Noch werden Lebensmittel großteils in Plastik auf Erdölbasis verpackt. Das soll sich in Zukunft ändern.

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Viele Forschungsprojekte zielen darauf ab, Plastikmüll mit biologischer Hilfe abzubauen. Doch zumindest vorerst sind die Enzyme und Bakterien chancenlos angesichts der Geschwindigkeit, mit der die Abfallgebirge wachsen. Auf Dauer dürfte nur die Entwicklung umweltfreundlicher Verpackungsmaterialien einen Ausweg aus der Kunststoffkrise eröffnen.

Eine mögliche Alternative hat nun ein Team von der Harvard University (Massachusetts) und der Rutgers University (New Jersey) vorgestellt. Nach Angaben der Forschenden handelt es sich um eine abbaubare Beschichtung auf Pflanzenbasis, die auf Lebensmittel gesprüht werden kann, um diese vor Keimen und Transportschäden zu schützen.

Plastik überall

"Wir wissen, dass wir von den erdölbasierenden Lebensmittelverpackungen loskommen und sie durch etwas Nachhaltigeres, biologisch Abbaubares und Ungiftiges ersetzen müssen", sagte Philip Demokritou von der Rutgers University. "In den letzten 60 Jahren haben wir sechs Milliarden Tonnen Plastikmüll in unserer Umwelt verteilt. Winzige Fragmente davon gelangen in das Wasser, das wir trinken, in die Nahrung, die wir essen, und in die Luft, die wir atmen."

Die von den Forschenden präsentierte alternative Technologie basiert auf Biopolymeren, die aus Lebensmittelabfällen gewonnen werden können. Konkret handelt es sich um Fasern aus Polysacchariden, die zu einem dichten Netz gesponnen werden. Mithilfe eines Gerätes von der Größe eines Föns ließen sich damit Lebensmittel jeglicher Form und Größe gleichsam einspinnen, erklären die Forschenden.

Robust und antibakteriell

Die entstehende Hülle sei robust genug, um Gemüse und Obst vor Stößen zu schützen, und dicht genug, um Bakterien abzuhalten. Außerdem seien die Biopolymere mit natürlichen antimikrobiellen Wirkstoffen versetzt – Thymianöl, Zitronensäure und Nisin –, die dazu beitragen, die Lebensmittel vor dem schnellen Verderben zu bewahren.

Bei Laborexperimenten habe sich gezeigt, dass das Material die Haltbarkeit von Avocados um 50 Prozent verlängern könne, schreiben die Forschenden im Fachjournal "Nature Food". Entfernen lässt sich das schützende Gespinst, indem man es einfach mit Wasser abspült, im Boden würde sich die Substanz binnen weniger Tage abbauen, meinen Demokritou und sein Team.

Finnische "Plastikfolie" aus Zellulose

Auf einem ähnlichen Weg sind finnische Wissenschafter bereits ein gutes Stück weiter: Sie haben eine transparente Folie entwickelt, die zu 100 Prozent aus Zellulose besteht und in zwei Jahren marktreif und somit industriell einsetzbar sein könnte. Wie die Gruppe um Ali Harlin vom finnischen Forschungsinstitut VTT berichtet, verfüge die Folie über dieselben Eigenschaften wie erdölbasierter Kunststoff. "Die Folie hält Feuchtigkeit ab, in der Natur verschwindet sie aber vollständig wie Papier", sagte Harlin.

Folglich könne die Folie auch wie Papier recycelt werden. Dadurch könnten hybride Verpackungen, die derzeit aus Papier und Plastik bestehen, wie beispielsweise Pastaschachteln mit Sichtfenster oder plastikbeschichtete Papierverpackungen, mit der Zellulosefolie ausgestattet künftig problemlos im Altpapiercontainer entsorgt werden. Derzeit landen Hybridverpackungen meist im Restmüll. Wenn sie im Altpapier landen, kann das Plastik zwar getrennt werden, dieses wird dann aber meist verbrannt.

Pilotproduktion

Im Frühjahr dieses Jahres begannen die Wissenschafter bei VTT bereits mit der Pilotproduktion der Folie. In der institutseigenen Anlage können pro Minute 15 Meter Folienband mit 30 Zentimeter Breite hergestellt werden. In den kommenden zwei Jahren wollen Harlin und seine Kollegen nun ausloten, exakt für welche Anwendungen die Folie geeignet ist, und ein Wirtschaftsmodell erstellen, damit die Folie auf breiter Basis industriell genutzt werden kann. Für die industrielle Fertigung könnten bestehende Produktionsanlagen genutzt werden. Es brauche keine technische Aufrüstung für die Umstellung von Plastik- auf Zellulosefolie, so Harlin. (tberg, red, 20.6.2022)