Die Serie an Rückschlägen für Bitcoin scheint kein Ende zu nehmen.

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Wer schon seit längerem in die Kryptowelt investiert, ist heftige Wertschwankungen gewohnt. Bisher galt aber für den Branchenprimus Bitcoin: Langfristig geht es trotz der vielen dazwischenliegenden Auf- und Abwärtstrends immer nach oben. Dementsprechend nehmen viele Kryptofans die derzeitige Talfahrt der Kurse, die Biotcoin seit dem Hoch bei etwas über 67.500 US-Dollar auf derzeit etwa 20.000 Dollar geführt hat, mit einem Schulterzucken hin. Dennoch, es gibt Anzeichen, dass sich die derzeitige Talfahrt von den vorangegangenen unterscheidet.

Eines der wichtigsten Argumente liegt in der Kursentwicklung. Denn bisher galt: Sobald Bitcoin den Höchststand der vorangegangenen Aufwärtsbewegung einmal übertrifft, fällt er nicht mehr darunter. Doch diese Annahme gilt seit dem Wochenende nicht mehr. Mit dem jüngsten Kursrutsch des Bitcoin zwischenzeitlich auf 18.000 Dollar wurde dieser bedeutsame Trend gebrochen. Denn die vorangegangene Preisrally hatte Bitcoin bis Dezember 2017 in der Spitze auf knapp 20.000 Dollar geführt – ein Kursniveau, das nun kurzfristig nach unten durchbrochen wurde.

"Aktuell spricht alles gegen den Bitcoin", sagt Martin Utschneider. Er leitet bei der deutschen Privatbank Donner & Reuschel die technische Analyse, versucht also, aufgrund vergangener Kursbewegungen auf die weitere Entwicklung zu schließen. "Das Chartbild ist eindeutig abwärtsgewandt. Wir haben keinen Abwärtstrend, sondern eine Abwärtsdynamik", sagt Utschneider. Auch das hohe Handelsvolumen verstärke die Abwärtsbewegung. Daher hält er es für wahrscheinlich, dass Bitcoin nachhaltig unter die Marke von 20.000 Dollar fällt.

Stochern im Nebel

Der technischen Analyse kommt bei Kryptowährungen besondere Bedeutung zu, da sich aufgrund fehlender fundamentaler Ankerpunkte kaum ein realistischer Wert ermitteln lässt: Eine Aktie kann man ins Verhältnis zum Gewinn des Unternehmens setzen, eine Anleihe hat einen Nennwert – all dies greift bei Bitcon und Co nicht.

Ins Wanken geriet auch ein Argument, das Kryptowährungen für Profianleger interessant machte: Dass sie sich unabhängig von anderen Assetklassen entwickeln, ist seit November nicht mehr haltbar. Der sich abzeichnende Zinserhöhungszyklus in den USA riss Technologiewerte an der Börse ebenso nach unten wie Bitcoin.

Negative Meldungen

Außerdem befeuerten zuletzt negative Meldungen aus der Branche den Abwärtstrend. Zunächst nagte der Absturz von Terra, einem sogenannten Stablecoin mit vermeintlich fixer Bindung an den Dollar, am Vertrauen. Dann gab die Kryptofirma Celsius Network bekannt, keine Transaktionen mehr durchzuführen, und die börsennotierte Plattform Coinbase baut etwa 1100 Mitarbeiter ab, fast jeder Fünfte muss gehen. "Das Durchbrechen der 20.000-Dollar-Marke zeigt, dass das Vertrauen in die Kryptoindustrie kollabiert ist", fasst Marktanalyst Edward Moya vom Broker Oanda die Stimmung zusammen.

Nicht besorgt wegen des jüngsten Kursdebakels ist die Wiener Kryptofirma Bitpanda. "Während eines Abschwungs sind alle Investitionsplattformen betroffen – aufgrund der aktuellen Marktunsicherheit werden weniger Menschen Investitionen in Betracht ziehen." Man sei finanziell gesund und stärke derzeit den laufenden Betrieb.

Positive Signale

Auch wenn sich eine ausgeprägte Kursflaute abzeichnet, es gibt auch positive Signale. Die Stimmung am Kryptomarkt ist derzeit so pessimistisch, dass eine kurzfristige Kurserholung wahrscheinlich wird. Und der Bitcoin-Preis ist schon so tief, dass sich das Minen, wie das Erzeugen neuer Einheiten genannt wird, kaum mehr lohnt. Als dies zuletzt im Februar 2019 der Fall war, war der Tiefpunkt der Abwärtsphase bald erreicht. Bis zum nächsten Kursaufschwung dauerte es damals aber trotzdem noch eineinhalb Jahre. (Alexander Hahn, 21.6.2022)