Mit meiner Frage an die wöchentliche Döblinger Autofanrunde schaffte ich eine komplette Verwirrung. Wer war Carl Gustaf Emil Mannerheim? Schweigen rundum. Erste Meldung: ein deutscher General. Falsch. Auch die zweite Wortmeldung Richtung Baltikum ging daneben, bis sich ein Vielreisender zu erinnern begann: "Vor Jahren war ich in Finnland, da fiel mir auf, dass in jeder Stadt, in jedem Dorf der Name Mannerheim präsent war, auf Plätzen, Straßen und Gebäuden."

Unser Nordlandtourist hatte ins Schwarze getroffen. Carl Gustaf Emil Mannerheim, geboren 1867 im ethnisch schwedischen Süden Finnlands, gestorben 1951 in der Schweiz, war und ist der Nationalheld Finnlands der Neuzeit. Er rettete das kleine Land mit seiner 1200 Kilometer langen Grenze zu Russland, das bis Ende des Ersten Weltkriegs Teil des Zarenreichs war, mehrmals vor den Okkupationsambitionen der russischen Sowjets.

Ein exklusiver Mercedes-Benz Typ 770, wie ihn Mannerheim Ende 1941 vom deutschen Reichskanzler zugeeignet bekam.
Foto: Mercedes-Benz AG / Daimler AG

Den Aufstand der Kommunisten 1919 schlug der ehemalige zaristische General mit harter Hand nieder, und als die Sowjets im Winterkrieg 1939/40 neuerlich versuchten, Finnland zu überrennen, befehligte Mannerheim die finnischen Soldaten, welche den Russen in den dichten Wäldern Kareliens ein Debakel bereiteten. Karelien und der Nordmeerzugang gingen dennoch an Stalins Reich verloren.

Zwei Jahre später marschierte Finnland unter Führung Mannerheims gemeinsam mit der Wehrmacht und den Satelliten Rumänien, Ungarn, Italien, Kroatien, Slowakei, den französischen Freiwilligen und der spanischen Blauen Division in der Sowjetunion ein.

Für jeden Feldzug komponierte die Wehrmacht ein Lied, das Ostlied enthielt folgende Strophe: "Von Finnland bis zum Schwarzen Meer, vorwärts nach Osten marschieren wir" – kein Wunder, dass Finnland bei den Beitrittsverhandlungen zur Nato die Kriegsjahre 1941 bis 1944 lieber im Dunkeln lässt.

Exklusive Reihe

Zurück in den Dezember 1941. Hitler schenkte Marschall Mannerheim als Dank für die "Kriegskameradschaft" im Ostfeldzug einen Mercedes, Geschenke erhalten die Freundschaft und so. Kein gewöhnliches Modell, sondern ein Cabrio aus der exklusiven 770er-Reihe. Nur sieben Stück der offenen Version sind nachweisbar, in diesem Fall sicherheitshalber auch gepanzert.

Die technischen Daten dieses riesigen Fahrzeuges sind beeindruckend. 7,7-Liter-Achtzylinder mit Kompressor, 230 PS, 3,89 m Radstand, 4800 kg Leergewicht (gepanzert), hydraulische Bremse, De-Dion-Hinterachse, Viergangschaltung mit Overdrive, Verbrauch 27 Liter Kerosin (!) auf 100 km, und die Höchstgeschwindigkeit war aufgrund der Bereifung und des Gewichts auf 80 km/h begrenzt.

Weiters: Beschusssichere 20-Zoll-Reifen, 40 mm Panzerglas, die hinteren Rücksitze sind mit drei Zentimeter Stahlblech gegen Genickschüsse gesichert, der Fahrzeugboden mit einer Minensicherung ausgestattet, 19-mm-Panzerstahlblech rundum, kurz: Die Mercedes-Limousine, Kennzeichen SA-1, war ein rollender Luxus-Kleinpanzer.

Lieblingsauto des Präsidenten

Bis zu neun Passagiere konnten bei Verwendung der Klappsitze transportiert werden, der Mercedes war in den schweren Jahren des Krieges das Lieblingsauto von Staatspräsident Mannerheim. Selbst Minen oder Kleinwaffen konnten dem Fahrzeug theoretisch nichts anhaben, die Leibwächter steckten ihre 9-mm-Luger-Pistolen in die dafür vorgesehenen Taschen der Seitentüren, doch der Gesamteindruck dank aufwendiger Lederbezüge und Holzvertäfelungen ging eindeutig in Richtung Luxus der Extraklasse.

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Ein fotografisches Dokument des einzigen Besuchs Hitlers bei Mannerheim zu dessen 75. Geburtstag am 4. Juni 1942: Adolf Hitler und Carl Gustaf Emil Mannerheim auf dem Weg zu dessen Sonderzug – im Gefolge: Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW).
Foto: Picturedesk.com / Ullstein Bild

Im Juni 1942 feierte Mannerheim seinen 75. Geburtstag, still in Kriegstagen, doch Hitler wollte unbedingt persönlich gratulieren und plante einen Überraschungsbesuch. Ohne Geschenk anzureisen ziemte sich nicht, Blumen waren sinnlos, das Ritterkreuz hatte Mannerheim bereits, Süßwaren der Firma Bahlsen, damals Eigentum der Familie der heutigen EU-Präsidentin von der Leyen, unpassend, da fiel dem autofreundlichen "Führer" sein Heimatgau Oberdonau ein.

Das Geschenk kam aus Steyr, im Krieg natürlich martialisch: Drei Steyr-1500-A-Kommandowagen wurden aus dem besetzten Norwegen nach Finnland transportiert. Die Konstruktion des Allradlers stammte von Ferdinand Porsche: Luftgekühlter 3,5-Liter-V8, 85 PS, 4-Gang-Getriebe sowie Verteilergetriebe für den Geländegang mit zusätzlicher Untersetzung, hiermit ideal für die Waldgebiete Finnlands.

Über 18.000 Fahrzeuge dieses Typs wurden in Steyr bzw. bei Audi in Wismar gebaut, die Kommandoversionen erhielten ihre speziellen Karosserien bei Gläser in Dresden. Dankend bewirtete Mannerheim seinen Gast Hitler im eigenen Salonwagen, dann rauschte dieser in einer viermotorigen FW 200 wieder ab.

Gerade noch geschafft

Im August 1944 arrangierte sich Mannerheim mit den Sowjets, der Krieg in Finnland ging zu Ende, glimpflich, weil ohne Besetzung durch die Rote Armee. Damals wurde der Begriff "Finnlandisierung" geprägt – ein neutrales Verhältnis zur Sowjetunion, ohne in den Status des Satelliten zu gleiten.

Mit dem Hitler-Mercedes weiter zu fahren schien allerdings nicht mehr opportun, er verschwand in einer geheimen Garage, es drohte ja auch die Auslieferung als Reparation an die Sowjets. Man versuchte, stillschweigend das Auto aus dem Land zu schaffen und dabei vielleicht noch Geld zu verdienen. Ein reicher Schwede kaufte den Mercedes 1946, er wanderte aber 1948 weiter in die USA, in Mangelzeiten in Form eines Kugellager-Gegengeschäftes.

Ein Allrad-Steyr 1500 – drei Typ-A-Kommandowagen waren Hitlers Präsent zum Anlass seines Besuches.
Foto: Motorbuch Verlag Stuttgart

Als "Hitler-Auto" wurde es in den USA zum Thema für Klatschseiten, sogar in einem obskuren Hollywoodfilm rauschte Mannerheims Mercedes über die Leinwand. Weiter ging es 1973 zu einer Auktion in Arizona, wo der Wagen gegen 153.000 Dollar erneut den Besitzer wechselte.

(Vorläufige) Endstation USA

Wie die derzeitigen Eigentümer, die Familie des pensionierten Generalleutnants der US Air Force, William Lyon, diesen Schatz für ihre Oldtimersammler erwarb, ist unklar. Der General, im Nebenberuf x-facher Milliardär, sammelte hochwertige Fahrzeuge, auch Flugzeuge, alles konzentriert rund um seine Ranch im "Never-never" der USA.

Der bemitleidenswerte Zustand des einstigen Prachtwagens führte dann endlich zur Restaurierung. Ein finnisches TV-Team tauchte 2015 bei dem damals bereits 92-jährigen General auf und drehte mit dem Mercedes als Star seine Geschichte, sie fiel exakt auf Mannerheims 150. Geburtstag. Die fast zweistündige Probefahrt wurde im Gedenken an den finnischen Nationalhelden absolviert, problemlos, auch zur Überraschung der Generalsfamilie.

Nachsatz: 1939 schenkte Hitler General Franco, dem passionierten Jäger, einen berühmten dreiachsigen Mercedes G4. Bei Kriegsausbruch im September 1939 erklärte Franco Spanien sofort als neutral und hielt diese Politik eisern durch. Dieser Mercedes, vor Jahren in Stuttgart generalsaniert, steht wieder in Madrid und befindet sich im Eigentum der spanischen Armee. (Peter Urbanek, 29.6.2022)