder, 16.6.2022)