Wer in Bad Gastein vom Salesenwald am Stubnerkogel in Richtung Kötschachtal blickt, dem bietet sich ein Panorama wie aus dem Bilderbuch. Die Gipfel sind noch schneebedeckt und die Kämme dicht mit Bäumen in den unterschiedlichsten Grünschattierungen bewachsen. Hannes Üblagger, Leiter des Forstbetriebs Pongau der Bundesforste, runzelt trotzdem die Stirn: Er sieht aus mehreren Kilometern Luftlinie den Borkenkäfer drüben, auf den Hängen des Gamskarkogels.

Um genau zu sein: Er sieht braune Flecken, die durch den Schädling verursacht werden. Der Borkenkäfer hat eine große Familie. Jene Art, die den Fichten zu schaffen macht, wird Buchdrucker genannt. Die Tiere sind nur wenige Millimeter groß und schauen harmlos aus, doch sie richten nicht nur in den Wäldern des Gasteinertals, wo die Fichte die absolute Mehrheit stellt, großen Schaden an.

In Bad Gastein werden Zirben am Graukogel aufgeforstet. Viele Bereiche sind hier mit dem Auto nicht erreichbar.
Foto: Manuel Marktl

Die Käfer fressen sich unter die Rinde und bohren dort Brutgänge. Hunderttausende schlüpfen, von außen fast unbemerkt, unter der Rinde und unterbrechen den Saftfluss im Baum: "Die Käfer ersticken den Baum", sagt Üblagger.

Schon innerhalb von zwei Wochen nach dem ersten Befall ist der Baum tot. Nach vier bis sechs Wochen verfärben sich die Nadeln braun. Dann sieht ein Profi schon von Weitem, dass es ein Problem gibt. Wird dem Borkenkäfer nicht Einhalt geboten, verwandelt sich der Wald in Kürze in eine braune Mondlandschaft.

Leichtes Spiel

Das Problem: Die Borkenkäfer breiten sich "pandemieartig", sagt Üblagger, auf die umliegenden Bäume aus. Dann bleibt nur noch, diese zu fällen. Das Holz dieser Bäume kann zwar genutzt werden, aber nur noch eingeschränkt, weil es an Festigkeit verliert.

"Der Borkenkäfer dringt in immer höhere Lagen vor", sagt Peter Mayer, der sich als Leiter des in Wien ansässigen Bundesforschungszentrums für Wald intensiv mit den Herausforderungen für die Wälder durch den Klimawandel beschäftigt.

Den Borkenkäfer hat es zwar immer schon gegeben, durch den Klimawandel profitiert er aber gleich mehrfach und setzt den österreichischen Wäldern verstärkt zu: Durch die Erwärmung besiedelt er immer höhere Lagen, zunehmende Dürren helfen dem Käfer zusätzlich. Eine gesunde Fichte wehrt sich gegen den Borkenkäfer, indem sie ein bestimmtes Harz ausscheidet. Bei geschwächten Bäumen hat der Buchdrucker hingegen ein leichtes Spiel.

Im Gasteinertal wird aufgeforstet: Hier werden Setzlinge eingepflanzt,
um den Wald zu verjüngen.
Foto: Manuel Marktl

Rascher Profit

Im Wald- und im Mühlviertel mussten besonders große Verluste verzeichnet werden, aber eben auch Alpentäler wie das Gasteinertal sind von Borkenkäferbefall immer stärker betroffen. Über 1400 Meter Seehöhe war er früher gar nicht anzutreffen: "Heute findet man ihn bis zur Baumgrenze", sagt Üblagger.

Daher muss Schadholz – etwa nach Stürmen – rasch entfernt werden. Sind Bäume schon befallen, müssen die Fichten auch im Umkreis gefällt werden.

Erschwerend kommt laut Üblagger hinzu, dass der Wald in den vergangenen Jahren als Investmentprodukt erkannt wurde. Anlegerinnen und Anleger, die mit einem Wald und seiner Pflege bisher nicht viel zu tun hatten, stecken nun ihr Geld in den dichten Tann. Fährt ein Sturm hinein und richtet Schaden an, werde oft nicht schnell genug reagiert, weil das nötige Wissen fehle.

Dann kommt der Borkenkäfer – und der kennt keine Grundgrenzen.
Was dem Buchdrucker weniger gefallen dürfte: Im Wald der Zukunft wird die Fichte nicht mehr so dominant sein. Die Bundesforste, die 15 Prozent der heimischen Wälder betreuen, wollen den Wald klimafit machen. "Der Wald der Zukunft ist ein Mischwald", sagt auch Mayer. "In einem Aktienportfolio setzt man auch nicht nur auf eine Karte, und genauso verhält es sich mit dem Wald."

Das Bundesforschungszentrum für Wald hat eine Baumartenampel eingerichtet, mit der sich Interessierte unter klimafitterwald.at für ausgewählte Regionen anzeigen lassen können, welche Baumarten bis 2100 dort besser oder schlechter geeignet sind.

Anfälliger Flachwurzler

Die nicht nur in den Wäldern des Gasteinertals dominante Fichte ist für den Klimawandel nicht gut gerüstet, weil sie ein Flachwurzler und daher nicht sehr trockenresistent ist. Stattdessen hat man bei den Bundesforsten das Ziel vorgegeben, in von Trockenheit betroffenen Gebieten verstärkt auf Lärchen und Tannen zu setzen, weil die mit den höheren Temperaturen besser umgehen können.

Die Bundesforste, die 15 Prozent der heimischen Wälder betreuen, wollen den Wald klimafit machen.
Foto: Manuel Marktl

Auch Buchen, Stieleichen, Bergahorn, Schwarzkiefer, Birke und Esche zählen laut Baumartenampel zu jenen Baumarten, die sich mit den Klimagegebenheiten des Gasteinertals bis 2100 gut arrangieren könnten.

Bis die neu aufgeforsteten Arten baumhoch sind, wird es aber etwa 120 Jahre dauern – die meisten von ihnen wachsen viel langsamer als Fichten. Noch bieten sich für den Borkenkäfer im Gasteinertal also günstige Bedingungen. Erst beginnt er sich versteckt in den Bäumen zu entwickeln. Dann schwärmt er aus und kann, je nach Windlage, bis zu drei Kilometer auf der Suche nach geschwächten Bäumen, die bestimmte Duftstoffe aussenden, fliegen.

In diesem Jahr könnte es besonders viele Käfer geben: Heuer blühten die Fichten, was sich dadurch bemerkbar macht, dass Bad Gastein im Mai mit feinem, gelbem Staub eingedeckt war. In Gebirgslagen blühen Fichten nur alle paar Jahre. Früher waren es sieben Jahre, erzählt Üblagger, heute sind es aufgrund der höheren Temperaturen vier bis fünf. "Das Blühen kostet die Fichte viel Energie", sagt Üblagger. Das macht es dem Borkenkäfer wieder leichter.

Wie eine Klimaanlage

Dass die heimischen Wälder klimafit werden, ist nicht zuletzt für die Lebensqualität auf dem Land und in der Stadt entscheidend. "Ein Spaziergang durch den Wald erhöht das psychische Wohlbefinden", sagt Mayer, "Studien haben gezeigt, wie Pulsraten durch einen Waldspaziergang sinken und Stresshormone runtergehen." Für Städte kommt zusätzlich ein kühlender Effekt hinzu. "Ein Wald um die Stadt funktioniert wie eine Klimaanlage, die Luft wird gefiltert und Feuchtigkeit aufgenommen", sagt Mayer. "Auch als Baustoff und für die Energiewende ist es wichtig, dass wir einen gesunden, aktiven Wald haben."

Im Gasteinertal rücken demnächst die Forstarbeiter den braunen Flecken im Wald zuleibe. Forststraße gibt es keine. Daher werden sie mit Motorsäge und Schöpsen hinaufsteigen. Mit diesen Schabern werden die Bäume nach dem Fällen entrindet, um die hunderttausenden Käfer freizulegen. Sie vertrocknen innerhalb kürzester Zeit. Aber an anderer Stelle im Wald ist der Schädling längst wieder bei der Arbeit. (Franziska Zoidl, Tanja Traxler, 19.6.2022)