Der Ex-Guerillero verspricht eine "Politik der Liebe und des Verständnisses".

Foto: EPA / Carlos Ortega

Beim dritten Anlauf hat es schließlich geklappt: In Kolumbien wurde am Sonntag Gustavo Petro zum ersten linksgerichteten Staatsoberhaupt gewählt. Bereits 2010 und 2018 hatte er es versucht, nun ist Petro am Ziel: In der ersten Wahlrunde 2022 kam er souverän auf Platz eins, in der Stichwahl gegen den rechtsgerichteten Unternehmer und Millionär Rodolfo Hernández konnte er sich knapp, aber doch behaupten.

Die politische Prägung des 1960 geborenen Politikers wurzelt bereits in seinen Jugendtagen. Im Alter von 17 Jahren trat er der Guerillagruppe M-19 bei und legte sich das Pseudonym "Comandante Aureliano" zu, inspiriert von einer Figur aus dem berühmten Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez. Bei der spektakulären Besetzung des Justizpalastes in der Hauptstadt Bogotá Mitte der 1980er-Jahre, während der die Rebellen hunderte Geiseln nahmen, war Petro allerdings nicht dabei: Er saß damals gerade im Gefängnis.

1991 verwandelte sich die Gruppe M-19 in eine legale politische Partei, noch im selben Jahr wurde der mittlerweile aus der Haft entlassene Petro erstmals in die Abgeordnetenkammer des Parlaments gewählt. Auch danach blieb der Ex-Guerillero dem offiziellen Politikbetrieb in seiner Heimat treu. Von 2006 bis 2010 etwa war er Senator, 2018 kam er erneut ins Oberhaus.

Prägend als Bürgermeister

Vor allem aber gibt Petros Wirken als Bürgermeister der Hauptstadt Bogotá 2012 bis 2015 einen guten Einblick in seine politischen Absichten. So wurde etwa in seiner Zeit als Stadtchef das Recht, Waffen zu tragen, stark eingeschränkt, es folgte ein rasanter Rückgang der Mordrate. Ein Frauensekretariat wurde eingerichtet, und die urbanen Auswirkungen des Klimawandels sowie der Ausbau der Öffis standen ebenso auf Petros Agenda wie psychologische und medizinische Betreuung Drogenabhängiger, für die ein mobiler Hilfsdienst geschaffen wurde.

Nun aber hat der zum dritten Mal verheiratete Vater von sechs Kindern eine ungleich schwierigere Aufgabe vor sich: Im Wahlkampf hatte sich Petro zwar als moderater Politiker präsentiert; viele aber, vor allem in der Wirtschaft und der Armee, sehen in ihm eine Bedrohung für das Land – oder für sich selbst. Auch die jahrzehntelange Bürgerkriegsvergangenheit Kolumbiens und die andauernde Gewalt, etwa durch Drogenbanden, könnten für den Präsidenten, der "eine Politik der Liebe, des Verständnisses und des Dialogs" versprochen hat, zum gefährlichen Minenfeld werden. (Gerald Schubert, 20.6.2022)