Bald drei Monate ist es her, da verhängten die Behörden über die 26-Millionen-Einwohner-Stadt Schanghai einen rigorosen Lockdown, der tiefe Wunden hinterlassen hat. Noch immer hat das Virus die Stadt fest im Griff. Offiziell wurden die Ausgangsbeschränkungen zwar aufgehoben. Noch immer aber sind ganze Stadtviertel völlig abgeriegelt, weil dort kürzlich positive PCR-Tests gemeldet wurden. Die Grenze von Normalität zu Ausnahmezustand verläuft derzeit mitten durch die ehemalige französische Konzession, eigentlich eines der belebtesten Viertel der Stadt. Während im "freien Teil" Menschen wieder in Cafés sitzen und die ersten Kioske wieder öffnen, ist im anderen Teil nach wie vor alles verriegelt, die Menschen in ihren Wohnungen eingeschlossen.

Massentests

Hinzu kommt: Von nun sollen alle 26 Millionen Einwohner der Stadt jedes Wochenende getestet werden. Dazu wurden in der gesamten Stadt kleine Testbuden aufgestellt. Das deutet darauf hin, dass sich die Stadt auf eine dauerhafte PCR-Test-Infrastruktur einstellt. Glaubt man den Behörden, sollen die wöchentlichen Tests mindestens bis Ende Juli stattfinden.

Chinas Regierung ordnet Massentests an.
Foto: AFP/Gao

Der wirtschaftliche Flurschaden, den die Lockdowns in der chinesischen Wirtschaftsmetropole hinterlassen haben, wird erst jetzt langsam sichtbar. Für viele Einzelhändler sind die Mieten ein großes Problem: Besonders kleine Unternehmen haben die Gewinneinbrüche hart getroffen, während sie weiter Mieten bezahlen mussten. Sie fordern nun Mieterlässe. Im bekannten Kleidungsmarkt an der Qipu-Straße forderten hunderte kleine Geschäftsinhaber Mietnachlässe, um überhaupt überleben zu können. Die Vermieter wiederum weigern sich und verweisen auf die Regierung.

Schlechte Prognosen

Auch internationale Unternehmen leiden: Laut einer Umfrage der amerikanischen Handelskammer AmCham produzieren derzeit nur 31 Prozent aller Mitglieder in vollem Umfang. Über 90 Prozent mussten ihre Umsatzprognosen senken.

Unterdessen hat die Hauptstadt Peking einen weiteren "Ausbruch" vermeldet. Peking war von den Restriktionen bisher weitgehend verschont geblieben. Vor kurzem meldeten die Behörden ein "Superspreader-Event" in einer Bar in Sanlitun. Dort sollen sich zwischen 9. und 13. Juni 228 Menschen infiziert haben. Über 10.000 Menschen wurden daraufhin kontaktiert und isoliert. Auch Hongkong meldete am Mittwoch über 1.000 Neuinfektionen.

Kein Ende von "Zero Covid"

Eine Abkehr von der strikten Null-Covid-Politik ist nicht in Sicht. Weder traut die chinesische Regierung den ausländischen mRNA-Impfstoffen, noch treibt sie eine Impfkampagne mit eigenen Produkten voran. Eine natürliche Immunität konnte sich durch die strikte Abschirmung auch nicht aufbauen. Vor allem aber geht es um die politische Dimension: Eine Abkehr von der aktuellen Politik würde für die oberste Führung das Eingeständnis eines Fehlers bedeutet, was unfehlbaren Kadern naturgemäß eher schwer fällt.

Nicht ganz in das Gesamtbild passt dagegen die Ankündigung der chinesischen Regierung, künftig die Einreisebestimmungen etwas zu lockern. Von Montag an erhalten amerikanische und südkoreanische Bürger, die Familienangehörige in der Volksrepublik haben, wieder Visa. Viele von ihnen konnten ihre Verwandten seit über zwei Jahren nicht sehen. Auch die strikte Quarantäne soll von 14 Tagen Hotel- und sieben Tagen Heimquarantäne auf sieben Tage Hotel und sieben Tage daheim verkürzt werden. (Philipp Mattheis, 17.6.2022)