Im sechsten Bezirk gibt es einen Ort, an dem alle ihren Platz haben: den Spielplatz im Esterházypark beim Haus des Meeres. In der Sandkiste wühlende Kleinkinder koexistieren dort mit Muskelprotzen, die an Recken turnen. (Groß-)Eltern nehmen die Bankerln in Beschlag, eine Handvoll Burschen kickt im Fußballkäfig. Etwas abseits trinken Obdachlose Bier, in der Freilaufzone treffen Hunde und deren Besitzer aufeinander. Fast könnte man übersehen, dass in dieser urbanen Idylle jemand fehlt. Eine Gruppe hat hier keinen Platz: jugendliche Mädchen. Zumindest noch nicht.

Nach dem Sommer steht im Esterházypark ein Umbau an, der einiges verändern soll. Die Bezirksvorstehung habe sich im Vorfeld überlegt, "welche Zielgruppe mehr Aufmerksamkeit bedarf", sagt Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) im STANDARD-Gespräch. Bald war klar: Es sind die Mädchen im Teenageralter. Sie bekommen nun ein sogenanntes Klubhaus.

Ein geschützter Raum mit gutem Ausblick: In dem Klubhaus im südwestlichen Teil des Parks sollen Mädchen einen Platz bekommen. Aussehen könnte es so ähnlich wie dieses, das im Josef-Straß-Park steht.
Foto: Der Standard

Gebaut wird es aus Holzlatten. Diese werden so angeordnet, dass Wände und Decke zwar nicht blickdicht geschlossen sind, aber dennoch ein geschützter Raum entsteht. Als Standort wurde ein Fleckchen im südwestlichen Teil des Parks, beim Amerlinggymnasium, auserkoren.

"Im Klubhaus können die Mädchen unter sich sein. Es wird ein Ort, wo sie nicht gleich gesehen werden, aber trotzdem nach draußen schauen können", sagt Rumelhart. Und dort draußen gibt es viel zu sehen: Das Klubhaus bietet einen guten Ausblick auf die Muskelprotze und den Käfig.

Das Klubhaus bietet einen guten Ausblick.
Foto: Regine Hendrich

Beförderung von Stereotypen?

Projekte wie dieses sind genau das, was seitens der Stadt Wien unter geschlechtssensibler Spielplatzplanung verstanden wird. Die Idee dahinter: Bisher habe die Ausstattung von Spielplätzen überwiegend die Interessen männlicher Kinder und Jugendlicher berücksichtigt, schreibt die Magistratsdirektion in einer Unterlage. "Der Tatsache, dass Mädchen und Burschen verschiedene Spiel-, Sport- und Beschäftigungsinteressen haben und daher unterschiedliche Anforderungen an Spielplatzgestaltungen stellen, wurde in der Planung kaum Rechnung getragen." Dabei definiere bereits die Konzeption einer Anlage, wer diese letztlich nutze.

Soll heißen: Die Art und Weise, wie Spielflächen in Wien lange gestaltet wurden, befördert nicht gerade, dass sich Mädchen dort aufhalten. Mehr noch: Bereits in den 1990ern wurde in einer Studie nachgewiesen, dass sich Mädchen ab dem zehnten bis zum 13. Lebensjahr von den Spielplätzen zurückziehen – mit negativen Folgen für ihr Selbst- und Körperbewusstsein.

Dieses Fleckchen wurde als Standort für das Klubhaus auserkoren.
Foto: Regine Hendrich

Aber ist ein Klubhaus, in dem geschmachtet und gekichert werden kann, das adäquate Gegenrezept? Oder werden damit bereits überholte Rollenbilder und Verhaltensweisen verfestigt – frei nach Motto: Buben in den Fußballkäfig, Mädchen in die Plauderecke?

Reaktion auf Nachfrage

Geschlechtersensible Spielplatzgestaltung sei jedenfalls eine Gratwanderung, sagt Doris Damyanovic, Landschaftsplanerin an der Universität für Bodenkultur (Boku). Von voreiligen Rollenzuschreibungen halte sie nichts, aber: "Die Erfahrung zeigt tendenziell, dass sich Mädchen den öffentlichen Raum durch Kommunikation aneignen."

Bei dem Klubhaus im Esterházypark gehe es auch um die Symbolik, erklärt die Expertin. Nach wie vor existiere eine männliche Dominanzkultur, die Mädchen abschrecke. Mit Projekten wie dem Klubhaus werde veranschaulicht, dass Mädchen einen relevanten Teil des Freiraums benötigen. "Man gesteht ihnen damit eine gewisse Macht zu, sie können entscheiden, ob sie die Burschen reinlassen oder nicht."

Im Stadtgartenamt, das für den Großteil der Wiener Spielplätze zuständig ist, erklärt man die Wahl der Ausstattung, die Mädchen ansprechen soll, mit der Nachfrage. "Wir reagieren auf das, was gewünscht wird", sagt Ursula Dominikus aus der Planungsgruppe. Bevor ein Spielplatz oder Park umgestaltet werde, führe die Stadt Standardmäßig ein Beteiligungsverfahren durch; die Ergebnisse werden nach dem Geschlecht aufgeschlüsselt.

Dabei zeige sich, dass sich Mädchen oft einen Aufenthaltsbereich, in dem sich unter sich sein können, wünschen. "Der soll etwas abgeschottet vom restlichen Bereich und besonders gestaltet sein: mit Hängesesseln oder tribünenartigen Sitzelementen. Damit man sich zurückziehen und quatschen kann", sagt Dominikus. Ebenfalls hoch oben auf der weiblichen Wunschliste: Aufenthaltsbereiche in der Nähe von den Kleinkinderspielbereichen. Das komme daher, dass ältere Mädchen oft auf jüngere Geschwister aufpassen müssten.

Mariahilfs Bezirkschef Markus Rumelhart (SPÖ) und Jugendarbeiterin Angelika Stuparek.
Foto: Regine Hendrich

Auch im Esterházypark fand ein Beteiligungsverfahren statt – mit 41 Jugendlichen. Dieses zeigte ein Bedürfnis nach mehr Sitzgelegenheiten bzw. nach solchen mit Dach oder Sichtschutz – vor allem von Mädchen. "Diese Wünsche kommen eben", sagt Angelika Stuparek, Leiterin der Jugendarbeit im sechsten Bezirk. "Die Planung von Parks ist eine Sache, gesellschaftliche Normen zu ändern eine andere." Stuparek hält es für enorm wichtig, dass Mädchen Platz bekommen: "Dann sind sie nicht mehr wegzudiskutieren."

Alles nach Plan

Um dies sicherzustellen, hat die Stadt im Jahr 2005 für Planer Empfehlungen zur geschlechtssensiblen Gestaltung öffentlicher Parks und Spielplätze formuliert. Vorgeschlagen werden etwa eine gute Beleuchtung (um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen), die Schaffung von Volleyballplätzen (weil diese Mädchen besonders ansprechen) und eine lockere Aufstellung von Spielgeräten (was Mädchen anregen soll, ihren Aktionsraum zu erweitern).

Pilotprojekte wurden bereits in den 1990ern umgesetzt: Der Bruno-Kreisky-Park und der Einsiedlerpark im fünften Bezirk wurden damals geschlechtssensibel umgestaltet. "Damit war Wien international Vorreiter", sagt Boku-Expertin Damyanovic.

Für sie steht fest: "Der öffentliche Raum ist eine begrenzte Ressource, und die muss geteilt werden. Es muss für alle Gruppen Platz geben, das ist ein Aushandlungsprozess." Dass es nicht um ein Entweder-oder geht, betont auch Dominikus vom Stadtgartenamt: "Geschlechtersensible Planung bedeutet, dass Mädchen und Burschen berücksichtigt werden."

Neue Pflasterung und Sitznischen

Wie das im Esterházypark in der Praxis funktioniert, wird sich ab Ende Oktober zeigen. Dann soll das Klubhaus fertig sein. Aufgehübscht werden auch die angrenzenden Bereiche: Geplant sind Beete mit Sitznischen und eine neue Pflasterung beim Käfig. Der Bezirk lässt sich das 115.000 Euro kosten. Wann es das wert sei? "Wenn sich die Zielgruppe den Raum nimmt", sagt Bezirkschef Rumelhart.

In Zukunft, hofft Landschaftsplanerin Damyanovic, könnten Klubhäuser obsolet werden: "Vielleicht wird so etwas irgendwann nicht mehr nötig sein", sagt sie. "Aber noch haben wir die Chancengleichheit nicht." (Stefanie Rachbauer, 23.6.2022)