Der große Teil der Inflation wird "importiert" und ist damit von Faktoren abhängig, auf die die Nationalstaaten wenig Einfluss haben.

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Die Regierung greift tief in die Tasche: Sie will im Kampf gegen die Teuerung bereits in den kommenden Monaten mit Einmalzahlungen wie dem Klimabonus knapp sechs Milliarden Euro lockermachen. In den nächsten Jahren sollen dann die Abschaffung der kalten Progression und die Indexierung von Sozialleistungen für weitere Entlastung sorgen.

Laut SPÖ ist das aber nicht genug: Dank der Einmalzahlungen hätten die Haushalte zwar kurzfristig wieder mehr Geld im Börserl, mittelfristig würden die Maßnahmen aufgrund der steigenden Preise jedoch wieder verpuffen, erklärte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner kürzlich in der "ZiB 2". Dazu komme, dass die Zahlungen die Inflation weiter anheizen könnten. Es brauche daher Maßnahmen, die sich direkt auf die Preise auswirken: Steuersenkungen und Preisdeckel.

1. Steuersenkungen

Konkret fordert die SPÖ seit Monaten eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel. In eine ähnliche Kerbe schlägt die FPÖ, die die Mineralölsteuer streichen will. Aber würden Steuersenkungen die Preise tatsächlich senken? Könnten die Unternehmen nicht einfach trotzdem mehr Geld verlangen und so selbst von den Steuersenkungen profitieren?

Wie ein aktuelles Beispiel aus Deutschland zeigt, ist diese Frage nicht einfach zu beantworten: Die deutsche Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte am 1. Juni eine Spritpreisbremse eingeführt, mit der sie die Energiesteuer auf Benzin und Diesel bis zum 31. August vorübergehend senkte. Tatsächlich kam es kurzfristig zu einer Entlastung, jetzt klettern die Preise aber wieder nach oben.

Politikerinnen und Politiker äußerten daraufhin den Verdacht, dass von der Steuersenkung die Ölkonzerne profitieren. Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck forderte gar eine Verschärfung des Kartellrechts, um leichtere Eingriffe in den Markt zu ermöglichen. Das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) hat die Preisentwicklung nun mit Frankreich verglichen und kommt zu einem anderen Ergebnis: Die Ölkonzerne geben den Tankrabatt demnach zu 85 bis 100 Prozent an die Konsumentinnen weiter. Die Preise sind zwar weiter gestiegen, wären ohne Tankrabatt aber noch stärker angezogen.

In Österreich sind Unternehmen theoretisch sogar dazu verpflichtet, Steuersenkungen weiterzugeben. Laut dem Preisgesetz müssen Preise herabgesetzt werden, wenn darin enthaltende "Steuern, Abgabe oder Zollbeträge" ganz oder teilweise entfallen. In der Praxis dürfte die Durchsetzung dieser Pflicht aber schwierig sein. Anwendungsbeispiele einer solchen Preisdurchsetzung gibt es bisher nicht.

2. Preisdeckel

Zur Debatte hat die SPÖ zuletzt auch Preisdeckel gestellt – zum Beispiel auf Nahrungsmittel, Sprit und Wohnen. Barbara Blaha, Chefin des gewerkschaftsnahen Momentum-Instituts, machte am Sonntag bei der ORF-Sendung "Im Zentrum" einen ähnlichen Vorschlag: Die Regierung könnte Preisdeckel für die unbedingt notwendige Grundversorgung einführen und den Konsum, der darüber hinausgeht, davon ausnehmen.

Monika Köppl-Turyna, Direktorin von Eco Austria, verwies auf Gefahren, die damit verbunden sein könnten. Preisdeckel könnten zu noch weniger Angebot und damit zu einem Ungleichgewicht am Markt führen. Ähnlich sieht das Klaus Neusser, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für höhere Studien (IHS). "Im schlimmsten Fall führen Preisdeckel dazu, dass die Produktion eingeschränkt wird oder Produkte gar nicht mehr angeboten werden", sagt der Ökonom zum STANDARD. "Natürlich kann man die Unternehmen subventionieren, sodass sie trotz Preisdeckel keine Verluste machen, aber das wäre dann ja fast schon wie eine Kriegswirtschaft."

Dennoch setzten zahlreiche EU-Staaten auf die Maßnahme: etwa Griechenland, Spanien oder Ungarn, wo die Kosten für Energie gedeckelt wurden. Ministerpräsident Viktor Orbán setzte per Verordnung bereits vor Monaten einen Benzinpreis von umgerechnet 1,20 Euro fest. Dem Engpass an Treibstoff begegnet er nun mit einer Maßnahme, die wahrscheinlich europarechtswidrig ist: Ausländische Autos dürfen seit Ende Mai nur mehr zum Marktpreis tanken. Trotz der Preisdeckel auf bestimmte Produkte kämpft Ungarn jedenfalls weiter mit einer Inflationsrate von rund elf Prozent.

In Sachen Treffsicherheit gibt es sowohl zu Steuersenkungen als auch zu Preisdeckeln geteilte Meinungen: Von den Maßnahmen haben grundsätzlich alle etwas. In absoluten Zahlen profitieren vermögende Menschen, die mehr konsumieren, stärker. Relativ gesehen – und damit argumentiert auch die SPÖ – ist der Effekt auf Personen mit niedrigerem Einkommen aber größer. Sie geben einen prozentuell höheren Anteil ihres Einkommens für Energie und Lebensmittel aus.

Ursachenbekämpfung

Die wahren Ursachen für die Inflation liegen freilich woanders. Sie zu bekämpfen ist zwar möglich, benötigt aber Zeit. Grund sind etwa die nach wie vor stockenden Lieferketten infolge der Pandemie und die hohen Energiepreise aufgrund des Russland-Kriegs in der Ukraine. Beide Probleme hat die EU in Angriff genommen: Mit dem Ziel der "strategischen Autonomie" soll Europas Wirtschaft selbstständiger werden. Der Plan "Repower EU" wird die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zurückdrängen. Beides wird wohl Jahre dauern.

Der große Teil der Inflation wird somit "importiert" und ist von Faktoren abhängig, auf die die Nationalstaaten wenig Einfluss haben. Die Ökonominnen und Ökonomen wie Neusser glauben daher nicht, dass das zusätzliche Geld der Regierung die Inflation weiter anheizen wird. Durch die Maßnahmen werde die Kaufkraft der Haushalte in etwa erhalten und es entstehe kein zusätzlicher Inflationsdruck. Schließlich werden die Menschen de facto nicht mehr Geld übrig haben. Der Konsum dürfte also nicht steigen, sondern auf ungefähr gleichem Niveau bleiben. (Jakob Pflügl, 20.6.2022)