1. Dachpflanzen als Hauskühlung

Das immer aggressiver werdende Klima lässt auch Häuserdächer glühen. Auf den Luftbildern von Wien und anderen Städten nehmen die grünen Flecken zwar zu, doch es sind in erster Linie Flachdächer, etwa von Unternehmen oder Supermärkten, die begrünt werden. Im dicht bebauten Gebieten, wo sich die Hitze besonders staut, sieht man hingegen meist nur nackte Blech- und Ziegeldächer.

Der Dachdecker Denis Lebranchu experimentiert schon seit Jahren damit, die Pflanzen auch in die Schräge zu bringen. Als in den Corona-Lockdowns Flugzeuge am Boden bleiben mussten, spann sein Sohn, studierter Biotechnologe und Linienpilot im Brotberuf, die Idee weiter und gründete in Wien das Start-up Plantika.

Mathieu Lebranchu und Sophie Kaltner von Plantika (links, Mitte) wollen auch Schrägdächer begrünen. Kerstin Kropf (rechts) vom Immobilienentwickler Obenauf zählt zu den ersten Kundinnen.
Foto: Christian Fischer

Nach jahrelanger Tüftelei hat das mittlerweile auf fünf Personen angewachsene Team seine Methode sogar patentiert. Die grünen Dächer sollen nicht nur hübsch aussehen, sondern vor allem den immer heißeren Sommern trotzen. Ein Quadratmeter begrüntes Dach kann bis zu 50 Liter Regenwasser speichern, das bei Hitze wieder langsam abgegeben wird. Bei längeren Hitzeperioden springt eine automatische Bewässerungsanlage ein. Durch die langsame Verdunstung wird das Haus gekühlt. Im Idealfall braucht man im Dachgeschoß dann gar keine Klimaanlage mehr. Falls doch eine notwendig ist, benötigt diese aber deutlich weniger Strom.

Nach dem jahrelangen Kampf gegen die Schwerkraft ringt Plantika nun mit rechtlichen Hürden – denn förderwürdig sind die schrägen Dachgärten laut der 15 Jahre alten Ö-Norm derzeit nicht. Lebranchu glaubt aber an eine baldige Novelle, die auch schräge Dachbegrünung förderwürdig macht. "Die Stadt Wien nimmt das Thema sehr ernst", sagt der Gründer. Auch deshalb sei die Stadt der logische Standort für das Start-up.

2. Schwammstraße gegen Starkregen

Das Ortszentrum von Ober-Grafendorf ist momentan eine Baustelle. Bauarbeiter brechen Teile der Straße auf, verlegen Leitungen und pflanzen Bäume. "Wer nicht weiß, wie es hier früher ausgesehen hat, kann sich das gar nicht mehr vorstellen", sagt Rainer Handlfinger, roter Bürgermeister der rund 5000-Einwohner-Gemeinde in Niederösterreich. Er zeigt auf den Platz, auf dem sich bereits neue Bänke, Pflanzen und ein Café befindet.

Bürgermeister Rainer Handlfinger auf der "Klimastraße" seiner Gemeinde Ober-Grafendorf.
Foto: Heribert Corn

"Da ist sind früher die Autos durchgefahren", sagt er. Nun fahren sie nur noch an dem Platz vorbei, anstatt mittendurch. Unter der vorläufig etwas kahlen Laube haben die ersten Bewohner Platz genommen. In einigen Jahren sollen dort die Pflanzen nach oben wachsen und Schatten spenden.

"Wir müssen überlegen, wie das Ortszentrum in dreißig Jahren aussehen soll", sagt Handlfinger. Das Wichtigste sei es, Maßnahmen gegen die Hitze zu finden: Es brauche mehr Bäume, einen helleren Asphalt und Parkplätze mit Wiese zwischen den Gittersteinen, um Hitzeinseln zu vermeiden. Genau diese sollen in den nächsten Jahren im Zentrum entstehen.

Auch für Starkregen, der künftig noch häufiger eintreten werde, – und damit gegen Überschwemmungen – hat sich die Gemeinde gewappnet. Unweit des Zentrums ist vor einigen Jahren eine hundert Meter lange Ökostraße entstanden. Neben der Straße schwirren Bienen und Insekten entlang des vier Meter breiten Grünstreifens.

Durch die Pflanzen soll das Wasser bei Regen nicht einfach durch den Kanal abgeleitet, sondern direkt vor Ort gespeichert werden, sagt Handlfinger. Dank spezieller Substrate werde das Wasser an der Oberfläche gehalten und die Pflanzen damit versorgt. "Zum Gießen fahre ich hier nie her", sagt er.

3. Sommerhitze für den Winter speichern

Achtunddreißig Grad im Schatten sind in Wien längst keine Seltenheit mehr. Bäume oder grüne Wände und Dächer verschaffen vielerorts Abkühlung – doch große asphaltierte Flächen können im Sommer schon einmal bis zu 50 Grad heiß werden. Das zieht nicht nur so manche Flipflopsohle in Mitleidenschaft, sondern kann für den menschlichen Körper sogar gefährlich werden.

"Das sind aber auch Plätze, wo man Wärmeenergie sammeln kann", sagt Edith Haslinger. Sie leitet am Austrian Institute of Technology (AIT) das Forschungsprojekt "Heat Harvest". Ein Team aus Forschenden arbeitet daran, die Sommerhitze von urbanen, versiegelten Flächen zu "ernten" – und im Untergrund für kältere Zeiten zu speichern.

Edith Haslinger und Renate Auer wollen die städtische Hitze für den Winter "ernten".
Foto: Robert Newald

"Das funktioniert wie eine umgekehrte Fußbodenheizung", erklärt Haslinger. Unter asphaltierten Flächen, die sich stark aufheizen, werden Schläuche verlegt. Darin fließendes Wasser transportiert die Wärme in Erdwärmesondenfelder.

Dort lagert die Wärme bis zur Heizsaison, wo sie in Form von etwa 30 Grad warmem Wasser wieder an die Oberfläche gepumpt wird und mit einer Wärmepumpe weiter erhitzt wird. Besonders für denkmalgeschützte Gebäude würde sich die Methode eignen: Denn dort können Fassaden nicht ohne weiteres begrünt oder isoliert werden – deshalb ist dort auch im Winter die Nachfrage nach erneuerbarer Wärme groß.

Besonders wichtig ist es, den Aufbau des Untergrunds am Standort gut zu kennen, um die Anlage richtig zu dimensionieren – schließlich soll sie auch nachhaltig sein. Die Geologin Haslinger studierte deshalb im Labor Bohrkerne und überprüft, wie gut das Gestein die Wärme leiten und speichern kann. Im Herbst soll eine Pilotanlage errichtet und dann mittels Langzeitmonitorings die Kühlwirkung und Heizleistung überprüft werden. Übernächsten Winter könnten die Einwohner eines sozialen Wohnbaus im 14. Bezirk bereits die Sommerhitze spüren – nur eben im Winter.

4. Neue Erde für trockene Zeiten

Die Halle im Industriegebiet von Tulln ist warm und schwül. "Wir probieren gerade verschiedene Trocknungsverfahren aus", sagt Gibson Nyanhongo zwischen riesigen Maschinen, die an Raketenbauteile erinnern. Getrocknet wird hier Agrobiogel – ein Substrat, das wie Erde aussieht, sich wie Erde anfühlt, aber viel mehr Wasser speichern kann.

Das Spin-off der Universität für Bodenkultur (Boku) will Landwirten helfen, ihre Felder klimafit zu machen. Denn Niederschlag gibt es aufgrund der Erderhitzung künftig immer öfter entweder als Starkregen – oder gar nicht. Das normale Erdreich kommt mit diesen Extremen schlecht zurecht. Das Agrobiogel hingegen soll bis zu 15 bis 20 Liter Wasser pro Kilogramm aufnehmen und vor Verdunstung schützen können.

Die Spezialerde von Gibson Nyanhongo kann bis zu 15 Liter Wasser pro Kilogramm speichern.
Foto: Philip Pramer

In einem kleineren Raum neben der Produktionshalle untersucht das Start-up, wie lange Tomatenpflanzen mit dem Agrobiogel überleben können. In Versuchen brauchten die Pflanzen, in deren Erde vier Prozent des Gels beigemischt wurden, um bis zu 40 Prozent weniger Wasser und konnten wochenlanger Trockenheit trotzen. Das aus Nebenprodukten der Holzindustrie hergestellte Substrat soll außerdem ökologisch unbedenklich sein und ist sogar für den Biolandbau zugelassen.

Derzeit werden in Tulln rund 350 Kilogramm des Agrobiogels produziert. In den kommenden fünf Jahren will Nyanhongo die Produktion auf 100.000 Tonnen pro Jahr vervielfachen – dann soll auch der Preis sinken. Nyanhongo hat bereits eine Vision für den großflächigen Einsatz des Gels. "Wir könnten damit sogar Wüstengebiete wieder mit Wäldern begrünen", sagt der studierte Biotechnologe.

5. Schattenbänke für die Stadt

Schatten ist die beste Waffe gegen die städtische Sommerhitze – und den besten Schatten macht ein Baum. Bis 2025 will die Stadt Wien deshalb 25.000 neue Straßenbäume pflanzen. Doch nicht überall lässt sich ohne weiteres ein Baum pflanzen. Oft sind Wasser-, Strom- oder Fernwärmeleitungen dem Wurzelwerk im Weg, gibt Erich Streichsbier von der Abteilung für Architektur und Stadtgestaltung (MA 19) zu bedenken.

Bereits vor zwei Jahren hat die Stadt deshalb eine "Schattenstrategie" entwickelt, die Abdunklung auch dorthin bringen soll, wo Bäume keinen Platz haben. Eine Möglichkeit sind Rankpflanzen, die über Leichtkonstruktionen wachsen, flach wurzeln und damit etwa auch in Trögen eingesetzt werden können.

Den besten Schatten spenden Bäume. Doch auch Rankpflanzen können Abkühlung verschaffen.
Foto: MA19/Christian Fürthner

Die Stadt Wien hat auch eine interaktive Schattenkarte entwickelt, die schattige Plätze für Bänke auf Straßen und Plätzen vorschlägt. Auf Grundlage dieses Plans werden derzeit etwa im Wiener Bezirk Simmering einige "Schattenbänke" installiert.

Die Luxusvariante der Schattenbank sind die sogenannten Parklets. Die Idee kommt ursprünglich aus San Francisco, seit 2015 gibt es sie auch in Wien. Dabei gestalten Anwohner über den Sommer Park plätze zu "Grätzloasen" mit Liegestühlen, Tischen und Sitzgelegenheiten um – und können sich dafür bis zu 4000 Euro Zuschuss abholen.

Wenn Parkplätze wegfallen, gibt es oft Aufregung. Doch Streichsbier beobachtet, dass die Diskussion in den letzten Jahren weniger hitzig geführt wird. "Die Gruppe, die Raum einfordert, wird stärker", sagt er. Das wachsende Verständnis macht die Sache für die Planer einfacher. Nun gilt es, rasch eine Nachnutzung für die zehntausenden Parkplätze zu finden, die aufgrund des stadtweiten Parkpickerls frei werden.

6. Photovoltaik für den Acker

Noch sieht das "Sonnenfeld" neben der Autobahn in Bruck an der Leitha nicht sehr anders aus als die anderen Äcker in der Umgebung. Doch in den nächsten Monaten sollen hier nicht nur Lebensmittel, sondern auch Strom für tausend Haushalte erzeugt werden.

Dafür werden über dem rund fünf Hektar großen Feld mehr als 5000 Photovoltaik-(PV-)Module aufgestellt. "Agro-PV" sagen Forscher zu dem Konzept, das etwa auch in Pöchlarn (siehe Foto) bereits ausprobiert wird. Die Idee: Flächen doppelt nutzen und die Landwirtschaft besser gegen die Hitze wappnen.

Photovoltaikmodule auf Feldern spenden Strom und Schatten in heißeren Zeiten.
Foto: Imre Antal

Dafür wird das Feld zunächst in mehrere Bereiche unterteilt, sagt Michael Hannesschläger, Geschäftsführer des Energieparks Bruck an der Leitha, der an dem Agro-PV-Projekt beteiligt ist. Auf 80 Prozent der Fläche sollen Soja, Weizen, Roggen, Sonnenblumen, Mohn und Mais angebaut werden. Rund 18 Prozent sind Wiesen und Pflanzen, die unter den PV-Modulen wachsen und Insekten und Bienen anziehen. Nur zwei Prozent des Bodens nehmen die Stützen der PV-Anlagen ein.

"Wir wollen herausfinden, welche Pflanzen wie gut zwischen den Modulen gedeihen und ob Landwirte die Felder nach wie vor gut bewirtschaften können", sagt Hannesschläger. Potenzielle Vorteile sieht er bereits jetzt einige: Einerseits könne dadurch die Bodenversiegelung gebremst werden. Denn im Vergleich zu einem Feld und einer PV-Freiflächenanlage, die nebeneinanderstehen, sei Agro-PV um rund die Hälfte effizienter.

Zudem könne die Kombination von PV-Anlagen und Feldern der Landwirtschaft auch helfen, künftig besser mit der Hitze umzugehen, sagt Hannesschläger. Zwar führe die Agro-PV generell zu einer leichten Reduktion bei den Erträgen. Gleichzeitig spenden die Module aber auch Schatten, wodurch manche Lebensmittel, wie etwa Erdäpfel, in Zeiten zunehmender Hitzeperioden sogar besser wachsen könnten. Hannesschläger glaubt, dass sich das Konzept theoretisch in jeder zweiten Gemeinde in Österreich umsetzen ließe. Nur die Landwirte müssen bis dahin noch von dem Konzept überzeugt werden. (Jakob Pallinger, Philip Pramer, 23.6.2022)