Bisher machte Vondráček von Österreich unbemerkt international Karriere. Das ändert sich hoffentlich angesichts der Tatsache, dass er mit Sergei Rachmaninows zweitem Klavierkonzert das Publikum zu minutenlangen Ovationen beflügelte.

Gulbenkian Música

Es hätte ein Abend im Zeichen griechischer Mythologie werden sollen. Doch der Pianist Jean-Yves Thibaudet war erkrankt, und es fand sich in der Eile wohl niemand, der sich den Lichtklavierpart aus Skrjabins Prometheus einverleiben konnte. Glück im Unglück, denn so gab der tschechische Pianist Lukáš Vondráček sein spätes Musikvereinsdebüt.

Bisher machte Vondráček von Österreich unbemerkt international Karriere. Das ändert sich hoffentlich angesichts der Tatsache, dass er mit Sergei Rachmaninows zweitem Klavierkonzert das Publikum zu minutenlangen Ovationen beflügelte. Rachmaninows romantisches Schwergewicht gerät bei Vondráček zum Wechselbad aus Melancholie und Ekstase: Wie in Trance bohren sich die Finger des 36-Jährigen in die Tasten und lassen das Instrument seine ganze Klangpracht entfalten. Rachmaninows perlende Läufe sprudeln wie Koloraturen am Klavier und wechseln sich mit zarten Kantilenen, koboldhaften Tastenspielen und bombastischen Tutti-Passagen ab.

Ganz ohne Pathos geht es beim Russen selbstverständlich nicht – die Kunst besteht darin, auf unnötigen Schmalz zu verzichten. An diesem Abend ist das ausgezeichnet gelungen: Vondráček und die Symphoniker kredenzen unter dem geschmeidigen Dirigat von Lorenzo Viotti große Gefühle, ohne je die Kontrolle darüber zu verlieren.

Igor Strawinski hat Daphnis et Chloé einmal als eines "der schönsten Produkte in der gesamten französischen Musik" bezeichnet – und das völlig zu Recht. Angeführt von Viotti lassen die Symphoniker und der Wiener Singverein den Goldenen Saal mit Maurice Ravels Ballettmusik beben und schillern. So klingen Rausch und Verzückung. (Miriam Damev, 17.6.2022)