Das Affenpockenvirus – im Englischen "monkeypox virus", abgekürzt MPV oder MPXV – steht nur entfernt mit Affen in Zusammenhang. Forschende fordern eine Umbenennung, auch bei den regionalafrikanischen Namen der Varianten, da diese diskriminierend seien.
Foto: Dado Ruvic / Reuters

Was haben Affenpocken eigentlich mit Affen zu tun? Nicht viel, wie Fachleute und Medien regelmäßig wiederholen, seit sich der Erreger international stärker ausgebreitet hat als in der Vergangenheit. Die Krankheit wurde zwar erstmals 1958 bei Affen beobachtet, die in einem Labor in Dänemark gehalten wurden. So ist der Name entstanden, der sich bis heute hält. Jedoch hat sich gezeigt, dass das Virus üblicherweise gar nicht Affen befällt, sondern Nagetiere.

Die irreführende Bezeichnung könnte auch für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Grund sein, sowohl den Erreger als auch die Krankheit umzubenennen: Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus teilte diese Woche in Genf mit, die WHO arbeite "mit Partnern und Fachleuten aus der ganzen Welt daran, den Namen des Affenpockenvirus zu ändern", wie etwa der "Guardian" berichtet. Die neuen Bezeichnungen sollen "so bald wie möglich" bekanntgegeben werden, sagte der äthiopische Immunologe und Politiker.

Rassistische Assoziationen

Affen – wie die im dänischen Labor gehaltenen Makaken – sind nach aktuellem Stand nur Fehlwirte. Das bedeutet: Das Virus kann sie zwar befallen, es hat sich aber kaum an sie angepasst und kann von ihnen aus nur manchmal auf andere Organismen überspringen. Eigentliche Wirte dürften Nagetiere sein, unter anderem Hamsterratten und Rotschenkelhörnchen, die etwa in Wäldern in Zentral- und Westafrika leben.

Nagetiere sind die eigentlichen Wirte des Affenpockenvirus. Dazu gehört die Gambia-Riesenhamsterratte, die in afrikanischen Ländern teilweise als Suchtier für Minen ausgebildet wird.
Foto: Howard Burditt / Reuters

Eine Gruppe von Forschenden forderte eine möglichst baldige Anpassung des irreführenden Namens. In ihrem offenen Brief auf der wissenschaftlichen Austauschplattform "Virological" kritisieren die Fachleute, dass Virus und Krankheit stark mit dem afrikanischen Kontinent in Verbindung gebracht würden. Zwar seien Affenpocken unter Nagetieren in manchen afrikanischen Ländern endemisch, bisher habe dies aber nicht auf Menschen zugetroffen.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter regen an, "mit dem Namen Affenpocken und den historischen Assoziationen, die mit diesem Namen verbunden sind, zu brechen". Damit weisen sie auf rassistische Konzepte hin, die vor allem in der Vergangenheit die schwarze Bevölkerung des Kontinents als den Affen besonders nahestehend ansahen. Aber noch heute werden solche Assoziationen genutzt, um etwa schwarze Fußballspieler rassistisch anzugreifen, wie Vorfälle der vergangenen Jahre zeigen, bei denen ihnen Bananen – die klischeehafte Leibspeise von Affen – zugeworfen wurden.

Parallelen zum "Wuhan-Virus"

Zudem sprechen sich die Fachleute gegen die Bezeichnungen der Virusvarianten aus, die die WHO derzeit nutzt. Dabei geht es um die Kategorien "westafrikanische Affenpocken" und "zentralafrikanische (aus dem Kongobecken stammende) Affenpocken". Dass hier überhaupt zwischen mehreren Typen unterschieden wird, ist durchaus sinnvoll – immerhin geht der aktuelle Ausbruch auf die sogenannte "westafrikanische" Variante zurück, die weniger gefährlich ist.

Allerdings habe die Benennung nach afrikanischen Regionen eine "stigmatisierende" und "diskriminierende" Note, schreiben die Forschenden. Auch zu Beginn der Corona-Pandemie wollte die WHO vermeiden, dass der Erreger etwa als "Wuhan-Virus" bezeichnet wird und damit Vorbehalte gegenüber Chinesinnen und Chinesen schüren kann. Für Varianten, die in verschiedenen Regionen der Welt erstmals entdeckt wurden, setzte die WHO eine Klassifizierung nach dem griechischen Alphabet durch: von der Alpha- über die Delta- bis zur Omikron-Variante mit Unterkategorien aus Buchstaben-Ziffern-Kombinationen, etwa die in Österreich zunehmenden Typen BA.4 und BA.5.

Neuer Name unklar

Was die Affenpocken angeht, könne anstelle der "westafrikanischen" Variante künftig etwa von "hMPXV" die Rede sein, wie die Forschenden schreiben. Dies steht für das "humane Affenpockenvirus", englisch "monkeypox virus" oder MPXV. Immerhin übertrage sich diese Variante besser als frühere Formen von Mensch zu Mensch.

Allerdings bezieht sich die Abkürzung weiterhin auf den Begriff "Affenpocken". Ob es hier anderslautende Vorschläge gibt und welche Begriffe die WHO künftig verwenden wird, ist noch nicht bekannt. Es gebe jedoch bereits seit längerer Zeit Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um Möglichkeiten von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen, wie ein WHO-Sprecher am Dienstagabend mitteilte.

Inwiefern ein neuer Name von der Öffentlichkeit angenommen wird, dürfte auch davon abhängen, wie prägnant die Alternative ist. Die Forschenden liefern abgesehen von der Abkürzung keinen Vorschlag, zeigen sich aber optimistisch und schreiben in ihrem offenen Brief: "Wir glauben, dass ein eindeutiger und passender Name für das Virus, das diese Epidemie verursacht, die Kommunikation ohne weitere negative Assoziationen erleichtern würde." (Julia Sica, 17.6.2022)