Martin Hinteregger gewann mit Eintracht Frankfurt 2022 die Europa League.

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Am Wochenende fand in Sirnitz der Hinti-Cup statt. Namensgeber und Veranstalter des Fußballkleinfeldturniers: Martin "Hinti" Hinteregger. Der 29-jährige Legionär von Eintracht Frankfurt wollte damit seine beiden Heimaten in Kärnten und Deutschland verbinden. Auch Teams aus Hessen reisten ins Gurktal an, manche sagten ab: Vor rund einer Woche wurde bekannt, dass Heinrich Sickl den musikalischen Rahmen zum Event mitorganisieren sollte. Der ehemalige Grazer FPÖ-Gemeinderat soll die rechtsextreme Identitäre Bewegung unterstützt haben. Hinteregger brach daraufhin die Geschäftsbeziehung mit Sickl ab. DER STANDARD sprach mit dem 67-fachen Nationalspieler über die Causa Sickl, Heimweh und Promistatus.

STANDARD: Sie plagten sich zuletzt mit einem Sehneneinriss im Oberschenkel herum. Wie geht's Ihnen?

Hinteregger: Ich starte diese Woche mit dem Reha-Training, und in einer Woche ist dann Trainingsstart. Dann wird sich herauskristallisieren, wie weit ich schon bin.

STANDARD: Sie haben am Wochenende gesagt, dass Sie bis zum Ende Ihrer Profikarriere bei Eintracht Frankfurt bleiben werden. Ein Wechsel ist also vom Tisch? Medien brachten Sie zuletzt mit Hertha BSC Berlin in Verbindung.

Hinteregger: Und das war ein absoluter Blödsinn. Es hat mich geärgert, dass einfach irgendwas berichtet wird. Ich weiß nicht, warum man so etwas erfindet.

STANDARD: Wir sind hier in Sirnitz, einem beschaulichen, idyllischen Ort. Frankfurt ist eine Weltstadt. Was sind die Gemeinsamkeiten?

Hinteregger: Sirnitz und das Gurktal sind Tourismusregionen, deswegen haben wir von klein auf sehr viel Kontakt mit allen möglichen Menschen. Frankfurt gehört zu den größten Multikultistädten, du hast alle Nationen, und jeder versteht sich mit jedem extrem gut. Frankfurt ist ein Sinnbild dafür, dass sich alle Menschen miteinander verstehen können. Wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe, kommt man mit Leuten schnell ins Gespräch. Oder man trifft sich bei einem Kultkiosk, wo alle Schichten vertreten sind – vom Anwalt bis zum Obdachlosen. Man freut sich, wenn man sich wiedersieht. Ich habe mir in dieser Hinsicht extrem viel aufgebaut in Frankfurt. Ich kenne sehr viele Leute.

STANDARD: Und die Unterschiede?

Hinteregger: Der Dialekt.

STANDARD: Wie gehen Sie mit dem Prominentenstatus um? Nach dem Triumph in der Europa League tauchten Feiervideos auf. Wie schwierig ist das, dass es keine Privatsphäre mehr gibt?

Hinteregger: Das ist sicher nicht mehr gut. Das Handy ist schnell gezückt, aber manchmal will ein Fußballer einfach nur ein Mensch sein. Im Profifußball ist das aber kaum mehr möglich. Man muss sich ändern, wenn man in Ruhe Fußball spielen will.

STANDARD: Indem man sich komplett zurückzieht?

Hinteregger: Genau, von der Presse ist es ja gar nicht mehr gewünscht, dass die Spieler unter die Menschen gehen. Die wollen perfekte Profis wie einen Haaland und nicht welche, die aus der Maschinerie raustreten. Die mit Ecken und Kanten werden nicht mehr gewünscht, obwohl ich das gut finden würde, dass genau das gefördert wird.

STANDARD: Haben Sie sich im Laufe der Jahre geändert? Hat es einen Lerneffekt gegeben?

Hinteregger: Ich wollte mich ändern, aber ich habe es nicht geschafft. Ich habe einen Spruch drauf, der ehrlich ist, aber halt auch nicht immer in die Situation passt. Ich kann mich einfach nicht zurückhalten, und wenn das meine Meinung ist, dann muss ich das so sagen. Ich tue mir schwer, diplomatisch zu antworten, was manchmal wohl besser wäre. Weil wenn ich etwas sage, wird es oft anfangs negativ rübergebracht von den Medien. Wenn ich aber dann in Kontakt mit den Menschen trete oder die Nachrichten auf Instagram lese, gibt es eigentlich nur positive Reaktionen. Manchmal wäre es mir schon lieber, wenn es ruhiger um mich wäre, aber ich denke, dass ich genau deswegen in Österreich und in Frankfurt so beliebt bin.

STANDARD: Wie wichtig ist Ihnen Beliebtheit?

Hinteregger: Ich bin, wie ich bin, und das schätzen die Leute. Wenn dich mehr Leute mögen, hast du mehr Druck im Fußball. Dann ist logisch, dass die Leute mehr von dir erwarten. Wenn wir verlieren, suchen Fans immer mit mir den Kontakt, das kann natürlich auch einen negativen Beigeschmack haben.

Hinteregger mit seinem Trainer und Landsmann Oliver Glasner nach dem Triumph in der Europa League.
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STANDARD: Apropos Beigeschmack: Im Vorfeld des Hinti-Cups gab es Aufregung darüber, dass Sie mit Heinrich Sickl das Musikfestival organisieren wollten. Ist die Sache mit den Eintracht-Verantwortlichen ausgeräumt?

Hinteregger: Natürlich ist viel diskutiert worden, und es ist nicht einfach, das abzumoderieren. Die deutsche Presse kann da schon sehr hart sein. In Österreich war es eh nicht tragisch. In Deutschland bringen viele die FPÖ und AfD auf eine Ebene, die AfD ist aber zehnmal schlimmer.

STANDARD: Die FPÖ, bei der Sickl in Graz Gemeinderat war, ist das eine. Das andere sind aber die rechtsextremen Identitären, zu denen er Verbindungen haben soll.

Hinteregger: Das ist wirklich nicht schön. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich auch anders reagiert. Natürlich werde ich künftig genauer hinsehen, mit wem ich zusammenarbeite. Ich habe auch noch andere drei Firmen, jetzt muss ich meine anderen Partner checken, ob da alles passt. Es ist schwierig, jeden Menschen zu prüfen. Ich habe mit ein paar Chefs großer Firmen geredet – und die haben gesagt, wenn wir bei jedem Geschäftspartner checken, was der vor 20 oder 30 Jahren gemacht hat, wäre das schwer.

STANDARD: Sickls Berührungspunkte zur rechtsextremen Szene sind ja noch nicht so lange her. Wie gut kennen Sie Herrn Sickl?

Hinteregger: Er hat Sirnitz vor 30 Jahren verlassen, da war ich noch nicht einmal auf der Welt. Vor ein paar Monaten ist er mit seiner Familie zurückgekehrt. Dann ist er auf mich zugekommen, hat mich gefragt, ob ich einen Beitrag zum Museum leisten möchte. Irgendwann kam der Hinti-Cup, und ich habe mir gedacht, dass es für die vielen Fans aus Frankfurt schade wäre, wenn es nur bei dem Cup bleibt. So ist die Idee entstanden, zusätzlich zum Hinti-Cup ein Musikfestival zu veranstalten. Die Schlosswiese wäre die perfekte Location dafür gewesen, da sind jedes Jahr rund 30 Künstler aufgetreten. So ist es zustande gekommen. Er sollte uns das Grundstück zur Verfügung stellen.

STANDARD: Und Sie haben nicht damit gerechnet, dass es aufgrund seiner Vergangenheit zu Problemen kommen könnte?

Hinteregger: Ich weiß, dass er FPÖ-Politiker war, was in Österreich ja nichts Schlimmes ist. Ich habe aber von der Identitären Bewegung nichts gewusst und auch nicht, was das bedeutet. Dafür bin ich schon zu lange weg, und die Politik interessiert mich zu wenig. Selbst wenn er mir gesagt hätte, dass er bei den Identitären war, hätte ich keine Ahnung gehabt, was das sein soll. Dann hätte ich aber wahrscheinlich gegoogelt.

STANDARD: Sie haben nicht gewusst, dass er Verbindungen zu den Identitären hatte?

Hinteregger: Natürlich nicht. Ein paar Sirnitzer in seinem Alter wussten es wohl. Eine Vorwarnung wäre gut gewesen, dann hätte ich wahrscheinlich von Anfang an anders reagiert, um das Feuer rauszunehmen. Dass es so groß wird, hätte ich mir nie gedacht.

STANDARD: Vor allem vor dem Hintergrund, dass vom Präsidenten abwärts bis zur Frankfurter Fanszene alles links orientiert ist und alle für Toleranz und Weltoffenheit stehen.

Hinteregger: Natürlich spielt das eine Rolle. Wenn ich nur ein bisschen anders denken würde, hätte ich mir nie diesen Status und dieses Leben in Frankfurt aufbauen können. Das wäre komplett widersprüchlich, weil ich diese Toleranz und Weltoffenheit ja verkörpere. Sonst hätte ich ja nie das Gesicht der Eintracht werden können.

STANDARD: Nach ein paar Tagen Abstand: Würden Sie sagen, dass Sie sich von Herrn Sickl distanzieren?

Hinteregger: Das ist eine schwierige Frage. Ich habe ihn als positiven, netten Menschen kennengelernt. Wenn ihr ihn kennenlernen würdet, würdet ihr das Gleiche sagen. Nachdem ich die Geschichte kenne, ist die Wahrnehmung und Sicht natürlich eine andere.

Hinteregger trug bereits 67-mal das ÖFB-Dress.
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STANDARD: Nachdem das Konzert, für das unter anderem DJ Ötzi angesagt war, abgesagt wurde, sind sicher Ausfallhonorare fällig. Bleiben Sie jetzt darauf sitzen?

Hinteregger: Es war von Anfang an klar, dass ich viel Verlust mache. Ich wollte einfach nur ein Fest feiern. Ich habe extra für die Frankfurter Fans einen Bus und einen Charterflieger auf meine Kosten organisiert, um einfach Danke zu sagen. Ich habe damit gerechnet, dass ich rund 100.000 Euro draufzahle. Nun wird es wohl mehr sein.

STANDARD: Sie sind Sirnitz sehr verbunden. Ist Heimweh ein Thema unter Fußballern, weil man ständig unterwegs ist?

Hinteregger: Es kommt immer darauf an, wo man sich heimisch fühlt, und ich fühle mich in Frankfurt extrem heimisch. Auch wenn ich nach meiner Profizeit wieder nach Sirnitz ziehe, werde ich aufgrund meines Restaurants noch oft in Frankfurt sein. Als ich in Gladbach war, bin ich jede Woche heimgeflogen, weil ich mich nicht wohlgefühlt habe. In Frankfurt ist das ganz anders. Wenn man sich nicht heimisch fühlt, verliert man sicher 20 Prozent seiner Leistung.

STANDARD: Kurz noch zum Nationalteam. Nach vier Partien unter Neo-Teamchef Ralf Rangnick herrscht Aufbruchstimmung. Wie sehen Sie das?

Hinteregger: Ich habe kein Spiel gesehen. Ich weiß, wie viel sie gespielt haben, habe aber sonst nichts darüber gelesen. Die Erwartungshaltung unter Fans ist sehr groß. Wir haben ja auch richtig gute Spieler, haben aber oft nicht geschafft, unser Können auf den Platz zu bringen. Unter Ralf hat es sich gebessert, und ich hoffe, dass es in der Tonart weitergeht.

STANDARD: Was war der erste Gedanke, als Sie gehört haben, dass Rangnick Teamchef wird?

Hinteregger: Ich war überrascht, weil ich fix mit Peter Stöger gerechnet hatte. Es war schon ein Wow, der wird was weiterbringen. (Oliver Mark, Andreas Gstaltmeyr, 20.6.2022)