Amtsinhaber Van der Bellen dürften diesmal weniger prominente Gegner gegenüberstehen als 2016.

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Die Bundespräsidentschaftswahl ist derzeit fast noch ein politischer Nebenschauplatz. Stattfinden soll sie aller Voraussicht nach im Oktober, einen fixen Termin gibt es allerdings noch nicht. Und auch, wer abseits von Amtsinhaber Alexander Van der Bellen kandidiert, steht noch nicht endgültig fest. Anders als ÖVP, SPÖ und Neos will jedenfalls die FPÖ jemanden ins Rennen schicken. Als wahrscheinlichste Kandidatin gilt die blaue Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst, im Boulevard wird auch über eine mögliche Kandidatur des Juristen und Krone-Kolumnisten Tassilo Wallentin für die Freiheitlichen spekuliert. Aber unabhängig davon, wer schlussendlich antritt: Welche Chancen kann sich Van der Bellens Konkurrenz überhaupt ausrechnen?

Ernsthafte Konkurrenz

Laut Christoph Haselmayer vom Institut für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) würden es derzeit nur zwei Gegenkandidatinnen schaffen, den aktuellen Amtsinhaber in eine Stichwahl zu zwingen: die frühere Neos-Abgeordnete Irmgard Griss sowie Altbundeskanzlerin Brigitte Bierlein. Beide stammen aus der Justiz und waren bei Höchstgerichten tätig – Griss war von 2007 bis 2011 Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Bierlein von 2018 bis 2019 Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs.

Die Neos, für die Griss nach ihrer unabhängigen Kandidatur als Bundespräsidentin 2016 später im Nationalrat saß, unterstützen offen Van der Bellen. Im Büro von Brigitte Bierlein wird auf Rückfrage ausgerichtet, dass sich die ehemalige Bundeskanzlerin über den Wiederantritt des bisherigen Präsidenten freue. Sie selbst stehe für das Amt nicht zur Verfügung.

Sehr wohl antreten möchte Marco Pogo. Der 35-Jährige heißt eigentlich Dominik Wlazny und ist Musiker, Mediziner und Bezirksrat in Wien-Simmering. Über seine Kandidatur ist in den vergangenen Tagen eine Debatte entfacht – ausgelöst durch einen Gastkommentar der Kommunikationsberaterin Nina Hoppe im STANDARD, die Spaßkandidaturen als "demokratiegefährdend" bezeichnet hatte.

Eine Art Vorwahl

Die Politologin und Demokratieforscherin Tamara Ehs sieht das anders: Den Begriff "demokratiegefährdend" hält sie "für mehr als übertrieben". Das gelte umso mehr, wenn man betrachte, wer in Österreich schon hohe politischer Ämter bekleidet habe, "wie etwa ein ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der an militärischen Paintballübungen teilgenommen hat". Marco Pogo könne man dagegen kaum unterstellen, sich demokratiegefährdend zu gerieren.

Ehs weist zudem darauf hin, dass es so etwas wie eine "Spaßkandidatur" rechtlich gar nicht gibt. Wer antritt und die nötigen 6000 Unterstützungserklärungen schaffe – eine Art "Vorwahl" –, sei schlicht Kandidat oder Kandidatin, sagt Ehs. Umgekehrt könne eine Kandidatur wie jene Marco Pogos auch für Mobilisierung und Interesse für einen Wahlgang in weniger politikaffinen Milieus sorgen.

Abseits des Amtsinhabers haben bislang nur Bewerber mit so gut wie keinen Chancen auf die Stichwahl ihre Kandidatur angekündigt. Darunter der Gründer der EU-Austritts-Partei Robert Marschall und Martin Wabl, dessen Antritt bereits bei vier vorherigen Bundespräsidentenwahlen an den erforderlichen 6000 Unterschriften scheiterte.

Die SPÖ unterstützt Van der Bellen offen, die ÖVP wünsche dem Amtsinhaber alles Gute, will aber keine offizielle Wahlempfehlung abgeben. Bei der vergangenen Präsidentschaftswahl 2016 mussten die Kandidaten Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol jeweils Ergebnisse nur knapp über elf Prozent einstecken und scheiterten deutlich an der Stichwahl.

Antritt kaum attraktiv

Die frühere Justizministerin Maria Berger (SPÖ), aktuell Teil des Personenkomitees für Van der Bellen, hält es im STANDARD-Gespräch für sinnvoll, dass ihre Partei keine eigene Kandidatin ins Rennen schickt. "Kontinuität in diesem Amt ist sicher nicht zu dessen Schaden", sagt sie. "Schon gar nicht in politisch turbulenten Zeiten." Wenig Auswahl bei der Wahl hält sie demokratiepolitisch zumindest für kein grobes Problem: "Da haben wir wohl größere, wie dass in Wien ein Drittel der Einwohner mangels Staatsbürgerschaft nicht wählen darf."

Die frühere Gesundheits- und Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP), die ebenfalls Van der Bellen unterstützt, sieht das ähnlich. Bei einem beliebten und erfolgreichen Amtsinhaber sei es nur sinnvoll, einen Gegenkandidaten aufzustellen, wenn man dem Kurs des Bundespräsidenten völlig konträr gegenüberstehe. Das Amt "für eine Spaßkandidatur zu nützen" hält sie dagegen für falsch.

Bisher wurden alle Amtsinhaber, die nochmals antraten, auch wiedergewählt. "Es ist für die Großparteien kaum attraktiv, jemanden aufzustellen, der letztlich nur ein Zählkandidat bleibt", sagt der Politikwissenschafter Anton Pelinka. Das Amt des Bundespräsidenten habe durch die zahlreichen innenpolitischen Krisen der vergangenen Jahre zwar mehr Sichtbarkeit erhalten. Dessen Spielraum sei dennoch eingeschränkt, sagt Pelinka: "Er ist realpolitisch nicht die Nummer eins der Exekutive, sondern der Präsident braucht eben einen Bundeskanzler." (Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, Martin Tschiderer, 21.6.2022)