Binnen 24 Stunden wurden 49.286 aussagekräftige PCR-Tests durchgeführt.

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Wien – Hans-Peter Hutter, Public-Health-Experte und Epidemiologe an der Medizinischen Universität Wien, neigt angesichts der aktuellen Infektionslage zum Sarkasmus. Auf die Frage, wie bedrohlich denn nun die aktuelle pandemische Lage in Österreich sei, antwortet Hutter im Gespräch mit dem STANDARD: "Was soll ich dazu sagen? Es gibt kein Corona mehr, wie Sie das unschwer der Wahrnehmung im öffentlichen Leben entnehmen können."

Aktuell sei die Lage "leider so, wie wir es befürchtet haben, seit die Maßnahmen sich praktisch in Luft aufgelöst haben". Nachsatz: Das Virus habe sich nämlich nicht in Luft aufgelöst. Im Gegenteil: Am Sonntag stieg die Zahl der gemeldeten Infektionen auf 6.406 – und damit auf mehr als doppelt so viele wie im selben Zeitraum vor einer Woche, als 2.989 Fälle gezählt wurden. Damit lagen die Corona-Fälle auch über dem Schnitt der vergangenen sieben Tage (5.409). Zudem wird aktuell weniger getestet. Damit nimmt die nächste Corona-Welle – angetrieben von der wachsenden Ausbreitung der Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5, die den Immunschutz besser umgehen können – schon im Frühsommer an Fahrt auf.

Zahlreiche Expertinnen und Experten sehen daher die aktuelle Maskenpause in Österreich (Ausnahme Wien) kritisch. Auch Hutter findet, es sei "schon komisch gewesen, dass man überall die Maske hat fallen lassen, speziell in den Öffis und im Supermarkt".

10.000er-Marke

Der Epidemiologe rechnet nicht damit, dass die Maskenpflicht tatsächlich bis 23. August, wie derzeit geplant, ausgesetzt bleibt: "Da bin ich gespannt. Wir stehen vor einem sommerlichen Anstieg. Und man wird von politischer Seite reagieren müssen. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass jetzt alles so munter weitergeht, ohne dass man sich Maßnahmen überlegt." Zudem plädiert der Wissenschafter auch für eine Rückkehr des grünen Passes.

"Knacken wir diesen Mittwoch in Österreich schon die 10.000 Fälle am Tag?", stellte der Mikrobiologe Ulrich Elling angesichts des Anstiegs am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in den Raum. Elling führt am Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Virensequenzierungen durch. Er kritisierte das Pausieren der Maskenpflicht als "Wahnsinn". Elling geht davon aus, dass sich die Zahlen bis Herbst auf einem hohen Niveau bewegen werden. Die Krankheitsverläufe dürften allerdings leichter ausfallen.

Wesentlich seien jetzt die Spitalszahlen, sagt Hutter: "Das sind die einzigen Zahlen, die noch einen gewissen Überblick geben. Alles andere ist praktisch überhaupt nicht zuverlässig." Und die Zahlen in den Spitälern würden eben auch steigen. "Wenn auch auf einem Niveau, mit dem man noch umgehen kann."

Am Sonntag lagen 543 Covid-Patientinnen und -Patienten auf Normalstationen im Krankenhaus (16 mehr als am Vortag), weitere 35 lagen auf Intensivstationen (plus eine Person).

PCR-Positivrate bei 13 Prozent

49.286 aussagekräftige PCR-Tests wurden seit gestern durchgeführt, die Positiv-Rate betrug 13 Prozent. Dieser 24-Stunden-Wert liegt über dem Schnitt der vergangenen Woche (durchschnittlich 6,4 Prozent der PCR-Tests positiv).

789 Impfungen gegen das Coronavirus (19 Erst-, 70 Zweit- und 700 Drittstiche) fanden am Samstag statt. Insgesamt haben laut den Daten des E-Impfpasses 6.830.550 Personen zumindest eine Impfung erhalten. 5.622.598 Menschen und somit 62,6 Prozent der Österreicher verfügen über einen gültigen Impfschutz. Die meisten gültigen Impfzertifikate gibt es im Burgenland mit 70 Prozent. In Niederösterreich haben 65,9 Prozent der Bevölkerung einen validen Impfschutz, in der Steiermark 63,8 Prozent. Nach Wien (61,3), Tirol (60,5), Kärnten (59,4), Vorarlberg (59,1) und Salzburg (58,4) bildet Oberösterreich das Schlusslicht mit 58 Prozent.

Das Bundesland mit der höchsten Sieben-Tage-Inzidenz ist derzeit Wien mit 666,7, gefolgt von Niederösterreich, Vorarlberg und Burgenland (492,3, 432 bzw. 407,9). Weiters folgen Salzburg (395,4), Tirol (315,1), Oberösterreich (304,4), die Steiermark (274,3) und Kärnten (180,1). (Anna Giulia Fink, Markus Rohrhofer, 19.6.2022)